CD: CARL STAMITZ: LE JOUR VARIABLE • FOUR SYMPHONIES – Kölner Akademie, Michael Alexander Willens
«eine Convenabl Salarisirte Condition»
Als Co-Produktion von cpo und Deutschlandfunk hat die Kölner Akademie ein Album mit vier Sinfonien von Carl Philipp Stamitz, dem erstgeborenen Sohn von Jan Václav Antonín Stamic, vor. Der Vater kam nach Mannheim um «als virtuoser Musicus eine Convenabl Salarisirte Condition» zu finden nach Mannheim – und begründete als Johann Wenzel Anton Stamitz die Mannheimer Schule -, der Sohn verliess Mannheim, gab «eine Convenabl Salarisirte Condition» preis um ein Leben als freier, ungebundener Komponist und Virtuose zu führen.
Carl Philipp Stamitz wurde am 8. Mai 1745 in Mannheim getauft. Den ersten Unterricht erhielt er von seinem Vater, damals Konzertmeister der Mannheimer Hofmusik und ab 1750 Hofinstrumentalmusikdirektor. Nach dem frühen Tod des Vaters 1757 übernahmen dessen Meisterschüler Christian Cannabich, Ignaz Holzbauer und Franz Xaver Richter die musikalische Ausbildung Carl Philipps. 1761 als Violinist ins Mannheimer Hoforchester aufgenommen, verliess er die Stadt neun Jahre später, um als freier, ungebundener Virtuose und Komponist, dem die Sinfonie der von seinem Vater begründeten Mannheimer Schule besonders am Herzen lag, zu leben. Bis 1776 lebte er in Paris, bis 1780 in London, jeweils unterbrochen von längeren Konzertreisen. 1785 kehrte er nach Deutschland zurück und bemühte sich, vermutlich des Reisens müde, um «eine Convenabl Salarisirte Condition», die er aber vorerst nicht erhalten sollte. 1794 liess er sich, mittlerweile verheiratet, nach erfolglosen Bewerbungen an verschiedenen Höfen Deutschlands, in Jena nieder und wurde akademischer Musiklehrer und leitete die akademischen Konzerte. Aus wirtschaftlicher Not versuchte er sich in dieser Zeit auch als Goldmacher. Nachdem am 17. Januar 1801 Stamitz Frau gestorben war, starb er selbst am 9. November des gleichen Jahres. Nur ein Kind, Ernst Ferdinand (1798-1805) überlebte den Tod der Eltern. Der einst gefeierte Virtuose und Komponist starb einsam und verschuldet. Und auch schon vergessen, denn im Gegensatz zum Hausrat und den Instrumenten fand sich für seinen musikalischen Nachlass bei der Versteigerung zur Begleichung seiner Schulden kein Interessent.
Die Überlieferungslage bei Carl Stamitz steht in starkem Gegensatz zu seiner Berühmtheit zu Lebzeiten. Vieler seiner Werke sind, obwohl auch (häufig in Paris) im Druck erschienen, verschollen oder nur in Handschriften auf die Gegenwart gekommen. So liegen die drei von der Kölner Akademie eingespielten Sinfonien, die Sinfonie op. 15/III in d-Moll (KaiS. 24), die Sinfonie op. 2/III in G-Dur (KaiS. 3) und die Sinfonie op. 6/II in Es-Dur (KaiS. 5) jeweils in Form von handschriftlichem Aufführungsmaterial in der Fürst Thurn und Taxis Hofbibliothek in Regensburg vor. Der Grossen Pastoralen Sinfonie in G-Dur «Le Jour Variable»/«La Promenade Royale» (KaiS. 32) wäre beinahe das 20. Jahrhundert zum Verhängnis geworden. Der in der Bibliothek des Berliner Schlosses verwahrte Autograph mit dem Titel «La Promenade Royale» ist seit seiner Auslagerung während des Kriegs und der darauf folgenden Verbringung in die damalige Sowjetunion verschollen. Die in der einstigen Thüringischen Landesbibliothek Weimar (heute Teil der Herzogin Anna Amalia Bibliothek) verwahrte Abschrift hat den grossen Brand nicht überstanden. Stamitz selbst hatte den in Berlin verwahrten Autographen zusammen mit drei anderen Werken und einem Begleitbrief von Greiz aus an König Friedrich Wilhelm II. geschickt. Mit Hilfe dieses Briefs lässt sich nachweisen, dass es sich bei den in Berlin und Weimar verwahrten Kompositionen trotz unterschiedlicher Titel um das gleiche Werk handelt. Und mit Hilfe einer privaten photographischen Kopie der Weimarer Abschrift liess sich nun eine aufführungsbereite Fassung von Stamitz Programm-Sinfonie erstellen. Die Einspielung dieser Sinfonie, deren Sätze die Titel «Pastorale: Le beau Matin», «La Tempête», «La Nuit obscure» und «La Chasse» tragen, ist der eindeutige Höhepunkt der Einspielung.
Die Kölner Akademie unter Michael Alexander Willens ist mit viel Brio und Spielfreude am Werk und lässt das Primat der Melodie als Charakteristikum der Mannheimer Schule ohrenfällig werden.
Eine echte Bereicherung des CD-Markts.
15.08.2021, Jan Krobot/Zürich