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CD: Benjamin APPL singt Bach (Arien & Rezitative); Concerto Köln

16.09.2018 | cd

CD: Benjamin APPL singt Bach (Arien & Rezitative); Concerto Köln

Eine bemerkenswerte Aufnahme

Von Karl Masek

Für Bariton-Stimmen mag Bach eine Herausforderung sein. Sind für die Soli in seinen Kantaten die Stimmlagen Tenor und/oder Bass vorgesehen. Für Bässe sind dann gewisse Hochtöne oft nur mit mühevollem Forcieren zu erreichen, für Baritone dafür die profunden Tiefen mitunter nur mit Klangeinbußen zu erreichen.

Nicht so für den Bariton Benjamin Appl! Er legt (Erscheinungsdatum 7.9. 2018) bei SONYclassical in Kooperation mit  Deutschlandfunk eine neue CD vor. Mit dem lakonischen Titel „BACH“. Keine schmückenden Untertitel. Um die Essenz geht es.

Eine kluge Zusammenstellung von Ausschnitten aus weltlichen und geistlichen Kantaten (für letztere folgt er dem „Kirchenjahr“), der Matthäuspassion BWV 244/42, 64, 65) und dem „Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach“, was auch für Bachliebhaber, die Kantaten und Passionen sonst lieber „im Zusammenhang“ hören, reizvoll und spannend sein dürfte.

Für Benjamin Appl ist Bach (den er seit der Sängerknaben-Zeit bei den „Regensburger Domspatzen“ im Besonderen verinnerlicht hat) „…ein höchst glaubwürdiger, besonnener und weiser Ratgeber. Ein verlässlicher, feinsinniger, …. Freund voll Kreativität und Leidenschaft, …, der sich nicht zu wichtig nimmt, …, der trotz gelegentlicher Komik nie geschmacklos wird, stets Würde bewahrt, …, dessen Aussagen Gehalt haben … und einzigartige spirituelle und emotionale Kraft besitzen“.

Ein großer Bogen über Bachs vielschichtigen Kantaten-Kosmos wird da gespannt. Der Fischer-Dieskau-Schüler emanzipiert sich hier von seinem Mentor und prägenden Vorbild, ohne es verleugnen zu wollen. Mit sorgfältiger Textbehandlung (ohne beim Skandieren zu übertreiben!) und hörbarem Respekt nähert sich Appl all den musikalischen Schätzen des genialen Eisenachers. Es gelingt eine beinah idealtypische Balance zwischen sublimer Emotionalität und nuanciertem, noblem Understatement. Drängende Dringlichkeit spart er gleichwohl nicht aus (Arie „Gebt mir meinen Jesum wieder“), viel Gespür für Zwischentöne gilt es herauszuhören (Arie „Mache dich, mein Herze rein“, beides aus der Matthäus-Passion), gelegentlich mit etwas (zu) nasaler Tongebung , z.B. beim langen Legato auf …“rein…“.

Bachs Humor blitzt auf, wenn Appl mit federnder, luftiger Eleganz zum A-Teil der Arie aus der Kantate, BWV 201/7 „Zu Tanze, zu Sprunge“ ansetzt. Es macht sich beim Hören ein oft gehabtes Kindheitserlebnis breit: Das unbeschreibliche Gefühl der Leichtigkeit beim Trampolinspringen – um dann einer ebensolchen Erdenschwere Platz zu machen, wenn man anschließend versucht, vom Boden weg zu kommen („Zu Tanze, zu Sprunge, so wackelt das Herz. Wenn der Ton zu mühsam klingt. Und der Mund zu mühsam singt, so erweckt er keinen Scherz“). Köstlich „maulfaul“ und mühselig singt Appl dann diesen B-Teil – um sich bei der Wiederholung des A-Teils umso kunstvoller nach oben zu „katapultieren“ …

Mit augenzwinkerndem Charme (und so überhaupt nicht betulich oder gar gravitätisch!) wird die Arie „Kron und Preis gekrönter Damen“ serviert. Man horcht auf. Kommt einem bekannt vor. Richtig! „Großer Herr und starker König“ kommt tongenau (bis zum Trompetensolo!) schon im so genannten „Weihnachts-Oratorium“ vor (oder auch umgekehrt!). Der Trompeter Hannes Rux sei hier für sein fabelhaft gespieltes Solo besonders gelobt.

Wie überhaupt das 24-köpfige Concerto Köln mit edlem Klang, schöner Balance und feinsinniger Phrasierungskunst (z.B. die Violin- oder Oboensoli) eine erstklassige Orchesterbasis für diese bemerkenswerte Aufnahme legt, die mit 3 orchestralen „Sinfonias“, z.B. aus der „Bauernkantate“, trefflich abgerundet wird.

Der Star der Aufnahme bleibt Bach. Der Interpret singt sich nicht mit „Hoppla-jetzt-komm-ich“ in den Vordergrund. Beherrscht, besonnen, stilsicher, aber auch voll jugendlicher und „heutiger“ Frische, schlank und bar jeglicher Verstaubtheit klingt die Stimme des 36-Jährigen. Mühelos die Legatobögen, von  Natürlichkeit und selbstverständlicher Rundung die Koloraturen, die nicht schmückendes Beiwerk, sondern sinnfälliger Bestandteil des Ganzen sind. Locker genommene Höhen (bis in tenorale Regionen reichend) und Tiefen.

Fazit: Ein Muss für Bachliebhaber (und vielleicht nicht nur für diese). Empfehlung!

Karl Masek

 

 

 

 

 

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