CD BOX „30 YEARS PRAGA DIGITALS“ Limited Edition – Die verblüffende Erfolgsgeschichte des legendären Plattenproduzenten Pierre-Émile Barbier
Best-Of in Kammermusik und historischen Aufnahmen u.a. aus dem Archiv des tschechischen Rundfunks
Die ganze Geschichte begann im Jahr 1978. Das 1974 gegründete tschechische Pražák Quartet gewann den ersten Preis im französischen Evian. Der Jury gehörte Pierre-Émile Barbier an. Eine Freundschaft entstand zwischen diesem musikbegeisterten Elektronikingenieur bei Thomson (höchstrangig für abgesicherte Übertragungssysteme für Militärzwecke zuständig) und den vier jungen Musikern. Barbier war nebstbei auch als Musikkritiker bei Diapason tätig und veranstaltete in der Pariser Salle Gaveau zwischen 1973 und 1994 als Vorsitzender der „Amis de la Musique de Chambre“ an die 300 Konzerte.
Was dann kam, ist Zeitgeschichte plus die Initiative eines für Musik glühenden Mannes. Der Fall des Eisernen Vorhangs bedeutete eine vierjährige Pause für das renommierte Label Supraphon. Alle tschechischen Musiker hatten damit über Nacht ihren sicheren Hafen verloren. Und genau an diesem Punkt sprang Barbier 1992 als 55-Jähriger mit der Gründung des Labels Praga ein. Zu einem beispiellosen Feuerwerk an Neuaufnahmen von kammermusikalischen Hits und Raritäten kam Barbiers Engagement, das reich bestückte Archiv des tschechischen Radios auf CD zugänglich zu machen. Zuerst erschienen beim französischen Label „Le Chant du Monde“ Juwelen aus den Archiven, wie Beethoven mit dem Vlach Quartett, Konzertmitschnitte dirigiert von Jewgeni Mrawinski, Karel Ančerl, György Lehel, Frantisek Stupka, Václav Smetáček oder Václav Neumann bzw. Unveröffentlichtes von Svatoslav Richter, Emil Gilels, David Oistrach und Gidon Kremer.
Olivier Le Borgne hält in seinem Aufsatz „Die Schätze Prags“ launig fest, dass zum Reitstall „Praga Digitals“ nur Vollblütler zählten: Als da wären das glorreiche Kleeblatt an Streichquartetten: Pražák, Kocian, Párkányi, Zemlinsky, das Trio Guarneri, das Trio Kinsky, das Prager Piano Duo, die Solisten Michal Kanka (Cellist des Prazak Quartetts und Slávka Vernerová-Pěchočová (Pianistin des Trio Kinsky).
Das flotteste Pferd im Stall war wohl das Pražák Quartet mit dem charismatischen Primgeiger Vacláv Remeš, das mit wie aus dem Moment erlebten, brillant-aufregenden Begegnungen mit den Meisterwerken von Schoenberg, Beethoven, Mozart, Haydn, Schubert sowie Dvořák, Smetana, Martinů, Janáček, Jindřich Feld, Borodin, Prokofiev, Shostakovich, Schumann, Mendelssohn, Weber, Strauss und Brahms überraschte. Das detailverliebte Ensemble entsprach wohl am ehesten den Vorstellungen des Labelgründers von musikalischer Perfektion. Für die Einspielung eines Satzes konnten bis zu zwanzig Takes nötig sein, bevor alle mit dem Ergebnis zufrieden waren.
Das ab 1995 engagierte Kocian Quartett wiederum widmete sich einem völlig anderen Repertoire: sie erarbeiteten erstklassige Einspielungen von Kammermusik tschechischer Komponisten, die im KZ umkamen, wie Hans Krása, Pavel Haas, Viktor Ullmann, Gideon Klein und Erwin Schulhoff sowie von Zemlinsky und Hindemith.
In der Sammlung „Réminiscences“ finden sich Remasterings von Mrawinksi, Furtwängler, Richter, Gilels, Benedetti-Michelangeli, Oistrach, dem Budapester Streichquartett, Rudolf Serkin, Mieczyslaw Horszowski, Victoria de los Angeles, Maureen Forrester, Kathleen Ferrier, Jacqueline Du Pré, Zara Nelsova, Gregor Piatigorsky, Janos Starker, Rostropovich, Friedrich Gulda, NathanMilstein, Isaac Stern, Kondrashin, Igor Markevitch etc.
