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CD „BRIDGES“ – JURI VALLENTIN stellt Werke für Oboe von Silvestrini, Pez, Schumann, Hosokawa, Haas, Couperin und Erkoreka vor – GENUIN

19.11.2018 | cd

CD „BRIDGES“ – JURI VALLENTIN stellt Werke für Oboe von Silvestrini, Pez, Schumann, Hosokawa, Haas, Couperin und Erkoreka vor – GENUIN

 

Beim Deutschen Musikwettbewerb 2017 im Gewandhaus zu Leipzig räumte Juri Vallentin den Hauptpreis und den Publikumspreis zugleich ab. Auf seiner programmatisch Brücken schlagenden CD will der junge, überaus begabte Solo-Oboist des Niedersächsischen Staatsorchesters Hannover vor allem den Spannungsbogen zwischen zeitgenössischem Musikschaffen und Musik aus vier Jahrhunderten ausreizen.

 

Wer die Oboe für ihren ausbalancierten, melancholisch sehnsuchtsvollen Klang liebt – wunderbar intensiv etwa von Richard Wagner in „Tristan und Isolde‘ eingesetzt –  kann das auch auf dieser CD zuvörderst bei den frühromantischen drei Romanzen Op. 94 für Oboe und Klavier von Robert Schumann genießen. Sollte jemand die gesamte klangliche Bandbreite des Instruments erfassen wollen, muss er/sie sich nur das einleitende ‚Alii mundi‘  aus den „Six Etudes Pittoresques“ für Oboe Solo von Gilles Silvestrini anhören. Vallentin entlockt hier seinem Instrument aufgrund alternativer Spieltechniken exotische Farben und die Grenzen der Sanglichkeit auslotende akustische Traumpfade. Der Solist durchpflügt das reiche Charakterspektrum der Oboe von einschmeichelnd bis nasal, herb rauchig bis zu durchdringend hellen Obertönen. Im 2015 geschriebenen „Spell Song“ von Toshio Hosokawa, ebenfalls für Oboe solo verfasst, wird traditionelle japanische Musik ins Heute transponiert, einen großen Bogen nach Europa spannend. Das umfangreiche zeitgenössische Solo-Stück „Duduk I-b“ des Gabriel Erkoreka stellt die Duduk, eine armenische Kurzoboe, in den Mittelpunkt einer Klangvision, die die emotionale politische Zerrissenheit des armenischen Volkes zum Ausdruck bringen soll.

 

Für Freunde verschnörkelt barocken Virtuosentums wartet Vallentin sogar mit einer Weltersteinspielung auf. Die ‚Symphonia  für Oboe und basso continuo (Cembalo, Fagott)‘ von Johann Christoph Pez dürfte historisch als ältestes, explizit ausgezeichnetes Solo der Oboe durchgehen. Das Stuttgarter Manuskript verweist stilistisch tief ins 17. Jahrhundert, also ein Unikat, die Blütezeit der Oboe ist erst wesentlich später auszumachen. François Couperin wiederum mag als Musterbeispiel der Verschmelzung italienischer und französischer Stilelemente gelten. Vallentin sorgt hier gemeinsam mit Cembalo und Viola da Gamba für ein Feuerwerk an tänzerisch höfischer Eleganz aus dem siebten „Concert Royal“.

 

Vielleicht ist das dem Solisten symbolischste Anliegen des Albums die Suita Op. 17 von Pavel Haas. 1939 nach der Besetzung der Tschechoslowakei durch die Nationalsozialisten skizziert, diente das kammermusikalische Werk 1944 als Vorlage für die letzten Lieder des Komponisten, die 1944 in Theresienstadt entstanden. Vallentin sieht hier exemplarisch, wie Musik mit aktuellem Zeitgeschehen verbunden ist. Der Spannungsbogen zwischen Bekanntem und Fremden, zwischen Heimkehr und Heimatverlust, zwischen Aufbruch und Sehnsucht steht auch heute im Zentrum gesellschaftlicher und politischer Diskussionen und prägt Grundfragen des Menschseins.

 

Juri Vallentin hat sich für seine überaus persönliche Zeitreise sehr gute Mitstreiter ausgesucht: Philipp Heiß Klavier, Elina Albach Cembalo, Theo Plath Fagott und Patrick Sepec Viola da Gamba werfen sich musikalisch mit Hingabe in die historischen Gewänder, dennoch stets mit ganzer Seele und intimsten Ausdruck im Hier und Jetzt fest verankert.

 

Sollten Sie mehr Interesse am Zustandekommen des Programms, an wichtigen Konnotionen, kleinen Geschichten und überraschenden Details haben, so darf auf den Blog des Künstlers https://www.jurivallentin.de/blog/ verwiesen werden. Hier schreibt Juri Vallentin über den Hintergrund der aufgeführten Werke, seine persönliche Sicht auf die Musik bis hin zur Zusammenarbeit mit den drei Komponisten der Gegenwart.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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