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CD-Buch CÉSAR FRANCK: HULDA – Zusammenschnitt von Aufnahmen aus der belgischen Namur Concert Hall und der Salle Philharmonique de Liège vom Mai 2022; Bru Zane

22.06.2023 | cd

CD-Buch CÉSAR FRANCK: HULDA – Zusammenschnitt von Aufnahmen aus der belgischen Namur Concert Hall und der Salle Philharmonique de Liège vom Mai 2022; Bru Zane

Oper in vier Akten nach einem blutrünstigen mittelalterlichen Sujet des norwegischen Dichters Bjørnstjerne Martinius Bjørnson

Veröffentlichung: 7.7.2023

hulda

Man könnte wetten, ob der Name Hulda nicht eher mit der isländischen Kommissarin Hulda Hermannsdóttir aus der Thriller-Trilogie von Ragnar Jónasson als mit einer der beiden späten Opern von César Franck in Verbindung gebracht wird. César Franck, wohl auch von übereifrigen Schülern und puristischen künstlerischen Nachlassverwaltern auf einen Komponisten limitiert, der seine ureigene Welt und musikalische Bestimmung ausschließlich in symphonischer und Kammermusik gefunden haben soll, hatte es zugegebenermaßen mit seiner großen Oper „Hulda“ nicht leicht. Von der Opéra de Paris und der Opéra Comique gleichermaßen abgelehnt, fand die Uraufführung der zwischen 1879 und 1885 entstandenen Oper postum im März 1894 in Monte Carlo statt. Die Sparversion mit heftigen Schnitten und minimalistischem Bühnenaufwand begeisterte kaum. Nach wenigen (partiellen) Wiederbelebungsversuchen bis 1922, dem 100. Geburtstag von César Franck, war es das Theater Freiburg im Breisgau, das in der Saison 2018/2019 Francks „Hulda“ mit Erfolg programmierte. Beim Label NAXOS ist eine parallel entstandene Studioaufnahme aus dem Freiburger Konzerthaus in Koproduktion mit dem Südwestrundfunk 2020 auf 3 CDs erschienen.

Zum 200. Geburtstag César Francks 2022 hat das Centre de Musique romantique française Palazzetto Bru Zane eine noch vollständigere Version konzertant u.a. in Namur und Liège, dem Geburtsort César Francks, aufgeführt und den Live-Mitschnitt garniert mit einem höchst informativen Buch in einer limitierten Serie herausgebracht. Tipp: Anlässlich dieses Jubiläums des Komponisten hat die Stadt Liège César Franck eine Ausstellung mit einem speziellen César-Franck-Raum im Grand Curtius gewidmet, die in Zusammenarbeit mit dem Orchestre Philharmonique Royal de Liège organisiert wurde und noch bis Jahresende 2023 läuft

Chefmusikhistoriker Alexandre Dratwicki spricht im Vorwort des CD-Buches von einer der wichtigsten Wiederentdeckungen der umtriebigen Fondation Bru seit ihrer Gründung im Jahr 2009. Womit er recht haben dürfte, denn die kleinteilige Mischung aus Wagners Chromatik, furiosen Modulationen und Meyerbeers triumphalem Grand Opéra Gestus dürfte in der Musikgeschichte einmalig sein. Bleibt die Frage, ob diese wilde Geschichte im Norwegen des 14. Jahrhunderts mit Haudrauf-Stammesfehden, Männerschlachtereien, Frauenentführung, Zwangsheirat und vielfach tödlichem Rachefeldzug der Hulda (da ist Elektra nichts dagegen) für die Bühne taugt oder nicht? Ich meine, diese musikalisch so vielseitige Oper ist im Konzertsaal besser aufgehoben. Da kann der Kenner akademischen Assoziationsrätseln nachgehen oder aber sich von der kurzweiligen Abfolge von Préludes, Arien, Chansons, ariosen Szenen, Chören, in der Mehrzahl geschickt gestrickten Ensembles oder dem Riesen Ballet allégorique (mit den fünf Szenen „Kampf des Winters mit dem Frühling“, „Tanz des Winters“, „Tanz der Elfen“, „Tanz des Chors der Undinen“, „Rondo générale“) erfreuen. Denn dramaturgisch ist das Werk nicht das Gelbe vom Ei. Das Rachemotiv der Hulda teilt sich nämlich in ein politisch persönliches den von den Aslaks erschlagenen männlichen Familienteil betreffend und in ein eifersuchtsrasendes infolge der Rückkehr ihres Geliebten, des Adeligen Eiolf, zu Swanhilde. Vier Akte und einen Epilog lang dauert das Ganze, obwohl im sogenannten Epilog der entscheidende tödliche Racheschlag Huldas gegen den untreuen Eiolf gelingt und sich Hulda Senta gleich selbstmörderisch in die Wellen stürzt.

Gesungen werden die weiblichen Rollen (Jennifer Holloway als Hulda, Véronique Gens als Gudrun, Judith van Wanroij als Swanhilde, Marie Gautro als Mutter Huldas, Ludivine Gombert als Thördis) psychologisch im Rahmen des Möglichen glaubhaft und (hoch)dramatisch überzeugend, die Männerriege bewegt sich innerhalb der Zuschreibung ‚gepflegte sängerische Korrektheit‘ (Edgaras Montvidas als Eiolf, Matthieu Lécroart als Gudleik, Christian Helmer als Aslak, Artavazd Sargsyan als Eyric, Francois Rougier als Gunnar, Sébastien Droy als Eynar, Guilhem Woerms als Thrond und Matthieu Toulouse als Arne)

Dafür können über das farbenprächtige, romantisch-sehnende und drängend-aufgeputschte Spiel des Orchestre Philharmonique Royal de Liège unter der musikalischen Leitung von Gergely Madaras nur Lobeshymnen erschallen. Der Choeur de Chambre de Mamur agiert in den über zehn Auftritten in Bezug auf Homogenität der Stimmgruppen, Transparenz des Klangs und Textverständlichkeit nichts weniger als spektakulär.

Prädikat: Sehr hörenswert!

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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