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CD „CANTILENA“ – TABEA ZIMMERMANN und JAVIER PERIANES spielen Musik von PIAZZOLLA, DE FALLA, CASALS, GRANADOS, VILLA-LOBOS und ALBÉNIZ; harmonia mundi  

22.06.2020 | cd

CD „CANTILENA“ – TABEA ZIMMERMANN und JAVIER PERIANES spielen Musik von PIAZZOLLA, DE FALLA, CASALS, GRANADOS, VILLA-LOBOS und ALBÉNIZ; harmonia mundi

 

Reisen nach Spanien und Südamerika waren schon einmal lustvoller und bequemer anzutreten als jetzt. Wer seine Erinnerungen an das Land der Tangos, an Latino-Jazz oder bekannte Melodien aus Brasilien und Kuba auffrischen möchte bzw. sich Träumereien über exotische musikalische Leidenschaften hingeben will, dem sei diese CD empfohlen. 

 

Die deutsche Bratschistin Tabea Zimmermann und ihr spanischer Pianist Javier Perianes begeben sich mit dem Album „Cantilena“ auf die Spur von Gesängen aus Spanien bis Argentinien. Die Bratsche ersetzt in gefühlvoll arrangierten Transkriptionen die menschliche Stimme, besser gesagt sie ist hier die vox humana. Mit voluminösem Ton, sanglich und mitteilsam lässt Tabea Zimmermann die Saiten ihres neuen Instruments von Patrick Robin schwingen, zupfen und vor Sehnsucht jauchzen. 

 

Der avantgardistisch-nostalgische „Grand Tango“ von Astor Piazzolla, 1982 für den Cellisten Rostropovich geschrieben, und der nicht ganz hundert Jahre zuvor entstandene „Tango“ von Isaac Albéniz setzen die Klammer der CD. Albéniz ließ sich mehr von der kubanischen Habanera inspirieren als von den Balztänzen aus den Vorstädten von Buenos Aires. Auch Xavier Montsalvage verarbeitet in seinem Liedzyklus „Cinco canciones negras“ kubanische Einflüsse wie die Habanera, Rumba oder die Guajira und mischt einen lutherischen Choral mit Spiritualrhythmen. Die „Sieben populären Lieder“ von Manuel de Falla sind vielen Freunden lateinischer Vokalmusik durch die grandiosen Interpretationen von Monserrat Caballé oder Teresa Berganza ein Begriff. Ich habe beide Sängerinnen live mit diesem Maßstäbe setzenden Zyklus erleben dürfen. Die Bearbeitung für Viola und Klavier von Emilio Mateu und Miguel Zanetti lässt alle Vorzüge dieser von Volksliedern aus Andalusien, Murzia, Aragon und Asturien inspirierten, in harmonisch vor allem für das Klavier elaborierten Kunstmusik herzergreifend zur Geltung kommen. 

 

In der für den Titel des Albums ursprünglichen „Ária“ (Cantilena) von Heitor Villa-Lobos aus den ,Baccianas Brasileiras‘ lässt Tabea Zimmermann ihre Viola so schillernd glühend leuchten wie Anna Moffo sie einst gesungen hat. Ruhiger geht es den vier neoromantischen Chansons von Pablo Casals zu, die Tabea Zimmermann selbst arrangiert hat.

 

Vier Stücke aus den „Tonadillas en estilo antiguo“ von Enrique Granados entführen den Hörer in die Welt des Theaters. Als Tonadilla wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein kurzes musikalisches Intermezzo, eine ins Ohr gehende Zwischenaktmusik für Komödien bezeichnet. Granados lässt sich vom Esprit der Majas und Majos Goyas tragen. Die eitlen Pikanterien, die augenzwinkernde Ironie, die amourösen Zwielichtigkeiten und melancholischen Kontrapunkte der Musik werden von Tabea Zimmermann und Javier Perianes intensiv ausgekostet.

 

Sich von den Klängen der Viola und des Klaviers tragen lassen wie in einem sanft wiegenden oder auch durch Stromschnellen gebeutelten Kanu des Lebens, weit weg vom Alltag, all das darf mit dieser CD als ein einfaches und zugleich aufregend sinnliches Abenteuer gelten.  

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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