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CD: Anastasia Yasko: 20th Century Russian Piano Sonatas – Vol. 2

02.03.2025 | cd

Anastasia Yasko: 20th Century Russian Piano Sonatas – Vol. 2

Sergei Rachmaninoff: Klaviersonate Nr. 1 in d-Moll op. 28 – Dmitri Shostakovich: Sonate Nr. 2 op. 61 – Dmitri Kabalevsky: Sonate Nr. 3 op. 46 – Anastasia Yasko, Klavier; ARS 2025

Russisches Sonaten-Triptychon

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Wer nach etwas verborgenen Schätzen im Repertoire sucht, der kann bei den klanglich-historischen Expeditionen der russischen Pianistin Anastasia Yasko fündig werden. Auf ihrem zweiten Album setzt sie ihre interpretatorische Expedition durch die Klaviersonaten aus der Feder ihrer Landsleute mit überzeugender Tiefenschärfe fort. Auf dem Volume 2 geht es nun um Sergei Rachmaninoffs Klaviersonate Nr. 1 in d-Moll op. 28, Dmitri Schostakowitschs Sonate Nr. 2 op. 61 und Dmitri Kabalewskys Sonate Nr. 3 op. 46.

Diese drei Werke aus drei unterschiedlichen musikhistorischen Epochen könnten in ihrem Ausdruckscharakter kaum verschiedenartiger sein. Dem individuellen einfühlsamen Spiel dieser Interpretin ist es aber zu verdanken, dass auf dieser Aufnahme das Verbindende mehr Kraft hat als historische Epochenbrüche.

Rachmaninoffs monumentale Klaviersonate Nr. 1 in d-Moll op. 28 entfaltet mit ihren virtuosen Kaskaden einen unwiderstehlichen Sog. Anastasia Yasko lässt die architektonischen Strukturen dieser komplexen Partitur mit beeindruckender Präzision und noch mehr Einfühlungsgabe aufleuchten. Besonders beeindruckt die Transparenz ihres Spiels, die auch in dichtesten Passagen nie verloren geht. Die Sonate ist längst nicht mehr Selbstzweck – auch nicht bei Rachmaninow, der verschiedene aufschlussreiche Referenzpunkte in dieser Komposition offenlegt. Hinter der ganzen Architektur dieses Werks steht eine Auseinandersetzung mit Goethes Faus, ebenso sind Spurenelemente aus Beethovens Sinfonik mit dieser Tonsprache verwoben und nach einem introspektiven Lento-Satz besticht der dritte Satz durch seine raffinierte Adaption des „Dies-Irae“-Motivs, das aber gar nicht so schicksalsschwer drohend, sondern in seinen subtilen Abwandlungen deutlich hintergründiger als in vielen anderen Adaptionen der Musikgeschichte wirkt.

Anastasia Yaskos kluger interpretatorischer Ansatz, der analytische Klugheit mit vitaler Spielfreude verbindet, ist auch im weiteren eine sichere Bank. In Dmitri Schostakowitschs Sonate Nr. 2 op. 61 entsteht daraus viel analytische Klarheit, um die ausgiebigen kontrapunktischen Strukturen zu erkunden. Ja, man könnte in dieser Musik – dem historisch-programmatischen Bezug Rechnung tragend, noch deutlich stärker mit fahlen Klangfarben und scharfen Brüchen arbeiten. Anastasia Yaskos Sache ist eine solche Über-Interpretierung nicht und das kommt auf jeden Fall jener tiefen Musikalität zugute, die Schostakowitschs innovativem Tonsatz innewohnt. Nicht nur, aber vor allem dann, wenn viele rätselhaften Melodielinien auf modaler Struktur bauen, so dass eine unterschwellige Prise Jazz aufblitzt.

Am meisten überrascht auf diesem Tonträger Dmitri Kabalewskys Sonate Nr. 3 op. 46 und auch hier lässt Anastasia Yaskos angenehm physischer Zugriff beim Spiel den roten Faden nicht abreißen – ganz im Gegenteil. Das vermeintlich leichtgewichtige, aber unter der Oberfläche doch viel ironischere Werk spricht seine ganz eigene Sprache, vor allem, wenn Anastasia Yasko die ausgiebigen perkussiven Verdichtungen und virtuosen Figurationen wie natürliche Kraftströme durch die Klaviatur fließen lässt. Der wilde Baba-Jaga-Tanz des Finales gerät zum Höhepunkt pianistischer Gestaltungskunst, ohne dabei je die musikalische Substanz zu vernachlässigen.

Die Verschmelzung von Yaskos technischer Meisterschaft mit ihrer intellektuellen Durchdringung des Notentextes macht diese Einspielung zu einer erfrischenden Repertoire-Bereicherung. Wenn auch ihr charakteristischer Anschlag manchmal noch subtile Bandbreite an koloristischer Abstufungen vertragen könnte, überzeugt Anastasia Yaskos interpretatorischer Weitblick in Bezug auf das Große Ganze, wenn analytische Präzision und pianistische Passion zur Einheit kommen. Denn hier wird der Musik vorurteilsfrei mit wachem Geist und offenem Ohr begegnet, was auch immer etwas mit Wiederentdeckung

Stefan Pieper

 

 

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