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CD BEETHOVEN: Messe in C-Dur, Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks; MARISS JANSONS; BR Klassik

23.11.2018 | cd

CD BEETHOVEN: Messe in C-Dur, Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks; MARISS JANSONS; BR Klassik

 

Veröffentlichung: 30.11.2018

 

Der vorliegende Live-Mitschnitt aus der Philharmonie im Gasteig München ist der neben der Missa solemnis wohl bedeutendsten Kirchenmusik-Schöpfung Beethovens gewidmet, nämlich der Messe für vier Solostimmen, Chor und Orchester in C-Dur, Op. 86. Die beiden Konzerte zum Mitschnitt fanden anlässlich des 75. Geburtstags des Chefdirigenten des Symphonieorchesters des BR, Mariss Jansons am 14. und 15. Jänner 2018 statt.

 

Der Auftraggeber, der Fürst von Esterházy, der das Werk zur Feier des Namenstages der Fürstin Maria Josepha Hermenegild 1807 bestellte, fand das Resultat „unerträglich lächerlich und scheußlich“. Wir dürfen heute getrost anderer Ansicht sein, scheint diese Messe als persönliches Bekenntniswerk Beethovens doch mit der Betonung des Vokalen, des gesungenen Worts gegenüber dem Instrumentalen einen ganz anderen Zugang als die späten Haydn–Messen zu haben. Vera Baur analysiert das folgendermaßen: „Wie sehr in seiner C-Dur Messe das Wort Ausgangspunkt der Musik ist, zeigen die vielen deklamatorischen, aus der Sprachrhythmik gewonnenen, teils sogar syllabischen Abschnitte, die auch ohne profilierte Melodien auskommen und auf unmittelbare Textverständlichkeit zielen. Vor allem im Credo steigern sich solche Passagen zu ungeheurer Wucht, wenn der Chor den Text fast archaisch-rituell und in markigem Forte vorträgt.“

 

Die Einspielung unter Mariss Jansons besticht durch intensiven sprachlichen Ausdruck, pathosgeladene Dramatik, aber auch Wärme und Leuchtkraft des Klangs des Chors des Bayerischen Rundfunks als einen der aus meiner Sicht besten Chöre der Welt. Die Friedensbotschaft am Ende der Messe gerät zu einem universellen humanistischen Bekenntnis, wozu auch das Solistenquartett mit der engelsgleich singenden Genia Kühmeier (Sopran), Gerhild Romberger (Alt), dem heroischen Maximilian Schmitt (Tenor) und Luca Pisaroni (Bass) gebührenden Anteil hat.

 

Zu welchen Höchstleistungen das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks taugt, kann nicht nur anhand der expressiven Wucht des „Agnus Dei“, den  wundervollen Solostellen von Fagott und Klarinette  im „Gloria“, sondern vor allem an der Wiedergabe der „Leonoren-Ouvertüre Nr. 3 in C-Dur“, Op. 72, nachgehört werden.

 

Wie sich hier die Quintessenz der Beethovenschen Wut gegen Tyrannei und Unterdrückung bis hin zum strahlendem in C-Dur jubelnden Finale in energetisch dicht vorwärtsdrängender  Musik manifestiert, führt Mariss Jansons in seinem leidenschaftlichen Plädoyer für Beethovens „in göttlichem Ingrimm“ (Zitat Robert Schumann) geschaffenen Werk exemplarisch vor. Es handelt sich um eine Live-Aufzeichnung aus dem Herkulessaal der Münchener Residenz vom 29./30. Januar 2004.

 

Während einige der einst glänzenden wirtschaftlichen Symbole des Deutschlands des Nachkriegs-Wirtschaftswunders, wie die Deutsche Bank, aber vor allem die durch den Dieselskandal gebeutelte Kraftfahrzeugindustrie gehörig Kratzer abbekommen haben, ist die Orchesterkultur des Landes nach wie vor einzigartig. Dies sowohl, was die Zahl und die Qualität der Klangkörper betrifft. Das grandiose Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks pflegt dieses große kulturelle Erbe als eines der fünf besten Orchester Deutschlands nach Kräften. Bei jedem Konzert und jeder veröffentlichten CD ist dies eindrücklich und lebendig nachzuhören.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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