CD AMY BEACH: Symphony „Gaelic“, Konzertarien und Lieder für Orchester – MÜNCHNER SYMPHONIKER unter JOSEPH BASTIAN, drei Weltersteinspielungen
Veröffentlichung: 28.3.2025
Auf den Namen Amy Beach bin ich kürzlich gestoßen, als ich das neue Album der österreichischen Pianistin Mitra Kotte „Herstory“ anhörte. Auf dieser über ein Jahrhundert an Klaviermusik solo von Komponistinnen durchlaufenden, sehr lohnenden Neuerscheinung (A Century of Inspiring Female Composers) stellt Kotte u.a. Amys Stück ‚Dreaming‘ aus den „Four Sketches“ Op. 15 vor.
Die 1867 geborene Amerikanerin Amy Beach muss ein unglaublich frühreifes wie hartnäckiges Wunderkind in musikalischen Dingen gewesen sein. Ab dem vierten Lebensjahr machte sie mit ihren melodischen Einfällen auf sich aufmerksam. Amy wurde zuerst von ihrer Mutter und später u.a. vom Liszt-Schüler Carl Baerman im Klavierspiel unterrichtet. Die Musik und Farben miteinander denkende junge Synästhetikerin durfte zwar nicht nach Deutschland reisen, um sich von Clara Schumann ausbilden zu lassen, schaffte es aber schon als 16-Jährige in Boston, ein eigenes Werk zu publizieren und als Solistin mit dem g-Moll Klavierkonzert von Ignaz Moscheles öffentlich zu glänzen.
Im Komponieren im Wesentlichen Autodidaktin (angeblich soll Hector Berlioz’ Instrumentationslehre hilfreich gewesen sein) änderte sich vieles, als Amy den 25 Jahre älteren Arzt Henry Harris Aubrey heiratete. Dieser Macho beschränkte massivst Amys Konzerttätigkeit auf einen Auftritt pro Jahr und ließ ihre Kompositionen unter seinem Initialen H.H.A veröffentlichen.
Allen Widrigkeiten zum Trotz gelang Amy Beach der große Durchbruch mit der Uraufführung der „Gaelic Symphony“ in e-Moll, Op.32 im Jahr 1896, der ersten Symphonie einer amerikanischen Komponistin ever. Geschickt verarbeitete sie altengliche, schottische und irische Melodien zu einem großartigen symphonischen Landschaftspanorama. Ihr unüberhörbar großes Vorbild Antonin Dvořák (er weilte von 1892 bis 1895 in New York) diente mit seiner Neunten Symphonie „Aus der Neuen Welt“ nicht nur als musikalische Inspiration, sondern in der von ihm mitbegründeten nationalen Schule auch als kreativ-philosophische Quelle.
Gerade weil er in seinen Werken mit explizitem Amerika Bezug (9. Symphonie, Amerikanisches Streichquartett in F-Dur, Op. 96) thematische Anleihen bei amerikanischen Ureinwohnern und afrikanischer Musik (Spirituals) mit slawischen Tänzen so genialisch in Einklang bringen konnte, traute sich Amy den sozusagen spiegelbildlichen Pfad einzuschlagen. Sie bezog sich auf einige von britischen und irischen Vorfahren überlieferte Melodien. „Der erste Satz und das zackige Finale aus einem keltischen Thema aus ihrem eigenen Lied „Dark ist he Night“ über eine stürmische Seereise, die beiden Mittelsätze auf sanften irischen Volksliedern.“ Clemens Matuschek.
Diese klassische viersätzige, „Herrn Capellmeister Emil Paur“ gewidmete Symphony schwelgt in genüsslich sehnsuchtsseligen Melodien, denkt in ihrer reichen Tonmalerei Filmmusiken voraus und vermag mit strukturell wirksamen Kontrasten Spannung zu vermitteln.
Die Münchner Symphoniker setzen in ihrer atmosphärisch gut ausbalancierten, dichten Wiedergabe auf einen seidig vibrierenden Streicherklang. Im temperamentvollen Allegro di molto des vierten Satzes lässt das charakterstarke Holz und vor allem das goldene Blech aufhorchen.
Joseph Bastian weiß das Orchester zu einem dynamisch bewegten, klangsinnlichen Spiel zu animieren, das sich im Finale zu einer pompös rauschhaften Apotheose steigert. Als ehemaliger Assistent von Mariss Jansons, Daniel Harding und Vladimir Jurowski sowie als Bassposaunist des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks ist Bastian zudem spürbar als aktiver Orchestermusiker erfahren.
Dass dieser engagierte Dirigent, dem die Aufnahme merklich ein Herzensanliegen ist, auch einen Sinn für Theatralik und opernhafte Effekte hat, erfährt der Hörer spätestens bei der Szene und Arie „Eilende Wolken, Segler der Lüfte“, Op. 18 (nach Worten aus ‚Maria Stuart‘ von Friedrich Schiller: Eilende Wolken! Segler der Lüfte! Wer mit euch wanderte, mit euch schiffte! Grüßet mir freundlich mein Jugendland! Ich bin gefangen, ich bin in Banden, Ach, ich hab’ keinen andern Gesandten! Frei in Lüften ist eure Bahn, Ihr seid nicht dieser Königin unterthan). In dieser romantischen Arie begeistert die aus Arizona stammende Angela Brower mit ihrem in allen Lagen ausgeglichenen, grandios pastosen Mezzo mit einer intensiven Interpretation. Was für eine erfreuliche Weltersteinspielung.
Um solche handelt es sich auch bei der für Marcella Craft geschriebenen Konzertarie für Sopran „Jephthah’s Daughter“ Op. 53 aus dem Jahr 1903 und dem Orchesterlied „Extase“ nach einem Text von Victor Hugo für Sopran und Orchester, Op. 21, Nr.2, vorgetragen von der deutsch französischen Sopranistin Camille Schnoor.
Den beschwingt duftigen Abschluss des Albums bildet der ursprünglich für Klavier komponierte, später von Amy Beach orchestrierte Walzer „Bal masqué“, Op. 22.
Dr. Ingobert Waltenberger