Auf der anderen Seite zeigte man sich dem technischen Fortschritt in der Nutzung neuer Tonträger-Formate aufgeschlossen gegenüber. 2003 präsentierte Praga Digitals seine erste SACD. Als Pierre-Émile Barbier 2018 starb, gab es über 150 SACD-Alben (alle als Hybrid-SACDs angeboten, die auf allen Lesegeräten angespielt werden können), mehr als ein Drittel des Gesamtkatalogs des Labels. Damit war Praga Digitals ähnlich wie das schwedisch-audiophile Label BIS-Records ein Wegbereiter dieser klanglich brillanteren Technologie.
Die weitere Geschichte des Labels führt ins Heute: 2020 übernahm einer der weltweit besten Tontechniker, Nicolas Bartholomée, der 2008 neben dem Label Aparté auch Little Tribeca gründete, von PIAS den gesamten Katalog. Eine schöne Story gibt es da zu erzählen: Das neue Pražák Quartet, das vom alten, bis Juni 2021 existierenden, nur Josef Klusoň beibehielt, hat zeitgleich mit der Erscheinung dieser Box seine erste Aufnahme mit Streichquartetten von Joseph Haydn bei Aparté veröffentlicht. Der Kreis schließt sich so für dieses wichtigste tschechische Streichquartett, das nächstes Jahr sein 50. Jubiläum feiern wird.
Praga Digitals publiziert nun anlässlich seines 30-jährigen Jubiläums eine edle Box mit 30 der markantesten CDs, die die Geschichte und Eigenart des Labels bestmöglich repräsentieren. Allen gemeinsam ist der exzellente Klang, bei den Kammermusikaufnahmen herrscht stets ein üppiger, beinahe orchestral wirkender Ton vor. Da ich nicht weiß, welche CD aus diesem bewundernswerten Lebenswerk des Pierre-Émile Barbier ich zuerst empfehlen soll, sehe Sie hier die ganze Liste:
1. CD Janacek: Streichquartette Nr. 1 & 2; Violinsonate (Prazak Quartet / 1997)
2. CD Dvorak: Streichquartette Nr. 12 & 14 (Prazak Quartet / 1998 / 1999)
3. CD Schulhoff: Streichsextett; 5 Stücke für Streichquartett; Concertino für Flöte, Viola, Kontrabass; Duo für Violine & Cello (Jiri Hudec, Vaclav Kunt, Prazak Quartet, Kocian Quartet / 2003 / 2004)
4. CD Smetana: Streichquartett Nr. 1 „Aus meinem Leben“; Sibelius: Streichquartett op. 56 „Voces intimae“; Andante Festivo für Streichquartett (Kocian Quartet / 2009)
5. CD Smetana: Klaviertrio op. 15; Suk: Klaviertrio op. 2; Elegie op. 23; Fiser: Klaviertrio 1978 (Guarneri Trio Prag / 2004)
6. CD Martinu: Klavierquintette Nr. 1 & 2; Klavierquartett H. 287 (Ivan Klansky, Kocian Quartet / 2007 / 2008)
7. CD „French-Hungarian Impressionism” Debussy: Streichquartett g-moll; Ravel: Streichquartett F-Dur; Bartok: Streichquartett Nr. 4 (Parkanyi Quartet / 2003)
8. CD Schostakowitsch: Streichquartette Nr. 7 & 8; Klavierquintett g-moll op. 57 (Evgeni Koroliov, Prazak Quartet / 2009 / 2010)
9. CD Schönberg: Streichquartett Nr. 4; Streichsextett „Verklärte Nacht“ op. 4 (Vladimir Bukac, Petr Prause, Prazak Quartet / 2006)
10. CD Schubert: Streichquartette Nr. 13 & 14 (Prazak Quartet / 1995)
11. CD Beethoven: Streichquartett Nr. 13; Große Fuge op. 133; Allegro (alternatives Finale) zum Streichquartett Nr. 13 (Prazak Quartet / 2003)
12. CD Mozart: Klarinettenquintett KV 581; Klarinettentrio KV 498 „Kegelstatt-Trio“; Weber: Klarinettenquintett op. 34 (Pascal Moragues, Prazak Quartet / 2001-2003)
