CD ARSENIS SELALMAZIDIS & TAMARA ELIZBARASHVILI – „Capriccio Malinconico“: Virtuose Geigenkunst trifft auf Eigenkomposition; ARS Produktion 2025
„Ein tiefgehendes Musikerlebnis als Chance, um sich zu verlangsamen und im hektischen Rhythmus der Moderne einen Moment innezuhalten.“ – Arsenis Selalmazidis
Feinziseliert, schwerelos, filigran, ätherisch – wenn sich beim Hören schon nach den ersten Tönen solche Attribute und Sinneseindrücke aufdrängen, dann hat ein Musiker auf jeden Fall schon mal seine Botschaft vermittelt. Der Geiger Arsenis Selalmazidis, 1990 in Russland geboren und nach seiner Übersiedlung nach Griechenland unter anderem bei Zakhar Bron in Köln ausgebildet, beweist genau dies auf seiner neuen Duo-Aufnahme zusammen mit der Pianistin Tamara Elizbarashvili. Allein die Konzeption macht schon neugierig: Drei der sechs präsentierten Stücke stammen aus der Feder von ihm selbst, während drei Kompositionen von Alfred Schnittke, Gabriel Fauré und Maurice Ravel die Farbpalette bereichern, die von gemeinsamer Augenhöhe zwischen sämtlichen zu hörenden Werken lebt.
Das einleitende „Capriccio Malinconico“ strapaziert mit facettenreichen Staccati und präziser Akzentuierung alle rhetorischen Möglichkeiten des solistischen Spiels aus dem Geist der Gegenwart heraus. Hierbei schafft Selalmazidis eine zeitlos erhabene, präludierende Struktur, die eine direkte Verbindung von Bachs Solowerken mit zeitgenössischen Ausdrucksformen herzustellen vermag – eine starke Visitenkarte des Künstlers, der nach seiner Übersiedlung nach Griechenland und dem Studium unter anderem bei Zakhar Bron in Köln internationale Anerkennung fand.
Auch das „Poem“ und „Inner Light“ – die anderen Eigenkompositionen – überzeugen durch ihre eigenständige Klangsprache. Im „Poem“ baut Selalmazidis auf den Arpeggien des ersten Stückes auf, schafft jedoch durch nuancenreiches Spiel und reizvolle Glissando- und Pizzicato-Passagen Momente kontemplativer Innenschau. „Inner Light“ wiederum bildet mit seiner ätherischen Magie in der Klangverschmelzung einen meditativen Gegenpol zur Virtuosität, wobei mächtige Spannungsbögen aus scheinbar einfacher Struktur dem Stück eine raumgreifende Weite verleihen.
Meisterhafte Interpretationen des klassischen Repertoires
Gabriel Faurés sinnliches Charakterstück „Après un rêve“ interpretieren Selalmazidis und Elizbarashvili im entschleunigten Duospiel ganz aus der Tiefe heraus. Die subtile Tonformung hin zu Größe und Grandeur schlägt wiederu eine natürliche Brücke zu Selalmazidis‘ eigener Klangsprache in der wirkungsvollen Dramaturgie dieses CD-Programms.
Mit Alfred Schnittkes „A Paganini“ demonstriert Selalmazidis sein ganzes Potenzial, wenn es um hochkonzentrierte Durchdringung der vielen Kontraste in der Musik des 20. Jahrhunderts geht. Die heiklen Doppelgriffe und Flageoletts meistert er mit spielerischer Leichtigkeit, während der organische Wechsel zwischen Strich und Pizzicati und die bewusste Vermeidung eines plakativen „Teufelsgeigenspiels“ von interpretatorischer Reife zeugen. Elizbarashvili sorgt am Klavier mit markantem Anschlag, auch in leisen Phasen dominant, für das harmonische Fundament, auf dem sich die Geigenstimme in der ganzen Spiellust dieses Interpreten (und auch Komponisten) entfalten kann.
Geschmeidig und wirkt schließlich der Übergang zu Maurice Ravels Violinsonate Nr. 2, deren zweiter Satz „Blues“ bereits selbst Grenzen zwischen verschiedenen Musikwelten überschreitet und somit ein gelungenes Fazit für die Programmatik dieser außergewöhnlichen CD formuliert. Die aus Tiflis stammende Pianistin Tamara Elizbarashvili erweist sich in jedem Moment als ideale Partnerin. Mit feinnervigem Anschlag und präziser Phrasierung meistert sie die Balance zwischen Führen und Begleiten souverän.
Das Album „Capriccio Malinconico“ von Arsenis Selalmazidis und Tamara Elizbarashvili bietet einen erfrischenden Mehrwert über die reine interpretatorische Exzellenz hinaus, wenn hier ein Musiker eigenständige Beiträge zur Entwicklung der Kammermusik liefert. Für den Hörer offebart sich dabei ein farbenreiches Klangerlebnis, das lange nachwirkt.
Stefan Pieper