CD BACH: WEIHNACHTSORATORIUM – Bachchor und Bachorchester Mainz; Ralf Otto – NAXOS
Nach der Johannespassion hat Ralf Otto mit den kundigen vereinten Kräften der Mainzer Bachpflege, dem Bachchor und dem Bachorchester der Stadt, nun das Weihnachtsoratorium aufgenommen. Bis 2020 sollen zwei weitere Aufnahmen von großen Vokalwerken Bachs bei Naxos folgen. Es darf angenommen werden, dass es sich dabei um die Matthäuspassion und die h-Moll Messe handelt.
In Sachen Weihnachtsoratorium, BWV 248, ist es bereits Ralf Ottos zweite Aufnahme. 1991 waren Ruth Ziesak, Monica Groop, Christoph Pregardien und Klaus Mertens die Solisten. Das von R. Otto gegründete Vocal Ensemble Frankfurt sowie das Concerto Köln bildeten die chorischen und instrumentalen Achsen. Bei der im Dezember 2017 in der Christuskirche Mainz entstandenen Einspielung firmieren Julia Kleiter (Sopran), Katharina Magiera (Alt), Georg Poplutz (Tenor) und Thomas E. Bauer (Bass) als die aufeinander eingeschworene Solistenschar.
Seit 1986 leitet Ralf Otto die Geschicke des 1955 gegründeten Bachchors in Mainz. Die Musik Bachs quillt aus allen Poren des illustren Vokalensembles, das sich in regelmäßigen Aufführungen von Kantaten und Passionen ein enormes Wissen um die Partituren und einen untrüglichen Instinkt für die Stilistik und den Atem dieser Musik erworben hat. Auf der CD ist die in variabler Größe aufsingende Formation mit zehn Sopran-, neun Alt-, acht Tenor- und zehn Bassstimmen vertreten. Ganz organisch und in elastischem Miteinander werden die Chöre und Choräle musiziert. Die raschen Läufe in den kontrapunktischen Teilen perlen in spielerisch anmutender Präzision. Klangliche Schönheit und Ausgewogenheit der einzelnen Stimmgruppen bilden die Basis einer ausgefeilten Phrasierung, Crecsendi und Decrescendi blühen in exquisiter Eleganz und vielgestaltig geformten Bögen. Eine Feststunde höchster chorischer Qualität.
Das Bachorchester Mainz spielt auf historischen Instrumenten. Transparenz, das Auskosten der Charakteristika der Soloinstrumente in den Arien und in kammermusikalischer Manier behutsam gesetzte expressive Akzente verweisen auf eine klug austarierte, klassische Lesart des beliebten Oratoriums ohne unnütze Experimente. Ralf Otto präferiert einen emotional dichten, sehnigen Klang. Der Zuhörer weiß nicht, ob das Orchester den Chor und die Solisten stützt oder es umgekehrt ist, so natürlich fließen Vokales und orchestrale Spektralfarben harmonisch ineinander. Wer in diesem unendlich delikaten Flechtwerk jeweils tonangebend, Ausdrucksträger und Handlungstreiber ist, entspringt einer fein angelegten Choreographie aus Wort, Deklamation sowie instrumentalem und stimmlichem Dialogisieren.
Von den Solisten möchte ich besonders Thomas E. Bauer hervorheben, der in seiner Arie „Erleucht auch meine finstre Sinnen“ beste Erinnerungen an Dietrich Fischer-Dieskau weckt. Dass die übrigen Solisten neben der expressiven vokalen, durch individuelle Timbres gestützten Gestik auch das kammermusikalische Miteinander beherrschen, darf anhand des Terzetts „Ach, wenn wird die Zeit erschienen“ im fünften Teil nachgeprüft werden. Eine Neuaufnahme, die durch ihren großen Bogen, die kleinen Zwischentöne und das Feintuning aller Mitwirkenden, aber auch durch Tempo und Noblesse besticht.
Dr. Ingobert Waltenberger