CD BACH H-MOLL MESSE – La Cetra Basel unter Andrea Marcon; Arcana
Zum 25-jährigen Jubiläum von La Cetra
„N.B. Bey einer Andächtig Musiq ist allezeit Gott mit seiner Gnaden Gegenwart.“ Aus Bachs Calov-Bibel
Bach ist in. Kürzlich hat den Opus Klassik 2024 in der Kategorie Bestseller kein Tenor-Recital und auch kein leicht verdauliches Neues Klassik Album errungen, sondern die Goldberg-Variationen, gespielt von Víkingur Ólafsson. Kein Wunder, dass der isländische Pianist nun mit dem Album „Continuum“ überwiegend mit Eigenarrangements von Musik aus Bach-Kantaten nachlegt.
Andrea Marcon hat mit seinem Instrumental- und seit 2012 auch Vokalensemble La Cetra Basel Johann Sebastian Bachs h-Moll Messe BWV 232 in der Martinskirche Basel eingespielt. Unterstützt von den Solisten Miriam Feuersinger (Sopran I), Hana Blažíková Sopran II), Carlos Mena (Alt), Jakob Pilgrim (Tenor) und Tobias Berndt (Bass) ist eine lebendig atmende, musikalisch am Herzschlag pulsierende, spirituell tiefschürfende Einspielung entstanden.
Rein aufführungspraktisch betrachtet, hat Marcon großes Augenmerk auf das nicht ausbalancierte klangliche Gleichgewicht zwischen Vokal- und Orchestersatz in vielen Teilen der Missa geschenkt. Zur Lösung ist er auf die historisch überlieferte Teilung der Chöre in Concertisten (Solisten) und Ripienisten gestoßen. Bezugnehmend auf die maximale Achtstimmigkeit der Messe, setzt Marcon auf ein insgesamt 24-köpfiges Vokalensemble (ohne Solisten), wobei die Concertisten nicht nur die Arien singen, sondern auch bei einzelnen Chören verstärkend zum Einsatz kommen.
Auch mit Tempi und Proportionen hat sich der erfahrenen Andrea Marcon noch einmal intensiv auseinandergesetzt, weil in den „Stylus Antiquus“ genannten Sätzen (Kyrie II, Gratias, Credo in unum Deum, Confiteor, Dona nobis pacem) Bach Angaben weder zu Tempo noch zum Ausdruck gemacht hat.
Für das Bachs unglaubliche Messkomposition „lediglich“ erfühlende und liebende Publikum sind solch „akademische“ Fragen weniger wichtig. Aber dafür umso mehr, dass es Marcon und den Seinen gelingt, diese instrumental wie vokal so anspruchsvolle Messe (jeder Chorist kann „ein Lied davon singen“) mit einer Natürlichkeit, Innigkeit und Leichtigkeit darzustellen, die sakrale Introspektion wie klanglich genießerische Opulenz gleichermaßen einschließt. Man hat das Gefühl, die La Cetra Leute, für welches Bachs h-Moll Messe lt. Marcon „mehr und mehr eine Art identitätsstiftendes Werk geworden ist“, können das im Schlaf. Vielleicht ist die Aufnahme gerade deshalb so traumhaft schön geworden.
Wir gratulieren zum auch musikalisch gelungenen Jubiläum!
Dr. Ingobert Waltenberger