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CD CARL MARIA VON WEBER: DER FREISCHÜTZ – MAREK JANOWSKI; PENTATONE

30.12.2019 | cd

CD CARL MARIA VON WEBER: DER FREISCHÜTZ – MAREK JANOWSKI; PENTATONE

Im Katalog finden sich wunderbare Aufnahmen von Webers Freischütz, ich denke da etwa an diejenigen dirigiert von Keilberth, Kleiber (Vater und Sohn) oder Harnoncourt. Aber auch Marek Janowksi hat 1994 schon eine Einspielung mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin und Sharon Sweet, Peter Seiffert, Ruth Ziesak und Kurt Rydl in den Hauptrollen vorgelegt.

Im November 2018 hat sich Marek Janowski noch einmal das frühromantische Schauerstück vorgenommen. Diesmal mit dem hr-Sinfonieorchesters Frankfurt, dem MDR Radiochor Leipzig und dem Kleeblatt Andreas Schager, Lise Davidsen, Alan Held und Sofia Fomina als Max, Agathe, Kaspar und Ännchen.

Die Neuproduktion unterscheidet sich von allen anderen vor allem dadurch, dass auf gesprochene Dialoge verzichtet wurde. Diese sind durch von Schauspielern gesprochene Texte ersetzt, die Katharina Wagner und Daniel Weber verfasst haben. Die einzelnen Nummern werden nun durch knappe erläuternde Passagen verbunden, die vom Eremiten (Peter Simonitschek) und Samiel (genial bissig bis röchelnd Corinna Kirchhoff in der Wolfsschluchtszene) erzählt werden. Nach dem Willen der Erfinder soll es „diese Zusammenstellung von Musik und gesprochenem Wort dem modernen Hörer erleichtern, die unvergängliche Frische und Kraft dieser außergewöhnlichen Oper uneingeschränkt zu erleben.“

In Wirklichkeit wird dem „Freischütz“ durch diese Wahl trotz der Meriten der engagierten Mimen viel an dramatischer Unmittelbarkeit und urig „Volksopernhaftem“ genommen. Vielmehr oratorienhaft und statisch wirkt daher dieser Probeschuss Janowskis. Kein Zweifel besteht daran, dass Marek Janowski ein wunderbares Händchen für das deutsch-romantische Repertoire und die atmosphärisch unnachahmlichen Naturbeschwörungen der komplex instrumentierten Partitur hat, weshalb die Leistungen von Orchester und Chor grosso modo als erfreulich gelten dürfen. Auch lädt Janowski die beiden Ideenwelten, die satanisch-gespenstische und die fromm-treu-hoffnungsgeladene mit klaren Klangvorstellungen auf. Insgesamt wird in dieser Aufnahme im Vergleich zur ersten ein sachlicherer, wenig schwelgerischer, dafür unerbittlicherer Ton angeschlagen, die bukolischen Tableaus riechen schwerkraftmäßig nach Schwarzpulver.

Von der Sängerqualität her hat die neue Aufnahmen vor allem bei der Besetzung der beiden Frauenrollen die Nase vorne.

Lise Davidsen gestaltet ihre Agathe nicht mädchenhaft verhalten, sondern fraulich wissend und versetzt der Partie einen gehörigen Schuss Heroik. Ihr dunkler dramatischer Sopran wirkt hier natürlicher und runder eingefangen als bei der im Mai erschienenen Solo-CD. Die beiden Arien sitzen prächtig, das Legato verwöhnt das Ohr mit Höhenglanz und fülliger Mittellage. Es gab Stimmen, die behaupten, Davidsen wäre über diese Rolle schon hinausgewachsen. Ich finde es hingegen gerade erfreulich, dass eine heikle jugendlich-dramatische Rolle wie diejenige der Agathe von einer Sopranistin mit Potential, sprich einem stimmlichen Naturereignis wie demjenigen der Lise Davidsen, interpretiert wird. Ich erinnere mich dabei an eine Aufführung des Tannhäuser an der Pariser Oper 2011 mit Nina Stemme als Elisabeth, wo eine ähnliche „Überbesetzungs“-Erfahrung nicht minder beglückend war.

Sofia Fomina ist ein nachdenklich bis unbeschwertes Ännchen. Ihr silbrig schimmernder, beweglicher lyrischer Sopran hat nichts von einer leichten Soubrette. Fomina verleiht vor allem dem Lebensklugen, dem starken Charakter und der treuen Hingabe der Figur stimmlich markante Kontur. Außerdem harmonieren beide Sopranistinnen von den Timbres her sehr gut miteinander.

Andreas Schager, der Wagner-Held mit stählernen Stimmbändern vom Dienst, war entweder in keiner stimmlich herausragenden Verfassung oder aber sein vor allem nach wie vor höhensicherer Tenor zeigt vom vielen hochdramatischen Repertoire schon die ersten Abnützungserscheinungen. Es fehlt an Tiefe und in der Mittellage macht sich ein Wobbeln bemerkbar. Natürlich hat er die Dramatik der Partie im kleinen Finger, wobei der Überdruck in den lyrischeren Passagen wirklich nicht nötig wäre.

Alan Held verfügt als Kaspar über die nötige dunkle Dämonie, allerdings vermindert ein nicht immer beherrschtes Vibrato die Ausdrucksdichte der Rolle. Die übrigen Männerrollen sind mit Markus Eiche (Ottokar), Christoph Filler (Kilian), Andreas Bauer (Kuno) und Franz-Josef Selig (Eremit – vokaler Teil) gut bis gediegen besetzt.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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