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CD-Box „COMPOSITRICES – New Light on French Romantic Women Composers“; Palazetto Bru Zane

19.03.2023 | cd

CD-Box „COMPOSITRICES – New Light on French Romantic Women Composers“; Palazetto Bru Zane

Werke von insgesamt 21 französischen Komponistinnen von 1800 bis 1920: Ein Füllhorn kaum bekannter Musik zu entdecken – Orchesterwerke, Kammermusik, Lieder, Klavierstücke

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Immer mehr rücken großartige musikalische Schöpfungen von Komponistinnen – hier des 19. Jahrhunderts aus Frankreich – in den Fokus der Aufmerksamkeit. Nicht zuletzt dank der Aufführung von Werken etwa von Louise Farrenc, langjähriger Professorin für Klavier am Pariser Konservatorium, von deren Schaffen in den Gattungen Symphonien, Kammermusik, und Klavier solo überdies eine höchst beachtenswerte Diskographie vorliegt. Auch Kompositionen von Lili und Nadia Boulanger, Cécile Chaminade oder Pauline Viardot-Garcia sind nicht nur Plattenfreaks längst ein Begriff. Mit zunehmender Veröffentlichung ihrer Musik dringt ihre Bedeutung und ihr fester Platz für die Entwicklung der romantischen Musik auch ins Bewusstsein der Kunstwelt, wenngleich Frauen nur einen kleinen Teil des Berufsstandes repräsentieren.

In der Société des Compositeurs de Musique repräsentierten Komponistinnen im Zeitraum von 1862 bis 1911 nur sieben Prozent der Mitglieder, bei den Studierenden in den Kompositions- und Orgelklassen am Pariser Konservatorium waren es zwischen 1822 und 1906 auch nicht mehr als acht Prozent. Die Theorieklassen Harmonielehre und Kontrapunkt waren bis in die 1840er Jahre überhaupt Männern vorbehalten. Bis dahin waren Musikerinnen abseits der Institutionen auf Privatunterricht angewiesen. Schlimmer war noch, dass Komponistinnen damals mit ihrer Arbeit kein Geld verdienen durften. Um dieses Manko zu umgehen, mussten sie sich männliche Decknamen suchen, wie das etwa Marie-Foscarine Damaschino tat, aus der plötzlich ein Mario Foscarino wurde, oder ihre Werke anonym veröffentlichen.

Dazu passt, dass Frauen in den meisten Fällen – Begabung hin oder her – alles andere als dazu ermuntert wurden, Musik zu schreiben. Außer ihre Männer waren selbst Künstler und wussten die Kreativität ihrer Frau zu würdigen. Mit Auszeichnungen war das auch so eine Sache. Der Prix de Rome in Komposition wurde erst ab 1903 für Frauen geöffnet. Lili Boulanger wurde 1913 als erster Komponistin der Preis zuerkannt, den sie sich damals mit Claude Delvincourt teilen musste.

Die vorliegende Anthologie geht weit über die einzelnen, bisher tröpfchenweise verabreichten Klang-Elixiere hinaus. Auf acht CDs können nun in zehn Stunden mehr als 165 Stücke aus der Feder von 21 Tonsetzerinnen gehört, gewürdigt oder zu lieben gelernt werden.

Jedes einzelne Album ist als eine Art imaginäres Konzert mit stilistisch und zeitlich unterschiedlichen Stücken konzipiert. Die Produzenten von Bru Zane wollen mit diesem in seiner Vielfalt und alle Gattungen berücksichtigenden einmaligen diskographischen Kompendium das Ausmaß der Qualität und den Facettenreichtum des Repertoires französischer Komponistinnen erfahrbar machen sowie Veranstalter dazu bewegen, diese Werke bei ihrer Programmgestaltung zu berücksichtigen.

Die Aufnahmen reichen „von den Klaviersonaten von Hélène de Montgeroult, entstanden während des Ersten Kaiserreichs, bis zu den Werken von Charlotte Sohy, geprägt vom Erbe César Francks, und Mel Bonis, beeinflusst durch die Debussy’sche Annäherung an die Moderne. Diese Auswahl stellt somit unter Beweis, dass diese Komponistinnen mit allen ästhetischen Strömungen ihrer Zeit vertraut waren: Louise Farrenc bewunderte Beethoven, Cécile Chaminade konkurrierte mit Saint-Saëns, Marie Jaëll weckte die Bewunderung von Liszt, Augusta Holmès schreckte vor Wagner nicht zurück und Jeanne Danglas wusste sich den Sentimentalismus anzueignen, der während der Belle Époque in den Cafés von Montmartre en vogue war.“ Alexandre Dtrawicki (Im Salon der vergessenen Komponistinnen).

Neben dem quantitativ umfangreichsten Teil, nämlich Klaviermusik und Liedgesang (mit den Tenören Cyril Dubois, Yann Beuron und François Rougier, der Sopranistin Anaïs Costans, der Mezzosopranistin Aude Extrémo) sind es vor allem die hier aufgenommenen Orchesterwerke, die unsere Aufmerksamkeit verdienen. Hier sind z.B. die Weltersteinspielungen von „Ossiane“ (Marie Jaëll), „La Sirène“ der Nadia Boulanger, die Sinfonie in cis-Moll von Charlotte Sohy, bzw. „L’Amour s’eveille“ von Jeanne Douglas zu nennen.

Die Interpretationen u.a. mit Victor Julien-Laferrière (Cello), Marie Vermeulin (Klavier), Théo Fouchenneret (Klavier), Roberto Prosseda (Klavier), Alessandra Ammara (Klavier), Ismael Margain (Klavier), Anna Agafia (Violine), Nathalia Milstein (Klavier), dem Orchestre National du Capitole de Toulouse, dem Quatuor Hanson, dem Orchestre National de France, dem Orchestre national de Metz Grand Est, Les Siècles und den Dirigenten Leo Hussain, Débora Waldman, David Reiland und François-Xavier Roth bewegen sich auf einem durchgängig hohen künstlerisch Niveau, auch aufnahmetechnisch wurde solide gearbeitet.

Beim Hören der CDs entsteht ein echter Sog, die Zusammenstellung ist kurzweilig und macht neugierig auf mehr, manche verblüffende Überraschung lässt die Hör-Stunden flugs verrinnen.

Tipp: Wer mehr über Komponistinnen wie Rita Strohl, Virginie Morel, Clémence de Grandval, Hedwige Chrétien, Madeleine Lemariey , Marthe Grumbach, Madeleine Jaeger oder Marie-Foscarine Damaschino erfahren möchte, kann sich auf der Datenbank von Bru Zane Mediabase erkundigen, die ausführliche Biografien bereit hält.

https://bru-zane.com/pubblicazione/compositrices/

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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