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CD BEETHOVEN: Complete Works for Cello and Piano, 2 – GABRIEL SCHWABE Cello, NICHOLAS RIMMER Klavier; Naxos

05.11.2024 | cd

CD BEETHOVEN: Complete Works for Cello and Piano, 2 – GABRIEL SCHWABE Cello, NICHOLAS RIMMER Klavier; Naxos

Neue Maßstäbe an Experimentierlust und Sonorität

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An kammermusikalischen Aufnahmen von Werken für Cello und Klavier des Ludwig van Beethoven mangelt es wahrlich nicht. Und dennoch ist diese Neuerscheinung ein Muss für Liebhaber kammermusikalischer Gourmethappen. Gabriel Schwabe, Berliner Cellist der jungen Generation, legt gemeinsam mit dem englischen Pianisten Nicholas Rimmer den zweiten Teil seines Projekts der Gesamtaufnahme aller Werke für Cello und Klavier vor. Enthielt das erste Album die Cellosonaten Nr. 1 und 2 (Op. 5 Nr. 1 & 2), die zwölf Variationen über ‚Ein Mädchen oder Weibchen‘, Op. 66 und sieben Variationen über ‚Bei Männern, welche Liebe fühlen‘ ebenso aus Mozarts Oper „Die Zauberflöte“, WoO 46, so setzt Volume 2 mit den Cellosonaten Nr. 3 bis 5 und den zwölf Variationen über ‚See the conqu’ring hero comes‘ aus G. F. Händels Oratorium „Judas Maccabäus“ die Edition folgerichtig fort.

Führt uns die Entstehung der ersten beiden Sonaten nach Berlin, wo Beethoven am Hofe Friedrich Wilhelm II., selbst ein begeisterter Cellospieler, den Cellisten Jean-Louis Duport kennen gelernt hatte. In den innovativen genrebegründenden „Deux Grand Sonates pour Le Clavecin ou Piano-Forte avec un Violoncelle obligé“ (1797) begegnen einander die beiden Instrumente bereits auf Augenhöhe.

Dann war zehn Jahre Funkstille, bis Beethoven 1808 seine dritte Sonate für Cello und Klavier in A-Dur, Op. 69 in Angriff nahm. Trotz zunehmender Schwerhörigkeit und politischer Unsicherheiten ist ein temperamentvolles, dreisätziges Werk entstanden, das in der entspannten wie generösen Klanglichkeit des Duos Gabriel Schwabe und Nicholas Rimmer eine traumhaft kantable Wiedergabe erfährt. Schwabe spielt auf einem Instrument von Giuseppe Guarneri aus Cremona 1695. Was der kecke Cellist diesem edlen Cello an reich pastosen Klängen, an lockerem Zierrat und langgezogenen Legatophrasen entlockt, stellt er in beinahe schon trunkener Experimentierfreudigkeit stets in einen sinnstiftenden Kontext zu Artikulation und Ausdrucksgehalt dieser so genial Überschwang, Zartheit und dann wieder exzentrische „Verrücktheiten“ auskostenden Musik. Die künstlerische Partnerschaft mit Nicholas Rimmer ist eine beglückende, weil der Pianist auf den Klangrausch des Cellos mit wohl dosiertem Anschlag, unprätentiöser Virtuosität und perlenden Skalen einen klanglichen Gegenpol schafft, obschon beide, was Atmosphärisches und Energie anlangt, das Ruder gleich tief in das Meer an Noten tauchen.

Die vierte und fünfte Sonate, Op. 102 Nr. 1 und 2 in C-Dur und D-Dur sind 1815 entstanden und markieren bereits Beethovens späte Schaffensphase. Von disparaten Stimmungslagen bis strenge Kontrapunktik sind das ganz spezielle Stücke, vom Wiener Cellisten Joseph Linke, Mitglied im Quartett von Ignaz Schuppanzigh, inspiriert. Beethovens Schüler Carl Czerny sollte dem jungen begabten Cellisten bei der Uraufführung als Pianist zur Seite sein.

Die Erstere, von Beethoven im Autograph als ‚Freye Sonate‘ betitelt, begegnet uns ungeachtet ihrer Zweisätzigkeit quasi una fantasia als ein improvisiert wirkendes, übergangsloses Stück. Die interpretatorische Qualität von Schwabe und Rimmer erwächst nicht zuletzt daraus, dass sie der Musik entsprechend süßere oder auch herbere Töne anschlagen, gedämpfter die Tonträume ausleuchten, knapper, akzentuierter und abgeklärter agieren. In der fünften Sonate haben wieder die Gegensätze das Oberwasser, Dur und Moll, Vitalität und Solennität der letzten Dinge bis zur vierstimmigen Fuge im letzten Satz.

Voller Elastizität und federnder Tastenakrobatik erklingen die 12 Variationen über den eingängigen Refrain ‚See the conqu‘ringhero comes‘ aus Händels „Judas Maccabäus“. Beethoven liebte Händels Musik, und lässt in diesen unterhaltsam-sprühenden Variationen den Pianisten vorführen, was er kann. Und Nicholas Rimmer kann, während Gabriel Schwabe seinem Cello noch einmal alle Sanglichkeit und vibrierende Sonorität entlockt, deren ein Cello überhaupt fähig ist.

Beethovensche Seelennahrung, von Schwabe und Rimmer gar köstlich und appetitanregend zubereitet. Uneingeschränkt genussreich.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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