Majestätischer Bruckner
Das Jahr 2024 markiert nicht nur den 200. Geburtstag von Anton Bruckner, sondern auch den 100. Geburtstag des legendären Dirigenten Stanislaw Skrowaczewski, der als einer der herausragenden Bruckner-Interpreten des 20. Jahrhunderts in die Geschichte einging. In Kooperation mit Denon veröffentlicht MDG eine gelungene Live-Aufnahme von Bruckners 8. Sinfonie mit dem Yomiuri Nippon Symphony Orchestra, einem der besten Orchester in Japan, das für seine hohe Klangkultur und stilistische Bandbreite bekannt ist. Stanislaw Skrowaczewski, der fast 93 Jahre alt war, als er diese Aufnahme dirigierte, verleiht Bruckners letzter vollendeter Sinfonie die Erfahrung einer acht Jahrzehnte dauernden Bühnenkarriere. Das Ergebnis ist ein bewegendes Vermächtnis und eine doppelte Krönung seines Lebenswerks. Schon beim ersten Satz, dem „Allegro moderato“, wird die außergewöhnliche Kompetenz des Dirigenten deutlich. Skrowaczewski versteht es meisterhaft, die Spannung zu halten und die komplexe Partitur aufzuschlüsseln. Sein ausgezeichnetes Tempoverständnis ermöglicht es dem Orchester, die Nuancen der Dynamik zu erfassen, und er gestaltet große Steigerungen mit einer fesselnden Leidenschaft. Der Dirigent vermittelt dem Zuhörer ein Gefühl von Gewissheit – so und nicht anders sollte die Sinfonie erklingen. Im anschließenden „Scherzo“ zeigt Skrowaczewski sein Können in der Gestaltung von Kontrasten. Das Orchester unter seiner Leitung bringt die rhythmische Energie dieses Scherzos mit beeindruckender Präzision zum Ausdruck. Die Holz- und Blechbläser brillieren, während die Streicher und die Pauken eine fabelhafte Unterstützung bieten. Das lange „Adagio“ ist der Höhepunkt der Sinfonie und Skrowaczewski verleiht ihm eine feierliche Atmosphäre. Der dunkle Klang der Wagner-Tuben, als Hommage an Bruckners verehrtes Vorbild Richard Wagner, betont die Erhabenheit dieses Satzes. Die Integration der Harfen, einzigartig in Bruckners Sinfonien, verleiht dem Adagio eine zusätzliche transzendentale Dimension. Sehr direkt stellt Skrowaczewski die Dissonanzen den harmonischen Auflösungen gegenüber. Ein kleines, aber hoch bedeutendes Detail gelingt in dieser Aufnahme derart perfekt, wie in kaum einer anderen Aufnahme. Bruckner schrieb für großen Höhepunkt im Adagio zur Ergänzung zwei Beckenschläge und Triangel. Fast immer wirken diese oft zu zurückhaltend. Ganz anders hier: es sind Überwältigunsmomente voller Wucht und Glanz! Das Finale, mit seinen bewegten Reiterrhythmen zu Beginn, setzt einen monumentalen Schlusspunkt unter dieses beeindruckende Werk. Skrowaczewski führt das Orchester mit größter Kompetenz durch die herausfordernden Passagen und schafft einen kraftvollen Abschluss, der den Hörer in Ehrfurcht versetzt. Das Yomiuri Nippon Symphony Orchestra erweist sich als exzellenter Partner unter Skrowaczewskis Leitung. Die herausragenden Holz- und Blechbläser, die sonoren Streicher und das fabelhafte Schlagzeug tragen maßgeblich zum Gesamtklang bei. Die Klangqualität der Aufnahme ist besonders bemerkenswert, da sie die Liveatmosphäre gut einfängt und dem Hörer das Gefühl gibt, direkt vor dem Orchester zu sein, wobei dennoch alle Details sehr gut zu hören sind. Zum Abschluss sei festgehalten, dass diese Live-Aufnahme von Anton Bruckners 8. Sinfonie unter der Leitung von Stanislaw Skrowaczewski nicht nur ein Tribut an den großen Komponisten ist, sondern auch an einen Dirigenten, dessen Hingabe und Fähigkeiten das musikalische Erbe auf einzigartige Weise weitertragen. Diese CD ist somit nicht nur ein wertvolles Dokument, sondern auch ein beeindruckendes Zeugnis für die zeitlose Schönheit von Bruckners Musik und die außergewöhnliche Interpretationskunst von Stanislaw Skrowaczewski.
Dirk Schauß, im Januar 2024
Anton Bruckner
Sinfonie Nr. 8
Yomiuri Nippon Symphony Orchestra
Stanisław Skrowaczewski, Leitung
MDG 650 2307-2