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CD BEETHOVEN EROICA – MAXIM EMELYANYCHEV dirigiert das Nizhny Novgorod Soloists Chamber Orchestra – aparte

03.11.2018 | cd

CD BEETHOVEN EROICA – MAXIM EMELYANYCHEV dirigiert das Nizhny Novgorod Soloists Chamber Orchestra – aparte 

 

 

Wer den die russische und internationale Musikszene ähnlich wie Teodor Currentzis aufwühlenden Dirigenten, Pianisten, Cembalisten und Hornisten Maxim Emelyanychev von seinen lebendigen und zupackenden Interpretationen der Klavier- oder Violinsonaten Mozarts, der Klaviertrios von Joseph Haydn oder aber als famosen Recitaldirigenten von Gesangstars wie Joyce di Donato, Jakub Jozef Orlinski oder Max Emanuel Cencic schätzt, sollte sich diese CD mit Schlüsselwerken Beethovens und Brahms anhören. Am Konservatorium Nishni Novgorod ausgebildet, gab Emelyanychev mit zwölf Jahren sein Orchesterdebüt, bevor er seine Ausbildung bei Gennadi Roshdestvenski und Maria Uspenskaja am Moskauer Tchaikovski-Konservatorium komplettierte. In Theodor Currentzis‘ Aufnahme von Mozarts Hochzeit des Figaro hatte der vielseitige Zampano den Klavierpart inne. Seit 2016 ist Emelyanychev  künstlerischer Leiter des Originalklangensembles „Il pomo d’oro“. Mit diesem Orchester ist soeben bei der Deutsche Grammophon ein Xerxes (Händel) mit Franco Fagioli in der Titelrolle erschienen. 

 

Nun legt er mit einem Kammerorchester aus seiner Heimatstadt Nishni-Novgorod eine aufsehenerregende Einspielung der „Eroica“ vor. Dieses klingende Zeugnis bejahender Lebenskraft und urgewaltiger Selbsterschaffung ist Ergebnis einer nach Selbstmordabsichten samt Heiligenstädter Testament einzigartigen künstlerischen Wiedergeburt Ludwig van Beethovens. Die drohende Taubheit hatte Beethoven als kompromisslos  sich von den Vorbildern Mozart oder Haydn emanzipierenden Neuerer in ungeahnte Sphären schöpferischer Energie katapultiert. Gott sei Dank hat Beethoven die abwertenden Kommentare seiner Zeitgenossen während der von ihm  selbst dirigierten Premiere am Theater an der Wien am 7.4.1805 wahrscheinlich schlecht gehört, die das Werk als zu lang abkanzelten.

 

Heute muss selbstverständlich kein Dirigent mehr um ein negatives Urteil dieser dritten Symphonie Beethovens gegenüber fürchten. Und der junge Russe Maxim Emelyanychev ebenso nicht, was seine maßstabsetzende neue Lesart anlangt. Das Fluidum der Freiheit, das den von einem vitalen Puls durchdrungenen ersten Satz beflügelt, lässt Emelyanychev in immer neuen Perspektiven und Horizonten wie flinke Drachen steigen. Wie ein vom Dasein Trunkener lässt er die Rhythmen aufeinanderprallen, die Klangkontraste von Holz und Blech hochleben und aus purem Übermut in die berühmte Dissonanz münden. Von unbrechbar vorwärtsrasendem Fortschritt und glühendem Optimismus trotz aller das Schicksal streng fragenden Akkorde kündet diese so sangliche Musik, wie kaum etwas nach ihr Geschriebenes. Im Trauermarsch des zweiten Satzes senken sich vorübergehend dunkle Schleier gestützt von Trommel und Kontrabassklängen herab. Im Scherzo blasen die Hörner das Halali, Emelyanychev scheint im  Birkenwald an Noten hoch zu Ross  vital auf eine große Lichtung hin zu drängen. Im von Prometheus Thema aus seinem gleichnamigen Ballett inspirierten Finale zieht Beethoven nochmals den Hut vor dem antiken Helden. In einer Reihe von Variationen lässt Emelyanychev den Sieg des Lichts über das Dunkel, eines Menschen über sich selbst als Künder der schöpferischen Kraft über Verzweiflung erstrahlen. Das Ensemble aus Nizhni Novgorod hat hörbar Freude am künstlerisch innovativen Prozess. Alle Orchestergruppen sprühen vor Energie und klanglicher Experimentierlust, nichts wirkt gedrillt oder eingepeitscht wie bisweilen beim griechischen Kollegen aus Perm.

 

Mit den „Haydn-Variationen“ von Johannes Brahms als Manifest barocker Formen abgemixt in klassisch klarer Ausgewogenheit sowie romantischer Suche nach der perfekten symphonischen Struktur erschließt sich Maxim Emelyanychev abermals neues Terrain. Besonders eindrücklich geraten die Variationen fünf und sechs sowie das stürmische Finale Andante.

 

Fazit: Ein auch aufnahmetechnisch prachtvolles Album, das des aufmerksamen Hörens absolut wert ist.

 

Ingobert Waltenberger

 

 

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