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CD Carlo Vistoli – Amor tiranno – Broken-hearted Lovers in 17th Venice – Arien und Sonaten von Cavalli, Merula, Ferrari, Laurenzi, Sacrati, Ceresini, Monteverdi und Frescobaldi; Arcana

25.05.2022 | cd

CD Carlo Vistoli – Amor tiranno – Broken-hearted Lovers in 17th Venice – Arien und Sonaten von Cavalli, Merula, Ferrari, Laurenzi, Sacrati, Ceresini, Monteverdi und Frescobaldi; Arcana

Gebrochene Herzen in der Musik des italienischen Barock – Sublimierung von verzweifelten Gemütslagen in allerschönsten Klängen

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Der italienische Countertenor Carlo Vistoli ist gut im Geschäft. Sein Kalender ist voll mit Auftritten zwischen Wien, Berlin und Paris (wo er gerade in einer neuen Produktion den Tolomeo in Händels „Giulio Cesare in Egitto“ am Théâtre des Champs-Elysées mit Philippe Jaroussky am Pult singt). Außerdem wird er gemeinsam mit Cecilia Bartoli mit Pergolesis Stabat Mater unter der Leitung von Gianluca Capuano touren.

Für sein neues Solo-Album hat er sich das „Fach“ der unglücklichen Liebhaber ausgesucht. Ob sie nun Idraspe, Iarba oder Diomede heißen, sie alle stammen aus Bühnenwerken sowie Canzonetten venezianischer Komponisten des 17. Jahrhunderts. Huldigte man in der Renaissance in malerischsten lyrischen Ergüssen noch der weiblichen Schönheit und den wonnevollen Seiten der Liebe, so sehen wir in der Barockzeit Amor eher als grantigen Spießgesellen, der sich wundert, was da alles in seinem plüschigen Reich schiefläuft. Der hässliche Alltag, Allegorie auf die Konflikte des Eisernen Jahrhunderts des Seicento, fand auch Eingang in die Künste der Zeit. Kein Wunder, waren Italien und Europa nicht nur von der kleinen Eiszeit, sondern auch machtpolitisch und religiös aufgeheizten Territorialkonflikten, wie dem desaströsen 30-jährigen Krieg, dem Mantuanischen Erbfolgekrieg oder den Französisch Spanischen Auseinandersetzungen arg geplagt.

So begannen die Literaten der venezianischen Accademia degli Incogniti damit, Gedichte, Romane und Stücke für Musiktheater zu schreiben, wo Amor und Mars auf einmal als die zwei Seiten derselben Medaille auftraten. Die Liebe erschöpfte sich nicht in romantischen Seufzern und Schmachten, sondern wurde real als Quelle ständiger Konflikte gesehen. Die Arbeiten der Gruppe Incogniti erwiesen sich als Modell für die vielen unglücklichen Liebesgeschichten in der venezianischen Oper des 17. Jahrhunderts. So ist das also: Cupido als kapriziöser Lausbub, Eros sonnt sich in lächerlichen Posen und bei Amor fällt einem als erster Vergleich die Pest ein. Die Liebe ist in diesem Verständnis nach eine Illusion, der jene unterliegen, die von ihr besessen sind. Diese flüchtige Sache steht nun im Zentrum des vorliegenden Albums.

Wie großartig Cavalli, Monteverdi & Co die Labyrinthe der Ungewissheit und die Mäander der Tränen in Ton gesetzt haben, lässt sich dank der charaktervollen Darbietungen von Carlo Vistoli leicht nachprüfen. Vom Stimmtyp her ähnelt Vistoli, obwohl er ein Countertenor ist, den französischen Hautes-Contre Paul Agnew und Jean-Paul Fouchécourt. Eine makellose Technik und der am Wort orientierte expressive Vortrag lassen die Szenen in ihrer sublimen Raffinesse (welches Gefühl ist subtiler al der Liebesschmerz?) aufblühen. Das Ensemble Sezione Aurea (übersetzt: Goldener Schnitt) begleitet den Sänger großteils auf historischen Instrumenten. Das rein instrumentale Auf- und Abwogen der emotionalen Mikrokosmen unserer Helden paart sich mit der Stimme des Counters zu bewegenden musikalischen Dramoletten. In Track 14 – Duett mit Ottone aus Monteverdis „L’Incoronazione die Poppea“ – assistiert die Sopranistin Lucia Cortese als Poppea. Abgerundet wird das Programm durch zwei Stücke für Cembalo solo von Merula und Ceresini, gespielt vom Konzertmeister Filippo Pantieri.

Inhalt der CD

Francesco Cavalli: Arien aus Gli amori di Apollo e Dafne, Erismena, La Didone,

Merula: Sonata cromatica

Benedetto Ferrari: Amanti, io vi so dire

Filiberto Laurenzi; Chi puo miriar costei e poi non dir

Francesco Sacrati: Air „Se ad un altri si sposa“ aus La finta pazza

Giovanni Ceresini: Tornate, o cari baci

 Claudio Monteverdi: Arien aus L’Incoronazione di Poppea; Ohime, ch’io cado,  ohime; Si dolce e ‚l tormento

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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