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CD-Buch: CHARLES GOUNOD: LE TRIBUT DE ZAMORA – die 18. Opern-Ausgrabung des „Centre de musique romantique française“, Palazetto Bru Zane in Venedig

02.09.2018 | cd

CD-Buch: CHARLES GOUNOD: LE TRIBUT DE ZAMORA – die 18. Opern-Ausgrabung des „Centre de musique romantique française“, Palazetto Bru Zane in Venedig

 

Wenn kulturbeflissenen Mäzene auf melomane „Archeologen“, sogenannte Musikologen treffen, so kommt im besten Fall das zustande, was Fans der französischen Oper wohl als Wunder von ‚Casino Zane‘ betiteln können. Vom 1695 erbauten barocken Vergnügungspalais zum magischen Ort der Klänge im 21. Jahrhundert sollte es jedoch ein weiter Weg sein. Der hat sich indes auf alle Fälle gelohnt: Seit der Gründung 2008 steht die Stiftung „Palazzetto Bru Zane – Zentrum für französische Musik der Romantik“ für nachhaltige Ausgrabungen aus dem französisch romantischen Opernschaffen vor allem des 19. Jahrhunderts. 3000 bislang vergessene bzw. vernachlässigte  Werke (darunter auch Instrumentalmusik) sollen so wieder dem Repertoire zugeführt werden. Daher müssen die in ihrer Auflage limitierten CD-Aufnahmen unter bestmöglichen Bedingungen aufgenommen und künstlerisch ausgefeilt sein. Zum besseren Verständnis der Werke werden graphisch edle zweisprachige Bücher (leider nur englisch und französisch) zusammen mit den CDs herausgegeben.

 

Die französische Musikgeschichte wird von der Stiftung gewissenhaft erforscht. Es gibt einen eigenen Internet-Radiokanal und jede Menge an engagierten Leuten, die solche von der Musikgeschichte zerriebenen oder bis dato unveröffentlichte Partituren in unmittelbarem Kontakt zu den Nachfahren der Komponisten des 19. Jahrhunderts (genauer gesagt von 1780 bis 1920) studieren, analysieren und digitalisieren. Auch pädagogische Projekte werden gefördert, mit namhaften Dirigenten und Sängern, aber auch ebenso vielen jungen Talenten Konzerte organisiert. In Venedig finden sie sowohl im hauseigenen kleinen Kammermusiksaal als auch in der Scuola Grande San Giovanni Evangelista statt.

 

 

Aber es kommen auch andere Aufführungsorte zum Zug. Zum 200. Geburtstag Gounods wurde dessen zwölfte und letzte Oper „Le Tribut de Zamora“ in zwei Konzerten vom Jänner 2018 im Prinzregententheater München mitgeschnitten. Am 1. April 1881 wurde Zamora unter der Leitung des Komponisten in der Pariser Opéra uraufgeführt. Nach nur 47 Aufführungen in zwei Jahren verschwand ‚Le Tribut de Zamora‘ wieder in der Versenkung. Gounod hat danach keine Oper, sondern nur noch geistliche Musik geschrieben.

 

Die Oper des Komponisten von „Faust und „Romeo et Juliette“ spielt im christlich-maurischen Mittelalter in Spanien des 9. Jahrhunderts. Eine fast filmisch konzipierte Handlung, für heutige Geister ziemlich abstrus und dem Beispiel so mancher  Grand Operá folgend primär auf äußeren Effekt bedacht, hat den Clash der Kulturen zum Hintergrund: Die spanischen Christen müssen den „Tribut von Zamora“ in Form von einhundert Jungfrauen entrichten, weil sie in der Schlacht um Zamora von den Truppen des Kalifen von Córdoba besiegt wurden. 20 Jahre später: Die junge christliche Xaïma wird als „Tribut“ nach Córdoba gebracht und soll dem muslimischen Herrscher Ben-Saïd werden. Folgerichtig soll sie auf ihre Heirat mit dem Spanier Manoël verzichten, weil auch Ben-Saïd die Schöne begehrt. Der Tenorheld Manoël hat aber den Bruder des Mauren einst auf dem Schlachtfeld gerettet, was für weitere Komplikationen sorgt. Dann gibt es dann noch die wahnsinnige Hermosa, die sich schließlich als Xaïmas Mutter entpuppt und final Ben-Saïd tötet. Sie will ihre Tochter schützen und die Schande rächen, weil einst ihre Heimatstadt Zamora niedergemetzelt wurde. Wir haben es also mit einer wilden Dreiecksgeschichte zu tun, mit der verglichen „Il Trovatore“ noch logisch und verständlich scheint.

 

Aber die Musik der Oper in vier Bildern ist keinen Jota schlechter als diejenige der berühmteren Opern von Gounod, voller melodiöser Erfindungskraft, Charme, und romantischem Klangzauber. Besonders die Chöre sind von erlesener Qualität. Die Hauptpartien sind in ihrer technischen Schwierigkeit und von der Tessitura her nicht minder anspruchsvoll wie viele Rollen in den heute als ,unsingbar‘ geltenden, freilich 50 Jahre vorher geschriebenen Meyerbeer-Stücken. Das interpretatorische Problem ist, dass die Protagonisten über dramatische Kraft, Geschmeidigkeit, eine hohe Flexibilität als auch über ein exzellentes Französisch verfügen müssen. Die Besetzung mit Jennifer Holloway (Hermosa), Judith van Wanroij (Xaima), Edgaras Moatvidas (Manoel), Tassis Christoyannis (Ben-Said) und Boris Pinkhasovich (Hadjar) erfüllt ihre Aufgabe gediegen und zur Freude des Hörers mit großem stimmlich-emotionalem Einsatz. Das sangliche Niveau ist gute vokale Mittelklasse, Ausreisser nach unten oder oben sind nicht zu verzeichnen. Mit den Spitzenleistungen von Orchester und Chor und dem großartigen Dirigat ist eine insgesamt sehr empfehlenswerte Aufnahme entstanden.

 

2 CDs, 175 Seiten Buch mit Essays von Gérard Condé, Gunther Braam, Rémy Campos und Pierre Sérié

 

Weitere sehr empfehlenswerte Titel der Serie:

 

Fromental Halévy: La Reine de Chypre mit Véronique Gens, Cyrille Dubois, Étienne Dupuis, Éric Huchet, Christophoris Stamboglis und Tomislav Lavoie. Es spielt das Orchestre de Chambre de Paris, es singt der Flemish Radio Choir, wiederum unter der Leitung von Hervé Niquet.

 

Benjamin Godard: Dante mit Edgaras Montvidas, Véronique Gens, Jean-Francois Lapointe, Rachel Frenkel, Andrew Foster-Williams, Diana Axentii, Andrew Lepri Meyer. Es spielt das Münchner Rundfunkorchester, es singt der Chor des Bayerischen Rundfunks unter der musikalischen Leitung von Ulf Schirmer.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

 

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