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CD BEETHOVEN: Sämtliche Sonaten für Cello und Klavier – LEONARD ELSCHENBROICH, ALEXEI GRYNYUK, Onyx

Ein Glücksfall

23.04.2019 | cd

CD BEETHOVEN: Sämtliche Sonaten für Cello und Klavier – LEONARD ELSCHENBROICH, ALEXEI GRYNYUK, Onyx

Ein Glücksfall

Veröffentlichung: Ende April

Wenn alteingesessene Plattenfirmen Kammermusik in ihr Programm aufnehmen, so ist es oft nur deswegen, um ihren Stars auch einmal die Möglichkeit zu geben, sich in einem Liebhaber-Repertoire zu versuchen und bei Kunden präsent zu sein, die sie sonst nicht erreichen. Da werden Musiker bunt nach Namen zusammengewürfelt und mehr oder weniger gute Konzerte mitgeschnitten. Natürlich kann das Ergebnis durchaus beeindrucken. In vielen Fällen funktionieren diese Zufallsbekanntschaften aber nicht ohne einen Verlust an Homogenität oder stilistischer Kongruenz.

Umso schöner ist es, diese Doppel-CD vorstellen zu dürfen, wo die beteiligten Musiker eine beeindruckende künstlerische Wahlverwandtschaft eingegangen sind.  Der deutsche Cellist Leonard Elschenbroich und der britisch-ukrainische Pianist Alexei Grynyuk (er begann seine Wunderkind-Konzertkarriere mit sechs Jahren) stellen beim Label onyx eine sorgfältig erarbeitete Gesamtaufnahme der fünf Cellosonaten Ludwig van Beethovens vor. Es ist nicht ihre erste Zusammenarbeit im Studio. Schon die Aufnahme mit Cellosonaten von Rachmaninoff und Schostakowitsch wurde als Entdeckung zweier „Rising Stars“ hochgelobt.

Was charakterisiert das Zusammenspiel von Elschenbroich und Grynyuk? Da treffen zwei technisch ausgereifte Instinktmusiker von Gnaden aufeinander. Sie versuchen sich nicht in angeberischer Virtuosität, sondern setzen all ihr Können, all ihr Wissen in den Dienst kontrastreichen Ausdrucks, tiefenschürfender Emotion und klanglicher Finessen. Beethovens zwei frühe Cellosonaten Op. 5, 1796 in Berlin entstanden, changieren zwischen Empfindsamkeit in den langsamen Einleitungen und für damalige Zeiten ungemein innovativ aufwühlender, zuweilen aufpeitschender Durchführungen.

Grynyuk scheint zum Cellospiel seines Partners zu improvisieren, so aus dem spontanen Augenblick geboren nimmt die Musik Gestalt an. Beide wissen genau, an welcher Stelle der eine primus inter pares ist und umgekehrt. Eine hohe Sanglichkeit der Melodien, eine beinahe traumverlorene Versenkung in den lyrisch poetischen Passagen, aber auch scharfe Akzente und rauschhaftes Beschleunigen zeichnen ihr stets charaktervolles Spiel in der mittleren Sonate in A-Dur, Op. 69, aus.

Mit den beiden späten Sonaten für Cello und Klavier Op. 102 betritt Beethoven stilistisches Neuland, so quecksilbrig und „abwechslungsreich, das es sich gleichsam jeder Definition entzieht“, so Alfred Brendel. Die temperamentvollen launischen Rösselsprünge, das komplexe Themen- und Stimmungsgeflecht, das spielerische, exzentrische und deklamatorische Element, nichts kommt bei der bahnbrechenden Interpretation von Elschenbroich und Grynyuk zu kurz. Frappierend ist immer wieder die traumwandlerische Sicherheit, mit der die beiden neben interpretatorisch höchst anspruchsvollen Fugen musikalische Details gemeinsam deuten, Rubati einsetzen, sich Beethovens Spätstil quasi wie Akrobaten ohne Netz erobern. Nach einem Beethoven Konzert 2016 von Elschenbroich und Grynyuk hat die Mittelbayerische getitelt: „Musik wie von einem anderen Stern“. Diesem Urteil schließe ich mich an. Die spürbare Unbedingtheit des Anspruchs, ihre Intensität ohne Wenn und Aber, die durchlüftete Frische, aber auch die selbstverständliche Leichtigkeit im individuellen Zusammenspiel, wie sie mit Abenteuerlust Balance halten, stellen diese Aufnahme mit an die Spitze der wahrlich umfangreichen Beethoven-(Cellosonaten)-Diskographie. Die Namen der beiden Solisten sollte man sich merken.

Tipp: Am 30. April geben sich Elschenbroich und Grynyuk beim „Album Release der Beethoven-Sonaten“ im Berliner Piano Salon Christophori live die Ehre.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

 

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