„Carmina Burana“ – Glanzvolle Neuaufnahme des Klassikers durch Paavo Järvi und die Tonhalle Zürich
Carl Orffs „Carmina Burana“ gehört zu den populärsten Werken des 20. Jahrhunderts. Das kraftvolle und sinnliche Meisterwerk zieht seit seiner Uraufführung 1937 das Publikum in seinen Bann. Nun hat Paavo Järvi mit dem Tonhalle-Orchester Zürich und einem beeindruckenden Ensemble von Solisten und Chören eine neue Referenzaufnahme für das Label Alpha-Classics vorgelegt. Diese Einspielung überzeugt mit brillanter Klangqualität und einer faszinierenden interpretatorischen Tiefe.
„Carmina Burana“, Orffs szenische Kantate, basiert auf mittelalterlichen Texten, die der Komponist in einer Sammlung aus dem Kloster Benediktbeuern entdeckte. Der kraftvolle Auftakt „O Fortuna“ ist längst ein kulturelles Phänomen, das weltweit in Konzerten, Filmen und der Werbung präsent ist. Orff verband in diesem Werk archaische Rhythmen mit klaren Melodien und einer reduzierten Harmonik, die eine hypnotische Wirkung entfaltet. Paavo Järvi bezeichnet diese Musik treffend als „archaisch und zugleich überzeitlich“.
Paavo Järvi dirigiert die „Carmina Burana“ mit einer in diesem Werk eher seltenen Mischung aus Präzision und Transparenz. Seine Interpretation vermeidet den oft gehörten Bombast, legt stattdessen den Fokus auf die subtilen Schattierungen des Werks. Die klangliche Balance zwischen Chor, Orchester und Solisten ist beeindruckend, was der feinsinnigen Leitung des Dirigenten zu verdanken ist. Einmal mehr überzeugt der originelle Zugriff des Dirigenten auf das Werk. Järvi arbeitet akribisch kleinste Details heraus, um sie sodann in den Gesamtkontext zu intergrieren. Somit ist eine Version zu erleben, die an vielen Stellen geradezu Neues offenbahrt und sich dazu etwas mehr Minuten Zeit gönnt.
Das Tonhalle-Orchester Zürich begeistert mit leuchtenden Farben und rhythmischer Prägnanz. Besonders die Blechbläser und Schlagwerker verleihen den dramatischen Passagen kraftvolle Akzente, während die Streicher eine filigrane Wärme ausstrahlen. Ebenso begeistern die Holzbläser mit ihren strahlenden Akzenten. Die große Streichergruppe liefert dazu ein feines Klangfundament.
Die Solistenleistungen sind auf beachtlichem Niveau: Bariton Russell Braun beeindruckt mit seiner immensen stimmlichen Bandbreite, die von samtigem Timbre bis hin zu kraftvollen Akzenten reicht. Seine Interpretation der verschiedenen Gesänge, vor allem im Mittelteil, ist eindrucksvoll und voller Emotionalität. Max Emanuel Cencic verleiht der anspruchsvollen Partie des Tenors mit seinem Countertenor außergewöhnliche Farbigkeit und Präzision. Zwar wäre im „Olim lacus colueram“ etwas mehr Schmerz in der Darstellung des surrealen gebratenen Schwans adäquater, dennoch überzeugt er insgesamt mit seiner grotesken Gestaltung. Alina Wunderlin, die Sopranistin, besticht durch ihre kristallklare Stimme, vor allem in der heiklen Arie „Dulcissime“, deren Spitzentöne leicht und mühelos klingen.
Die Zürcher Sing-Akademie und die Zürcher Sängerknaben, sorgfältig einstudiert von Konrad und Alphons von Aarburg, liefern einen Chorpart, der in seiner Präzision und Ausdruckskraft Maßstäbe setzt. Besonders beeindruckend ist die Textverständlichkeit, sowohl in lateinischen als auch in mittelhochdeutschen und altfranzösischen Passagen.
Das Label Alpha-Classics hat mit dieser Produktion erneut seine Spitzenposition im Bereich audiophiler Klassikaufnahmen unter Beweis gestellt. Die Klangqualität der Aufnahme ist außergewöhnlich: Jeder Ton, jede Nuance wird klar und brillant eingefangen, ohne dass die musikalische Gesamtwirkung darunter leidet. Die dynamische Bandbreite reicht von zarten, fast hauchdünnen Momenten bis hin zu den donnernden Fortissimi, die „O Fortuna“ so unwiderstehlich machen.
Paavo Järvi und das Tonhalle-Orchester Zürich präsentieren mit ihrer „Carmina Burana“ eine Aufnahme, die sowohl musikalisch als auch klangtechnisch neue Maßstäbe setzt. Das Ensemble begeistert durch präzises Zusammenspiel, herausragende Solisten und einen Chor, der durch Ausdruck und Klangfülle überzeugt. Diese Einspielung für Alpha-Classics gehört zweifellos zu den besonders gelungenen Aufnahmen des Werks.
Dirk Schauß, im Januar 2025
Carl Orff
Carmina Burana
Paavo Järvi, musikalische Leitung
ALPHA1031