CD: Bridges of Voice and Soul Arsen Soghomonyan, Tenor Kaunas City Symphony Orchestra Constantine Orbelian, musikalische Leitung Delos, DE3614
Arsen Soghomonyan verführt mit Kraft und Zwischentönen
Tenöre und ihre Debütalben – das ist fast ein eigenes Genre innerhalb der Klassikindustrie. Da wird gerne mal alles aufgefahren, was die Stimme hergibt: Glanz, Pathos, große Gefühle und natürlich das obligate hohe C. Am Ende soll das Ganze wie eine Visitenkarte klingen, die gleichzeitig Lebenslauf, Bewerbungsschreiben und Autogramm ist. Arsen Soghomonyan, der armenische Tenor mit der auffälligen Karrierekurve, geht diesen Weg auf seiner ersten Solo-CD „Bridges of Voice and Soul“ zwar auch, aber er macht es mit einer gewissen Noblesse. Kein Überladen, kein protziges „Seht her, was ich alles kann!“, sondern eine Auswahl, die klug den Kern seines Fachs umreißt: italienische Arien von Puccini, Verdi, Leoncavallo und Cilea.
Dass Soghomonyan ursprünglich als Bariton begann und erst 2017 zum Tenor wechselte, ist kein Detail für die Fußnote, sondern der Schlüssel zum Verständnis seiner Stimme. Die Mittellage hat Substanz, sie trägt, sie ruht in sich selbst – nicht das flatterhafte Tenorino-Material, das so oft in schöne Höhen strebt und unterwegs verdunstet. Wenn Soghomonyan nach oben geht, dann von einem festen Fundament aus, und deshalb klingt auch sein „Nessun dorma“ nicht nach süßem Schmelz allein, sondern nach einer heldischen Verheißung. Da wird nicht gebettelt, da wird eine klare Ansage gemacht: „Keiner soll schlafen.“
Besonders stark gerät ihm Cavaradossi: „E lucevan le stelle“ hat alles, was diese Arie braucht – Melancholie, eine Spur Verzweiflung, aber auch den warmen Kern eines Mannes, der sein Leben im nächsten Moment für verloren hält. Ciléas Lamento wiederum rührt an, gerade weil Soghomonyan hier die große Geste meidet und in den Zwischentönen malt. Es ist jener Moment der Aufnahme, in dem man vergisst, dass man eine CD hört, und meint, einem echten Bühnenabend beizuwohnen.
Wo Licht ist, gibt es auch Schatten. In Verdis „Niun mi tema“ schleicht sich eine Intonationsunsicherheit ein, die man bei einem Debüt gern verzeiht, die aber zeigt: Hier ist ein Sänger, der sich noch entwickelt, der noch nicht auf jedem Terrain absolute Souveränität besitzt. In „Vesti la giubba“ von Leoncavallo wirkt er fast zu brav, als wollte er dem Vorwurf vorbeugen, er wolle allzu sehr glänzen. Ein Rest Risiko hätte hier gutgetan – denn Canio lebt nun einmal vom Zuviel, nicht vom Zuwenig.
Das Kaunas City Symphony Orchestra unter Constantine Orbelian begleitet mit Disziplin und Aufmerksamkeit, doch fehlt es hier an Funkenflug. Orbelian ist ein Dirigent, der alles ordentlich an seinen Platz stellt – und genau das ist das Problem. Die großen italienischen Arien vertragen keine Ordnung, sie brauchen Glut, Raserei, den Augenblick, in dem etwas fast auseinanderzufallen droht. Hier bleibt vieles im gepflegten Rahmen, was schade ist. Immerhin: die Aufnahmetechnik ist vorbildlich. Weiträumig, klar, natürlich – der Klang lässt Soghomonyans Stimme im Zentrum leuchten, ohne das Orchester zu verschlucken.
Einziger Wermutstropfen: Nach 44 Minuten ist Schluss. Gerade als man denkt, jetzt könnte die Stimme noch mehr zeigen, fällt der Vorhang. Und ausgerechnet Hermann aus Tschaikowskys „Pique Dame“, jene Partie, mit der Soghomonyan jüngst an der Met Furore machte, fehlt gänzlich. Vielleicht hebt er sich dieses Juwel für die nächste Einspielung auf, vielleicht wollte er sich mit den italienischen Arien erst einmal ein Fundament sichern.
Vergleicht man ihn mit den ganz großen Altmeistern – Corelli, del Monaco oder Bonisolli – dann wird klar: Soghomonyan ist nicht einfach der nächste in der Reihe, sondern ein Sänger mit eigenem Profil. Noch fehlt ihm die Nonchalance, das riskante Spiel mit der Form, das erst nach vielen Bühnenjahren kommt. Aber seine Stimme ist ein Ereignis, und seine Art, jeder Arie eine eigene Gestalt zu geben, hebt ihn wohltuend von der Retorten-Glätte so vieler heutiger Tenöre ab.
So bleibt unterm Strich ein Debüt, das nicht alles erfüllt, was man sich wünschen könnte, aber viel verspricht. Es ist wie ein erster Akt, der neugierig macht auf den zweiten. Man ahnt: Von diesem Sänger wird noch zu hören sein – und hoffentlich bald in Aufnahmen, die länger dauern als ein Opernkonzert ohne Pause.
Dirk Schauß, im September 2025
Bridges of Voice and Soul
Arsen Soghomonyan, Tenor
Kaunas City Symphony Orchestra
Constantine Orbelian, musikalische Leitung
Delos, DE3614