Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

CD: Bacewicz, Lutoslawski, Szymanowski Royal Scottish National Orchestra Thomas Søndergård, musikalische Leitung LINN CKD 758

28.03.2025 | cd

Im Bann des Klangs – Thomas Søndergård und das Royal Scottish National Orchestra

sondg

Schon mit den ersten Takten dieser Aufnahme spürt man, dass hier eine musikalische Reise beginnt, die nicht nur das Ohr, sondern auch die Seele berührt. Thomas Søndergård und das Royal Scottish National Orchestra widmen sich drei Meilensteinen der polnischen Orchesterliteratur – Werke, die unterschiedlicher kaum sein könnten und doch auf faszinierende Weise miteinander verwoben sind. Die Zusammenstellung vereint Grażyna Bacewicz’ energiegeladene „Overture for Orchestra“, Witold Lutosławskis schillernde dritte Sinfonie und Karol Szymanowskis farbige „Symphonic Fantasy on ‚King Roger’“ – ein Programm, das stilistische Vielfalt und orchestrale Brillanz verspricht.

Grażyna Bacewicz war eine der herausragenden Komponistinnen Polens im 20. Jahrhundert, die mit ihrer eigenständigen Tonsprache eine beeindruckende Synthese aus Neoklassizismus, folkloristischen Einflüssen und modernem Ausdruck fand. Ihre „Overture for Orchestra“, entstanden 1943 während des zweiten Weltkriegs, ist ein kompaktes, mitreißendes Werk voller Vitalität. Thomas Søndergård führt das Royal Scottish National Orchestra mit Präzision, aber auch mit einer wunderbaren Elastizität, die den tänzerischen Unterton der Musik unterstreicht. Der Blechbläsersatz strahlt und die Streicher glänzen mit rasanter Artikulation, so dass diese CD spannend beginnt.

Mit Lutosławskis dritter Sinfonie betreten wir ein völlig anderes klangliches Universum. Lutosławski, einer der bedeutendsten polnischen Komponisten des 20. Jahrhunderts, entwickelte eine einzigartige musikalische Sprache, die Elemente der Aleatorik mit orchestraler Kraft verband. Die 1983 uraufgeführte Sinfonie, an der der Komponist fast zehn Jahre arbeitete, ist ein Meisterwerk der Formgestaltung. Sie beginnt mit einem einzelnen, markanten Es-Ton der Trompete – ein Signal, das sich wie ein Suchscheinwerfer durch das Werk zieht. Søndergård versteht es, die inneren Spannungen der Musik zu beleben: Wie ein Architekt baut er die Klangmassen auf, lässt sie mit unerbittlicher Logik zusammenbrechen und aus den Trümmern neue Gestalten erwachsen. Besonders beeindruckend gelingt das Wechselspiel zwischen den statischen, fast zerbrechlichen Momenten und den gewaltigen Tutti-Eruptionen, bei denen das Royal Scottish National Orchestra mit maximaler Wucht auftrumpft. Die Holzbläser agieren mit feinen Linien, während das Blech in den ekstatischen Höhepunkten mit Intensität leuchtet. Es ist eine packende Interpretation, die die existenzielle Dramatik des Werks eindrucksvoll offenlegt.

Den Abschluss bildet Szymanowskis „Symphonic Fantasy on ‚King Roger’“, eine symphonische Synthese seines Opernmeisterwerks „Król Roger“. Karol Szymanowski gilt als bedeutendster polnischer Komponist der frühen Moderne, der mit seinen Werken eine faszinierende Klangwelt schuf, die Elemente des Impressionismus, der Spätromantik und orientalischer Musik vereint. Seine Oper „Król Roger“, 1926 uraufgeführt, erzählt von der inneren Zerrissenheit des sizilianischen Königs Roger II., der zwischen Vernunft und leidenschaftlicher Ekstase schwankt. Die „Symphonic Fantasy“ greift zentrale Motive der Oper auf und verdichtet sie zu einem rauschhaften orchestralen Panorama. Søndergård und das Royal Scottish National Orchestra zelebrieren diesen impressionistischen Farbenrausch mit spürbarer Hingabe. Die Streicher breiten samtige Klangteppiche aus, über denen Holz- und Blechbläser in irisierenden Schattierungen glänzen. Besonders beeindruckend ist die Art und Weise, wie Søndergård das dynamische Spektrum auslotet: Die leisen Passagen sind von einer fast unheimlichen Zartheit, während die Steigerungen mit einem Rausch an orchestraler Ekstase enden. Man spürt in jedem Moment die dramatische Essenz des „Król Roger“-Stoffes – eine Musik, die zwischen mystischer Entrückung und leidenschaftlichem Aufbegehren schwingt.

Die Aufnahme profitiert von einer exzellenten klanglichen Umsetzung. Der warme, weiträumige Klang sorgt für eine plastische Durchhörbarkeit der Instrumentengruppen und gibt dem Royal Scottish National Orchestra den nötigen Raum zur Entfaltung. Besonders die Transparenz der Mittellagen und der fein ausbalancierte Bassbereich tragen dazu bei, dass selbst in den dichtesten Momenten keine Details verloren gehen.

Diese Einspielung ist eine Einladung, sich von drei herausragenden Werken der polnischen Orchesterliteratur verzaubern zu lassen. Søndergård und das Royal Scottish National Orchestra finden für jedes Stück eine eigene klangliche Handschrift – von Bacewicz’ sprühender Vitalität über Lutosławskis strukturelle Raffinesse bis hin zu Szymanowskis sinnlichem Farbenrausch. Eine packende, klanglich brillante Aufnahme, die mit jeder Note fesselt.

Dirk Schauß, im März 2025

Bacewicz, Lutoslawski, Szymanowski

Royal Scottish National Orchestra

Thomas Søndergård, musikalische Leitung

LINN CKD 758

 

Diese Seite drucken