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CD „CARO GEMELLO“ – Musik rund um Farinelli und Metastasio – VALER SABADUS, CONCERTO KÖLN; Sony

16.10.2018 | cd

CD „CARO GEMELLO“ – Musik rund um Farinelli und Metastasio – VALER SABADUS, CONCERTO KÖLN; Sony

Eh che appreser gemelli a sciorre il volo / la tua voce in Parnaso e il mio pensiero“ („Wie Zwillinge lernten mein Geist und deine Stimme, ihre Schwingen im Parnass zu erheben.“) Sonett von Pietro Metastasio

 

Einfallsreichreichtum kann ihnen schon attestieret werden, den eifrigen Archiv-Archäologen barocker Raritäten. Damit ein Arien-Programm sinnstiftend arrangiert bzw. griffig vermarktet werden kann, braucht es heute eine Geschichte. Im Fall des vorliegenden Albums hat der in Rumänien geborene Countertenor Valer Sabadus die enge Freundschaft zwischen dem mythischen Kastratensänger Carlo Broschi alias „Farinelli“ und dem Wiener Hofdichter und Librettisten Pietro Metastasio in den programmatischen Mittelpunkt gestellt und als Kriterium für die Auswahl der Stücke auserkoren. In ihrem privaten Briefwechsel betitelten sich beide Künstler gegenseitig wegen außerordentlicher Sympathie sogar als Zwillinge.

 

Farinelli in seiner Altersfunktion als Leiter der königlichen Schauspiele in Madrid beauftragte im Dienste Ferdinand VI. von Spanien Metastasio, ein Libretto zu schreiben. Dem Textbuch zur Oper „Nitteti“ legte Metastasio das zitierte Sonett bei. Kennengelernt haben die beiden sich schon weit früher, als der 15-jährige Farinelli seinem Lehrer Popora zuliebe in dessen Serenata „Angelica e Medoro“ auf einen frühen Text Metastasios mitwirkte.

 

Auf dem Album sind Ausschnitte aus Opern auf Libretti des berühmten Metastasio zu hören, die zu bestimmten Anlässen von Farinelli gesungen wurden. Aber auch zwei Ausschnitte aus „Polifemo“ von Nicola Antonio Porpora auf ein Libretto von Paolo Antonio Rollo sind auf der CD in der Absicht eines Qualitätsvergleichs zu hören. Zwei reine Instrumentalstücke, nämlich die Sinfonia zur Oper „Ezio“ von Nicola Conforto und dieIntroduzione zum Oratorium „La morte d’Abel“ von Antonio Caldara ergänzen das abwechslungsreiche Arienpasticcio.

 

Valer Sabadus arbeitet hier zum ersten Mal mit dem Concerto Köln zusammen.  Das berühmte deutsche Originalklangensemble hat nichts vom temperamentvollen Zugriff, der affektgeladenen Dramatik, aber auch der beispielhaften Transparenz des Klangs verloren. Neugierig waren die Musiker ja immer schon, sind dem Kenner von Barockmusik viele Neueinspielungen von der Barocke bis zur Frühklassik in bester Erinnerung.  

 

Valer Sabadus ist einer der besten lyrischen Countertenöre, der Farinelli in seiner Begabung für Interpretationen gefühlsbetonter Musik, also „ausgedehnter Linien, sinnlicher Zwischentöne“ und ergreifender Kantilenen durchaus ähnelt. Wunderbar gelingen etwa die beidne Arien aus dem Oratorium La morte d’Abel oder ‚Alto Giove‘ aus „Polifemo“.

 

Nur eingeschränkt gefallen mir die hochvirtuosen Flitzer wie ‚Amor, dover, rispetto‘ aus der Oper „Adriano in Siria“ von Geminiano Giacomelli oder die koloraturgespickte Arie ‚Di quella ch’io provo‘ aus der Oper „Ruggiero“ von Johann Adolf Hasse.  Natürlich kann Valer Sabadus Verzierungen singen, solange sie leicht und duftig in den musikalischen Fluss eingebunden sind. Wenn ein gewisser Grad an Dramatik überschritten wird, neigt der junge Countertenor allerdings zu Manierismen, wie einem für mein Ohr unangenehmen Anschleifen von übertrieben akzentuierten Koloraturen. Außerdem fehlen der Stimme in manch ganz schneller Passage Fokus und Strahlkraft, damit wirklich das schwindelerregende Hörgefühl eines vokalen Feuerwerks ausgekostet werden kann. Hier sollte entweder stimmtechnisch nachgerüstet oder bei der Wahl des Repertoires sorgfältiger auf die Atouts der Stimme geachtet werden.

 

Abgesehen davon ist eine CD voller Raritäten zu entdecken, die sicherlich ihre Freunde finden wird.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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