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CD: BOMSORI KIM spielt Violinkonzerte von WIENIAWSKI und SHOSTAKOVICH – Warner

07.11.2018 | cd

CD: BOMSORI KIM spielt Violinkonzerte von WIENIAWSKI und SHOSTAKOVICH – Warner

 

Die südkoreanische Geigerin Bomsori Kim wagt sich mit dieser CD an zwei „Schlachtrösser“ der konzertanten polnischen/russischen Violinliteratur heran. Beide Konzerte wurden in St. Petersburg uraufgeführt. Wieniawsiki war dort 12 Jahre lang Solist am Hof des Zaren, Shostakovich ist nicht nur in St. Petersburg geboren, sondern er verbrachte den Großteil seines Lebens in dieser Stadt. Weitere Parallelen betreffen den Widerhall von Opernmusik in den langsamen Sätzen, die Freude an folkloristischem Kolorit in den Finali als auch die wuchtige Instrumentierung. 

 

Das Violinkonzert in D-Moll Op. 22 von Henryk Wieniawski, sein bekanntestes Werk, strotzt nur so vor melodiösen Einfällen, deren Inspirationsquellen überwiegend auf die französische Oper Mitte des 19. Jahrhunderts zurückzuführen sind. So ist im langsamen Satz („Romance“)  Siebels Arie aus Gounods Faust („Faites-lui mes aveux“) erkennbar.  

 

Bomsori Kim trifft den schwärmerischen Ton auf ihre Art und Weise, ihr technisch perfektes Spiel gleitet trotz romantisch-virtuosen Bogenstrichs nie in billigen Kitsch ab. Eher silbrig kühl schimmert der schlanke Ton der jungen Musikerin. Der Mode jener Zeit gemäß ließ Wieniawski in das Allegro moderato à la Zingara Zigeunerweisen, aber auch polnische Rhythmen („Krakowiak“) einfließen. Hier geht es rustikal zur Sache, „Bauern tanzen an einem schönen Sommertag“ soll die programmatische Erklärung des Komponisten zu dieser Musik gelautet haben. Die Freude der Musikerin an den kantigen Rhythmen ist spürbar, mit Schwung fegt sie durch den dritten Satz.

 

Das erste Violinkonzert in A-Moll Op.77 von Dmitri Shostakovich ist allerdings ein anderer Fall als die schmachtende Wieniawski-Welt. Bomsori Kim lässt hier einen bedeutenden Mangel an stilistischer Wandlungsfähigkeit erkennen. Mit demselben „süßen“, der Hochromantik verpflichteten Ton unter Einsatz einer gehörigen Portion Vibrato trifft sie den Kern dieses unter so schwierigen politischen Umständen entstandenen und uraufgeführten Werks nicht. Shostakovich war 12 Jahre nach der traumatischen Politpropaganda gegen seine Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ wieder einmal in einen ideologischen Konflikt mit den sowjetischen Behörden geraten. Die teils wild groteske Tonsprache inklusive einiger Elemente jüdischer Musik, die dem Einfluss der damaligen Freundschaft mit dem polnischen Komponisten Moishe Weinberg entsprungen war, die tragische Passacaglia sowie  Anklänge an Beethovens fünfte Symphonie enthüllen enorm viel an schmerzlich Privatem aus Shostakovich‘ Leben. Im Spiel der Künstlerin ist davon allerdings wenig auszumachen. Die stählerne Kraft der Musik, ihr beissender Sarkasmus sowie die tiefe Tragik des Stücks müssen so auf der Strecke bleiben. Auch das Philharmonische Orchester aus Warschau fühlt sich im 19. Jahrhundert spürbar mehr daheim wie in Shostakovich düster wilden Klangschluchten. Zu viel Ehrgeiz führt manchmal halt zu halben Sachen. 

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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