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CD BLAGOJE BERSA: Lieder – das Aufsehen erregende Solo Debütalbum des KRESIMIR STRAZANAC; hänssler classic

10.10.2024 | cd

CD BLAGOJE BERSA: Lieder – das Aufsehen erregende Solo Debütalbum des KRESIMIR STRAZANAC; hänssler classic

Eine der schönsten lyrischen Baritonstimmen der Jetztzeit mit Liedraritäten eines viel zu wenig bekannten kroatischen Komponisten; Weltersteinspielungen

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Den in Dubrovnik geborenen Blagoje Bersa kennen „hardcore“ Melomanen vielleicht von der Liedaufnahme „Allerseelen“ der Zinka Milanov (Nimbus Records). Manche unter uns werden seine Klavierwerke (Serie Grand Piano), gespielt von Goran Filipec, schätzen. Wer im fünften Wiener Gemeindebezirk in der Ramperstorffergasse aufmerksam die Fassaden betrachtet, wird das Gedenkschild ausmachen, auf dem Bersa für seine Oper „Eisenhammer“ und seine sinfonische Dichtung „Sonnige Felder“ gerühmt wird. In dem Haus mit der Nummer 16 hat Bersa von 1910 bis 1916 gelebt. Seinen Unterhalt hat er damals als Musikberater und Arrangeur beim Verlagshaus Doblinger verdient. Nach dem Ersten Weltkrieg ging Bersa nach Zabgreb, wo er an der Musikakademie Komposition und Instrumentierung unterrichtete.

Studiert hat Bersa u.a. in Wien am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien bei Robert Fuchs und Julius Epstein (immerhin auch der Lehrer von Mahler, Wolf und Sibelius), um in der Folge als Dirigent in Sarajevo, Split, Graz (1902/1903) und Osijek tätig zu sein. Als Komponist hat Bersa alle Genres bedient, wir finden in seinem Schaffen außer Opern noch Chor- und Orchesterwerke, Kammermusik, Werke für Klavier solo und Filmmusik.

Auf seinem ersten Solo-Album stellt der kroatische Bassbariton Krešimir Stražanac gemeinsam mit seinem Begleiter am Flügel Krešimir Starčević Kostproben aus dem Liedschaffen Bersas vor. Einerseits begegnen wir vom melodischen Einfallsreichtum her als auch gestalterisch faszinierenden, in deutscher Sprache verfassten Liedern und Balladen, ganz der Stilistik des Liedschaffens der deutschen (Spät)Romantik verpflichtet. Auf der zweiten CD offeriert uns das Duo Stražanac/Starčević Lieder in kroatischer Sprache. Dem melodischen Duktus ist manchmal eine gewisse Italianità nicht abzusprechen.

Wenn Sie diesen vom luxuriösen Timbre her ein wenig an Hermann Prey erinnernden Krešimir Stražanac noch nicht kennen sollten, dann wird es Zeit. Stražanac ist hauptsächlich als lyrischer Konzertbariton tätig, reüssiert aber auch wie die besten Kollegen des Fachs im Liedgesang.

Schon das erste Lied „Auf den Wällen Salamancas“ Op. 41 nach einem Gedicht von Heinrich Heine weist uns Stražanac als einen klugen wie beherzten Gestalter aus, der der Ironie der Dichtung nichts schuldig bleibt. Weitere Heine-Titel („Und als ich so lange“ Op. 40, „Lieb Liebchen, leg’s Händchen aufs Herze mein“, Op.66 und „Mein süßes Lieb, wenn du im Grab“, Op. 39) zeigen den Komponisten als auch den Interpreten als galgenhumorvolle Gesellen, die die Fährnisse der Liebe nicht immer tragisch nehmen.

In „Ein Lied der Liebe“, Op. 67 nach einem Poem von Reinhard Volker einen sich sehnsuchtsvolle spätromantische Harmonien zu einem Lobgesang auf eine unbekannte Schönheit. „O lache nicht“ nach Michael Lermontow interpretiert Stražanac höchst expressiv und dramatisch, Dichter- und Dornenkranz in düsterer Vorahnung und äußerster Verzweiflung als eines wahrnehmend. 

Einen blutrünstige Geschichte gibt die Ballade „Edward“, Op. 17 nach einem Text von Johann Gottfried Herder ab. Ein Sohn apostrophiert seine Mutter nach dem von ihr angestifteten Vatermord. Wie in ähnlich gelagerten Schöpfungen von Franz Schubert oder Carl Loewe wechseln einander rezitativische und opernhaft ariose Abschnitte ab. Stražanac glänzt hier mit erzählerischer Drastik und höchster Differenzierung der verschiedenen Gefühlsregungen zwischen Schock (von Blut triefendes Schwert), Trauer, quälender Reue und Fluch der Hölle, die der Sohn schließlich der Mutter auf den Hals wünscht. Die Vertonung von „Einsamkeit“, Op. 60 nach Wilhelm Müller bietet eine atmosphärisch dichte Alternative zu Schuberts gleichnamigen Lied aus dem Zyklus „Winterreise“.

Im zweiten Abschnitt des Albums haben sich Krešimir Stražanac und sein kongenialer Mitgestalter am Flügel Krešimir Starčević auf Vertonungen von Versen des Josip Bersa („Ach Träume, ihr bunten Träume“, Op. 45, „Ich liebe dich“, op. 46) bzw. von Volkstexten wie „Wie viel, Op. 44, die charmant duftige Romanze „Jelica“, Op. 73 oder „Das Lied aus der Küste“, Op. 72 fokussiert. Eine Besonderheit ist die Ballade „Der König von Thule“, wo Bersa Goethes Verse in einer Übersetzung ins Italienische von Giosué Carducci vertonte.

Krešimir Stražanac ist nichts weniger als ein begnadeter Liedinterpret. Kantabilität, Artikulation, Phrasierung, Textverständlichkeit und stimmliche Fülle verbinden sich in seinem sämigen gehaltvollen Bassbariton zu einer höheren Einheit. Den lyrisch-poetischen Gehalt der einzelnen Lieder schöpft er aufs Natürlichste aus. Da brennt einer merklich für diese Kunstform, die Begeisterung und Intensität der Interpretationen überträgt sich eins zu eins auf das Publikum. Großartig!

Tipp: Auf seinem Terminkalender der nächsten Zeit sind vor allem Konzerte (Mendelssohn „Paulus“, Bruckner f-Moll Messe, Händel „Messias“, Mozart Requiem, Britten War Requiem, Bach „Weihnachtsoratorium“, „h-Moll Messe“, „Kantaten“), aber am 7. Februar 2025 in der Stadthalle Reutlingen auch ein Konzert mit Franz Schuberts „Die Winterreise“ D. 911 zu finden.

In der Berliner Philharmonie wird Krešimir Stražanac wieder am Freitag, 4. April 2025, als Basssolist in Antonín Dvoráks „Stabat Mater“ op.58 mit dem Radio Sinfonieorchester Berlin, dem Collegium Vocale Gent unter Philippe Herreweghe bzw. am Sonntag, 1. Juni 2025 als ‚Die Stimme des Herrn‘ in Franz Schmidts „Das Buch mit 7 Siegeln“ zu erleben sein.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

 

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