Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

CD ALICE SARA OTT: JOHN FIELD – sämtliche NOCTURNES; Deutsche Grammophon

07.02.2025 | cd

CD ALICE SARA OTT: JOHN FIELD – sämtliche NOCTURNES; Deutsche Grammophon

otz

„Man schwärmte über sein musikalisches Genie und darüber, dass er sogar betrunken noch eine unfassbare Kontrolle über seine Feinmotorik hatte: aber es wird auch ein chaotischer Mensch beschrieben, der manchmal sogar eigene Konzerttermine vergaß und dessen Vorliebe für französischen Champagner und Cognac sich zu einer Sucht entwickelte, die später seiner Gesundheit stark zusetzte und ihm den Spitznahmen ‚Drunken John‘ einbrachte.“ Alice Sara Ott

Um Raritäten oder heute weitgehend unbekannte Werke handelt es sich nicht mehr. Allzu bedeutend ist das von John Field erfundene Genre „Nachtstücke“ in Anbetracht der Wunderwerke, die etwa Frédéric Chopin, Carl Czerny, Clara Schumann oder Sergei Rachmaninov unter dieser Bezeichnung zu schaffen wussten. Ein Blick in den Katalog genügt, um festzustellen, dass es eine ganze Reihe an einschlägigen Aufnahmen der Field-Nocturnes gibt, darunter Einspielungen mit Tyler Hay, Ewa Poblocka, Stefan Irmer, Roberte Mamou, Benjamin Frith oder Miceal O’Rourke. Bei DECCA ist 2016 eine leider schon gestrichene Gesamtedition mit Elizabeth Joy Roe erschienen.

Nun hat sich die deutsch-japanische Pianistin Alice Sara Ott an Field herangewagt. Denn einfach ist es nicht, diese poetisch verzärtelt ziselierten, atmosphärisch wenig abwechslungsreichen Stücke so zu interpretieren, dass der Hörer am Ball bleibt.

John Field war ein irischstämmiger Komponist, virtuoser Pianist und Pädagoge an der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert. In London wurde Field Muzio Clementi-Schüler, dem er über Paris bis nach St. Peterburg folgte. Dort und später in Moskau, wo er 1837 an den Folgen einer Krebserkrankung starb, verbrachte er den Großteil seines Lebens.

Musikalisch ist er heute als Schöpfer von 18 Nocturnes, einsätzigen romantisch-liedhaften Charakterstücken für Klavier, sowie von vier Klaviersonaten und sieben Klavierkonzerten bekannt. Was aber vielleicht noch wichtiger scheint: Field war gemeinsam mit seinem Schüler Michael Glinka der Stammvater der zu Recht legendären Russischen Schule des Klavierspiels.

Alice Sara Otts kluges Statement, dass es ihr bei dieser Aufnahme nicht um einen Vergleich ging, sondern um „eine persönliche Bereicherung, weil die Musik sie mit ihrer Schönheit und Anmut zutiefst berühre“, gibt den Schlüssel zur Wertschätzung des Gehörten.

Mit leichter Hand dichterisch erlauscht, ziehen die mit den Vortragsbezeichnungen Molto moderato, Poco adagio, Cantabile, Lento oder Andante tranquillo versehenen Nocturnes flüchtig-erinnerungsseligen Bildern gleich am Hörer vorbei. Die dynamische Bandbreite ist begrenzt und rankt sich um verschiedene, überwiegend im Piano zelebrierte Abschattierungen. Für kurze Momente blitzen temperamentvollere bzw. verspieltere Abschnitte in den kontemplativen, melancholischen bzw. träumerischen Modus, wie in der Nocturne Nr. 4 in A-Dur oder derjenigen in Nr. 10 in E-Dur. Die gefühlsbetonten Melodien sind gut in den aristokratischen Salons der Zeit vorstellbar, können aber auch heute noch – in Maßen genossen – charmieren.  

Alice Sara Ott macht aus diesen Stücken, was herauszuholen ist, versucht dabei dankenswerterweise nicht, die natürliche Eingängigkeit der Musik durch Exzentrik aufzupeppen. Die Farben der Stücke sind in zarter Lasur gepinselt. Über die Vielfalt der gestalterischen Eindrücke weiß Ott folgendes zu berichten: „Manche hatten die Anmut und Schlichtheit eines Mozart-Andantes, manche die Formen und den Schalk eines frühen Beethoven und dann gab es die, bei denen man durch die improvisatorischen Umspielungen und perlenden Läufe, aber auch durch die so ans Herz gehende Melancholie den künftigen Chopin heraushören konnte.“ Dem ist nichts hinzuzufügen. Für diejenigen unter uns, die es ruhiger mögen.

Einige Informationen rundherum

Im Februar und März 2025 geht Alice Sara Ott auf Europatournee, in 17 Städten spielt sie die Nocturnes von Field und Sonaten von Beethoven.

Deutschlandtermine:

  • 9. Februar 2025, Glocke, Bremen
  • 19. Februar 2025, Prinzregententheater, München
  • 23. Februar 2025, Theater, Münster
  • 25. Februar 2025, Liederhalle, Stuttgart
  • 1. März 2025, NDR Landesfunkhaus Niedersachsen, Hannover
  • 2. März 2025, Staatstheater, Braunschweig
  • 8. März 2025, Tonhalle, Düsseldorf
  • 12. März 2025, Laeiszhalle, Hamburg

Ab 15. Februar 2025 gibt es auf STAGE+ Andrew Staples’ 50-minütigen Film „NOCTURNE“ mit Alice Sara Ott zu sehen.

Das Album ist erstmals in Dolby Atmos® zu hören.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

Diese Seite drucken