Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

CD-Buch ANDRÉ MESSAGER „PASSIONÉMENT“ – live Mitschnitt aus dem Prinzregententheater München vom Dezember 2020; Edition Palazzetto Bru Zane

05.06.2021 | cd

CD-Buch ANDRÉ MESSAGER „PASSIONÉMENT“ – live Mitschnitt aus dem Prinzregententheater München vom Dezember 2020; Edition Palazzetto Bru Zane

 

Luxuriös besetzte, federleichte französische Comédie musicale 

9788409291038

 

Eigentlich wäre im Dezember 2020 die Oper „Déjanire“ von Camille Saint-Saëns auf dem Spiel- und Aufnahmeplan von Bru Zane gestanden. Natürlich mit dem Münchner Rundfunkorchester unter der musikalischen  Leitung von Stefan Blunier, das in institutioneller Kooperation schon oftmaliger Partner der Stiftung Palazzetto Bru Zane war. Die Stiftung hat es sich zur noblen Aufgabe gemacht, der französischen Musik des großen 19. Jahrhunderts (1780-1920) wieder jenen Glanz zurückzugeben, den sie einst hatte.  

 

Die Umstände rund um die Pandemie haben anders entschieden. Auf einmal galt es, statt einer aufwändigen romantischen Oper mit großem Chor rasch ein Stück zu finden, das mit all den nicht gerade kunstfreundlichen Auflagen (Abstand, Schutzpanele, weniger als 90 Minuten Musik, kaum Ensembles) zu realisieren war. Statt also Camille Saint-Saëns zur 100. Wiederkehr seines Todestages am 16.12.2021 mit einer aufregenden Neuerscheinung gebührend feiern zu können, kommt nun der letzte Star der französischen Operette, André Messager, zu hochkarätigen CD-Ehren. Seine 1926 aus der Taufe gehobene Operette „Passionément“ auf ein Libretto von Maurice Hennequin und Albert Willemetz bildet das Vehikel für ein französisches Staraufgebot sondergleichen. 

 

Die wohl edelst timbrierte und eleganteste französische Diva seit den Tagen einer Regine Crespin, die schon in etlichen Opern der Edition Bru Zane besetzte Véronique Gens ist die Hauptfigur und Drahtzieherin Ketty Stevenson in dieser Liebeskomödie rund um den geldgierigen und puritanischen reichen amerikanischen Grund- und Jachtbesitzer William Stevenson (mit dem lyrischen Tenor Éric Huchet charaktervoll besetzt). Mit seinem Luxusschiff „Arabella“ landet er an der Küste der Normandie, um vom Lebemann Robert Perceval (hinreißend macho-charmierend Étienne Dupuis) ein Stück Land in Colorado zu kaufen. Der hatte den Grund geerbt, ohne zu wissen, dass sich ausgiebige Ölvorräte unter der Erde befinden. Natürlich treffen der fesche Perceval und die emotional im Trockendock befindliche Dame des Hauses Stevenson – Verkleidung hin oder her – aufeinander. Coup de foudre: Es funkt, dass es nur so kracht….. Als weiteres Personal im um eine generelle Liebesneuorientierung samt leichtfüßigen Verstrickungen bemühten, auf alle Fälle zu neuen Glücksufern aufbrechenden Ensemble fungiert die Kammerzofe Julia (die in jeder Hinsicht luxuriöse  Nicole Car), die sich am Schluss der mit einigen Gläsern französischen Weins vom strengen Prohibitionisten zum Genießer geläuterte amerikanische Millionär William selber unter den Nagel reißt. Außerdem ist da noch die final abgelegte, verheiratete Geliebte des Robert, Hélène Le Barrois (mit ihrem cremigen lyrischen Sopran verführerische Chantal Santon Jeffery) sowie der argentinische Bariton Armando Noguera als Lover a.D. Kapitän Harris. Das Happy End ist vorprogrammiert: Robert bekommt seine schöne Ketty, und für das Grundstück den reellen Preis. 

 

Die Musik Messagers als unbeschwertes Kind der Belle Epoche pendelt in unendlicher, beinahe unerträglicher Leichtigkeit des Seins zwischen spätromantischen Farben (Hören Sie das wunderbare Vorspiel zum dritten Akt) und sanft in der Dünung flatternden Melodien, Walzerschwips sowie stimmungsvollen Couplets, verspielt und ironisch-verwegen, als grüßte Jacques Offenbach aus der Ferne. Kleine Duette, ein melancholisch angehauchtes Terzett, eine Ensembleszene und drei die jeweiligen Akte beschließenden Finalszenen runden diese sommerlich dahinsegelnde Comédie musicale ab. Dass die Frauen in diesem Stück das Sagen und die Oberhand haben, ist der Modernität des Librettos zuzuschreiben. Der einzige männliche Schwerenöter William Stevenson braucht nur etwas Wein, um sein Leben in großzügigster Freiheit über den Haufen zu schmeißen. So einfach und unbeschwert kann das Leben sein, wenn Franzosen am Werk sind. 

 

Es darf wohl als Glücksfall der Plattengeschichte bezeichnet werden, dass diese anmutige Petitesse der Musikgeschichte durch die erstklassige musikalische Umsetzung stolz geadelt wird. Auch wenn das Parfum der Musik nicht lange haften bleibt, so reizt es doch im flüchtigen Streifen der Ohren alle Sinne. Jetzt dürfen jedoch ruhig wieder schwerere Kaliber an den Start. 

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

Diese Seite drucken