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CD BACH FROM ITALY – AMANDINE BEYER und GLI INCOGNITI mit Konzerten von J. S. Bach, Antonio Vivaldi, Alessandro und Benedetto Marcello; harmonia mundi

09.10.2025 | cd

CD BACH FROM ITALY – AMANDINE BEYER und GLI INCOGNITI mit Konzerten von J. S. Bach, Antonio Vivaldi, Alessandro und Benedetto Marcello; harmonia mundi

Sinnlichkeit, Lebenslust, Licht

bach

Mit einem Cinquecento unterwegs in Italien: Sentimenti di vacanza, la dolce vita, genießerische Rituale von Aperitivi, verführerischen kulinarischen Versprechen, Espressi und einem im Vergleich zu nördlichen Gefilden sozialeren und geselligeren Miteinander. All diese Zuschreibungen können – bewusst oder subkutan – mit dem wunderbaren Cover des neuen Albums „Bach from Italy“ wie Blasen an die Oberfläche steigen.

Was hat das mit J. S. Bach zu tun? Die in Aix-en-Provence geborene französische Geigerin Amandine Beyer und ihr funkensprühendes Ensemble Gli Incogniti führen es uns vor. Das vorliegende Programm aus Konzerten von J. S. Bach, Antonio Vivaldi und den Marcello-Brüdern assoziiert Amandine Beyer mit dem Wort „Lichtbad“. Geteiltes Licht, vermitteltes Licht, gebrochenes, Licht, reflektiertes Licht, grelles Licht, gedämpftes oder verstärktes Licht“ strahlen, wenn Beyer in einer Phrase von Bach ein Glanzlicht von Vivaldi aufspürt, „einen Funken in den fließenden Sechzehntelnoten des Concerto a cinque von Benedetto Marcello entdeckt, oder den Eindruck einer glänzenden Schwerelosigkeit bei der Duodezime, die Vivaldis Konzert für vier Violinen eröffnet und den deutschen Komponisten so fasziniert hat“, vermittelt.

Mit Bach verbinden wir die Kunst der Fuge, Kantaten, Passionen, Sonaten und Partiten, aber auch eine Vielzahl an Kult gewordenen Konzerten. In einigen davon erfreut Amandine Beyer auf dem Album mit einer quicklebendigen Bogenführung und Gli Incogniti auf historischen Instrumenten mit Temperament, Elan, federndem Schwung, tänzerischem Übermut und durchsichtigem Orchesterklang: J. S. Bachs Brandenburgischen Konzerten Nr. 3, 4 und 5, seinem Concerto für zwei Violinen in d-Moll, BWV 1043, dem Oboe d’amore Concerto in A-Dur, BWV 1055R oder dem Concerto für Oboe und Violine in c-Moll, BWV 1060R.

Bach kam schon in seiner Zeit als Hoforganist und Hofkapellmeister in Weimar (1708-1717) mit Violinkonzerten von Vivaldi in Kontakt, von denen er über zehn geschickt für Cembalo oder Orgel transkribierte. Diese eindrückliche musikalische Begegnung verdankte Bach dem geigen- und cembalospielenden Prinzen Johann Ernst von Sachsen-Weimar, der nach seiner “Kavalierstour” aus den Niederlanden 1713 notenbepackt nach Weimar zurückkehrte. In den Reisekoffern sollen sich u.a. Vivaldis Violinkonzerte Opus 3 und 4, „L’estro armonico“ bzw. „La Stravaganza“ befunden haben. Von wem auch immer der Auftrag stammte, Bach schrieb eine beachtliche Anzahl an Konzertarrangements von Vivaldi Kompositionen für Cembalo und für die Orgel.

In Köthen, wo sich Bach 1717 bis 1723 aufhielt, vertiefte er sich weiter in die Instrumentalmusik italienischer Meister. Bach schien der lebensfrohen, in ihrer meisterlichen Leichtigkeit kunstvollen wie in manch langsamen Sätzen morbiden venezianischen Musik förmlich verfallen zu sein. Er begann kompositorische Muster des verehrten Vivaldi oder der Fratelli Marcello in sein eigenes Schaffen zu integrieren.

Als Bach 1717auf den bei Vivaldi in Venedig ausgebildeten Geiger Georg Pisendel in Dresden traf, kopierte er wieder einmal einen Berg mitgebrachten Notenmaterials. Ihrer beider offenbar geteilte Leidenschaft mündete zudem in die Komposition der äußerst virtuosen Concerti BWV 1041 bis 1043 für dieses Instrument.

Aber auch in Sachsen förderte die Vorliebe der Kurfürsten August der Starke und Friedrich August II. für italienische und französische Musik Bachs alle diese Einflüsse amalgamierenden Stil.

Auf dem auf dem Cover abgebildeten Fiat ist die von Amandine Beyer stammende Aufschrift Non sei solo“ zu sehen. Die Sonaten und Partiten für Violine solo, BWV 1001–1006, heißen im Originaltitel nämlich „Sei Solo“. Dabei ist nicht klar, ob hier ein Schreibfehler Bachs („Sei soli“ müsste es heißen, wenn man davon ausgeht, dass damit die sechs Werke für Violine solo gemeint sind) vorliegt oder ob Bach absichtlich „Du bist allein“ gemeint hat. Amandine Beyer verweist programmatisch auf diesen Doppelsinn und die Metaphorik des „Non“, dass all die italienischen Freunde, denen Bach nie persönlich begegnen sollte, sagen wollten, er sei „in seiner Suche nach den himmlischen Harmonien nicht allein und flüsterten ihm über die Manuskripte zu ‚Non sei solo‘.“

Auf jeden Fall macht das Album in der den mediterranen Part von Bachs Inspirationen offenlegenden Gegenüberstellung glauben – wenn man es nicht besser wüsste – dass es sich um rein italienische Stücke handelt. Die Interpretation durch die flippige wie verzierungssportliche Amandine Beyer ist ebenso vergnüglich und unterhaltsam wie das flotte bis farbenblitzend abschattierte Spiel von Gli Incogniti, wobei die Leistungen von António Godinho, Pedro Sousa Silva (Flöten), Manuel Granatiero (Querflöte) und Emmanuel Laporte (Oboe) als besonders erinnerungsstark hervorzuheben wären.

  • Johann Sebastian Bach: Brandenburgische Konzerte Nr. 3-5 BWV 1048, 1049, 1050; Konzert d-Moll BWV 1043 für 2 Violinen, Streicher; Konzert A-Dur BWV 055r für Oboe d’amore, Streicher; Konzert D-Dur BWV 1064R für 3 Violinen, Streicher; Oboenkonzert c-Moll BWV 1060R
  • Antonio Vivaldi: Konzert d-Moll RV 565 für 2 Violinen, Cello, Streicher; Konzert h-Moll RV 580 für 4 Violinen, Cello, Streicher
  • Alessandro Marcello: Oboenkonzert d-Moll
  • Benedetto Marcello: Violinkonzert e-Moll

Fazit: Ein imaginiert sonnendurchwirkter Urlaub vom geräuschvollen Alltag und musikalisches Genießertum zu Hause auf der Couch. Was braucht man bei diesem Wetter mehr?

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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