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CD CARL PHILIPP EMANUEL BACH: FLÖTENKONZERTE – ARIEL ZUCKERMANN und das Georgische Kammerorchester Ingolstadt; Fuga Libera

30.01.2025 | cd

CD CARL PHILIPP EMANUEL BACH: FLÖTENKONZERTE – ARIEL ZUCKERMANN und das Georgische Kammerorchester Ingolstadt; Fuga Libera

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Wie war das nochmals mit den „Flügeln“ einer bestimmten Getränkemarke? Wenn ich Musik von CPE Bach, dem sog. „Berliner“ oder „Hamburger“ Bach, höre, dann ist das besser als jeder Energydrink. Federn wachsen mir zwar keine, aber die Laune hebt sich und in den Tag kommt ob der schwindelerregenden musikalischen Berg- und Talfahrten Elan und Schwung.

Vorrangig Organist und Virtuose auf dem Cembalo, machte CPE Bach ab 1741 als Konzertcembalist in der preußischen Hofkapelle Karriere. Kein Wunder, dass auch der musikalische Output sich auf Einfallreiches für Tasteninstrumente fokussierte. So entstanden um die 50 Konzerte vorrangig für „Clavier“. Natürlich war es – so wie vom berühmten Papa nicht anders gehalten – Gepflogenheit, eigene Konzerte für unterschiedliche Instrumente zu bearbeiten; so für Oboe, Cello oder eben Flöte. Sechs solcher Flötenkonzerte sind erhalten und drei davon (diejenigen in a-Moll, Wq 166; in G-Dur, Wq 169 und in d-Moll, Wq 22) auf dem aktuellen Album zu hören. Alle stammen aus der Berliner Zeit des Komponisten und waren auf die eine oder andere Art von Johann Joachim Quantz beeinflusst.

Wenn wir heute vom „empfindsamen Stil“ lesen oder bei der historischen Erklärung von „Ausdruck“ auf das semantische Äquivalent „Selbstrührung“ stoßen, dann ist das für das Verständnis der Musik in heutiger Zeit wohl ziemlich irreführend. Es liest sich musikgeschichtlich aufschlussreich, aus aktueller Warte aber nicht ohne Lächeln, wenn der Komponist meinte: „Indem ein Musicus nicht anders rühren kann, er sey denn selbst gerührt; so muss er nothwendig sich selbst in alle Affekten setzen können, welch er bey seinen Zuhörern erregen will; er giebt ihnen seine Empfindungen zu verstehen und bewegt sie solchergestalt am besten zur Mit-Empfindung.“ Denn mit emotionaler Selbstverzehrung oder tränennaher Gefühligkeit hat die Musik CPE Bachs gar nichts am Hut, auch wenn ihm etwa Zeitgenosse und Tonsetzer Christoph Nichelmann einen affektierten Stil vorhielt.

Die Faszination des CPE Bach gründet sich darauf, dass er unermüdlich bis zur Hektik, fantasiebesessen experimentierte und die formalmusikalischen Grenzen seiner Zeit bis hin zur Klassik dehnte bzw. aus allen Blickwinkeln stroboskopisch beblitzte.

Nehmen Sie den ersten Satz (Allegro assai) des a-Moll Konzerts, da steht einem zackig strengen Rhythmus und sprunghaft sich gerierenden Thema eine lyrische, aber um nichts weniger bravourös gesetzte Flötenmelodie gegenüber. Im dritten Satz dieses Konzertes hören wie ein ungemein resolutes, dissonant ausgereiztes, mit asynchron rhythmisierten Einwürfen durchspicktes Orchester, dem die Flöte wie ein Vogerl auf dem Baum frech und selbstbewusst antwortet. Auch das Konzert in G-Dur wartet mit diesen oft mit Joseph Haydn assoziierten Rösselsprüngen und launisch überraschenden Durchführungen auf. Die Flöte plaudert dazu verzierungslustig, den Dialog stets schlaulistig befeuernd.

Auf der vorliegenden Aufnahme ist Ariel Zuckermann, Flötist und Dirigent, in Doppelfunktion zu erleben. Seit Anfang 2021 ist er künstlerischer Leiter des technisch versierten Georgischen Kammerorchesters Ingolstadt, das er hier voller Animo und entschlossen zu bestechenden musikalischen Kontrasten anhält. Zuckermanns Flötenspiel glänzt poetisch fein, die stupende Virtuosität und Klangsinnlichkeit des Instruments stets in den Dienst eines reizvoll in Chiaroscuro-Schattierungen leuchtenden Widerspiels mit dem Orchester zu werfen.

In den langsamen Sätzen darf dann schon einmal atmosphärisch sachte eingetrübt, melancholisch Nabelschau gehalten werden, nur um im jeweils letzten Allegro/Presto sportlich die aberwitzigsten und Adrenalin freisetzenden, klangnärrischen Bungee-Jumpings zu wagen.

Frischzellenkur für die Ohren, Energiebooster ohne bedenkliche Nebenwirkungen!  

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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