13. CD Haydn: Streichquartette Nr. 78-80 (op. 76 Nr. 4-6) (Prazak Quartett / 1997)
14. CD Brahms: Klarinettenquintett op. 115; Streichquartett Nr. 1 (Pascal Moragues, Prazak Quartet / 2005)
15. CD Mendelssohn: Streichquartette Nr. 4 & 6; Capriccio op. 81 Nr. 3 (Zemlinsky Quartet / 2009)
16. CD „Yevgeni Mravinsky dirigiert“ – Bartok: Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug & Celesta; Honegger: Symphonie Nr. 3; Strawinsky: Agon (Leningrad Philharmonic Orchestra, Yevgeni Mravinsky / 1965-1968)
17. CD Prokofieff: Symphonien Nr. 5 & 6 (Czech Philharmonic Orchestra, Serge Baudo; Leningrad Philharmonic Orchestra, Yevgeni Mravinsky / 1973 / 1967)
18. CD Tschaikowsky: Symphonie Nr. 6; Klavierkonzert Nr. 1 (Svjatoslav Richter, Leningrad Philharmonic Orchestra, Yevgeni Mravinsky / 1958)
19. CD Schostakowitsch: Symphonie Nr. 13 „Babi Yar“; Babi Yar op. 113; Prokofieff: October (Vitaly Gromadsky, RSFSR Academic Choir, Yurlov Choir, Moscow Philharmonic Orchestra, Kirill Kondrashin / 1962)
20. CD Schostakowitsch: Symphonie Nr. 9; Klaviertrio Nr. 2; Streichquartett Nr. 3 (Oistrakh Trio, Smetana Quartet, Czech Philharmonic Orchestra, Zdenek Kosler / 1961 / 1967)
21. CD “Ferenc Fricsay dirigiert” – Bartok: 2 Portraits op. 5; Tanssuite; Klavierkonzert Nr. 2; Divertimento für Streichorchester (Geza Anda, RIAS Sinfonie-Orchester Berlin, Ferenc Fricsay / 1952 / 1953)
22. CD Bartok: Streichquartette Nr. 1, 3, 5 (Vegh Quartet / 1954)
23. CD Janacek: Vorspiel & Orchestersuite aus „The House of the Dead“; Orchestersuite aus „Das schlaue Füchslein“; Kantate „Amarus“ (Vera Soukupova, Vilem Pribyl, Prague Philharmonic Choir, Czech Philharmonic Orchestra, Vaclav Neumann, Frantisek Jilek / 1974-1988)
24. CD “Igor Markevitch dirigiert“ – Mussorgsky: Bilder einer Ausstellung; Russian Songs (orchestriert von Markevitch); Strawinsky: Psalmensymphonie (Galina Vishnevskaya, Russian State Academic Choir, Russian Symphony Orchestra, Igor Markevitch / 1953-1962)
25. CD Debussy: Image pour Orchestre Nr. 3; Prelude a L’apres-midi d’un faune; La Boite a joujoux (Orchestre du Theatre National de l’Opera de Paris, Orchestre de la Suisse Romande, Manuel Rosenthal, Ernest Ansermet / 1957 / 1958)
26. CD Mahler: Des Knaben Wunderhorn; Rückert-Lieder (Maureen Forrester, Heinz Rehfuss, Wiener Festspielorchester, RIAS Symphonie-Orchester Berlin, Felix Prohaska, Ferenc Fricsay / 1962)
27. CD Strauss: Tod & Verklärung op. 24; Don Juan op. 20; Till Eulenspiegel op. 28; Vier letzte Lieder (Elisabeth Schwarzkopf, Wiener Philharmoniker, The Philharmonia, Wilhelm Furtwängler, Otto Ackermann / 1950-1954)
28. CD Beethoven: Violinkonzert op. 61; Tripelkonzert op. 56 (David Oistrach, Lev Oborin, Stanislav Knushevitzky, Orchestre National de la Radiodiffusion Francaise, The Philharmonia, Andre Cluytens, Malcom Sargent / 1958)
29. CD Beethoven: Klaviersonaten Nr. 17, 18, 23 (Svjatoslav Richter / 1959 / 1965)
30. CD Chopin: Klaviersonate Nr. 2 op. 35; Ballade Nr. 1; Walzer Nr. 17; Fantasie op. 49; Rachmaninoff: Klavierkonzert Nr. 4 (Arturo Benedetti Michelangeli, The Philharmonia London, Ettore Gracis / 1957).
Dr. Ingobert Waltenberger