CD ALEXANDER von ZEMLINSKY: Lieder von Nacht und Traum, Kammerkonzert nach dem Trio Op. 3, THOMAS E. BAUER (Bariton); DANIEL GROSSMANN dirigiert das JEWISH CHAMBER ORCHESTRA MUNICH; JCOM
Zum 150. Geburtstag von Alexander von Zemlinsky am 14. Oktober 2021
Daniel Grossmann hat in der Münchner Allerheiligen Hofkirche Neuaufnahmen des Jubilars vom ‘Kammerkonzert’ nach dem Trio op. 3 von 1896 (für Ensemble bearbeitet von Richard Dünser) und den ‘Sieben Liedern von Nacht und Traum’ aus op. 2, 5, 6, 8 und 10 (Solist: Thomas E. Bauer) dirigiert. Das Jewish Chamber Orchestra Munich wurde 2005 als Orchester Jakobsplatz München gegründet und hat sich seither unter der künstlerischen Leitung von Grossmann als zeitgenössische jüdische Stimme etabliert, die u.a. jüdische Gegenwartskultur lebendig und für jeden zugänglich machen will. Es pflegt die jüdische Musiktradition mit einem Repertoire, das vom Barock bis in die Gegenwart reicht. Das Orchester widmet sich Repertoireraritäten und bittet vergessene jüdische Komponisten vor den Vorhang.
Der österreichische Komponist Alexander von Zemlinsky hat eine ungewöhnliche Familiengeschichte: Sein Vater konvertierte mit 25 Jahren vom Katholizismus zum Judentum und wurde Teil der türkisch-jüdischen Gemeinde Wiens in der Wiener Leopoldstadt, seine Mutter stammte aus einem muslimisch-jüdischen Elternhaus. Alexander Zemlinsky wuchs in der sephardischen Gemeinde auf, besuchte zunächst eine sephardische Schule, sang und spielte Orgel in der Synagoge, bevor er mit 13 Jahren seine musikalische Ausbildung am Konservatorium der Musikfreunde Wiens begann. Später konvertierte er zum Protestantismus. Insgesamt zeigte Zemlinsky aber wenig Interesse für Religion und Politik.
Die auf dem Album ausgewählten Lieder um die ewigen Themen Liebe, Verzweiflung, Hoffnung und resignierende Melancholie entstanden zwischen 1895 und 1900. Sie können auch durch die Lupe von Nacht, Traum und Wirklichkeit betrachtet werden. Im Kammerkonzert – eine Bearbeitung des Klarinetten-Trios op. 3 von Richard Dünser – weist der Titel formell auf Zemlinskys Nähe zu Arnold Schönberg und Alban Berg, die Klangsprache im Trio des 25-jährigen Zemlinsky orientiert sich noch ganz am großen Vorbild Brahms und dessen Klarinettentrio Op. 114.
Musiziert wird auf dem neuen Album hervorragend und memorabel. Vor allem Thomas E. Bauer erweist sich mit seinem fülligen, samtig dunkel timbrierten Bariton als idealer Mittler der raffinierten Jugendstilpreziosen des jungen Zemlinsky.
Eine würdige und schöne Jubiläumshommage aus weniger bekannten kompositorischen Gefilden dieses atmosphärisch so wienerischen Komponisten.
Tipp: Das Programm der CD mit denselben Künstlern wird am Donnerstag, 18.11.21, 20:00 Uhr, im Konzerthaus Blaibach und am Mittwoch, 24.11.21, 20:00 Uhr, in der Residenz München, Allerheiligen-Hofkirche, aufgeführt.
Dr. Ingobert Waltenberger