CD: ALESSANDRO SCARLATTI: IL MARTIRIO DI SANTA TEODOSIA – Les Accents, Thibault Noally
A chi more per Dio, morte è vita
Alessandro Scarlattis Vertonung des Martyriums der Heiligen Theodosia ist, soweit im Moment bekannt, die einzige Vertonung dieses Sujets als Oper oder Oratorium. Über Auftraggeber, Librettist und Uraufführung ist nichts bekannt. Einzelne Hypothesen sprechen von einer Uraufführung in Rom 1683 im Palazzo Pamphili. Zur Uraufführung sei eine intellektuelle Runde, darunter Königin Christina von Schweden und Pierre Corneille, versammelt gewesen. Überliefert sind eine Aufführung 1685 in Modena und der Druck des Librettos 1686 in Mantua. Das Martyrium der Heiligen Theodosia ist das erste der vier Oratorien Scarlattis, die das Martyrium einer Heiligen zum Gegenstand haben: 1695 erschien “Il Martirio di Sant’Orsola“, 1705 „Il Martirio di Santa Susanna“ und 1708 „Il Martirio di Sant’Cecilia“. Bei „Il Martirio di Santa Teodosia“ hatte sich Scarlatti bereits von der im 17. Jahrhundert üblichen Form des Oratorio Latino mit Chor und Historicus gelöst und bereits die neue, vom Musiktheater bekannte Form mir Rezitativen und Arien gewählt, die dem Oratorium ein entsprechend „modernes“ Gepräge verleiht.
Der unbekannte Librettist hat sich vom Martyrium der Theodosia inspirieren lassen, die Geschichte dann aber auf die unerfüllte Liebe Arsenios zu Theodosia fokussiert.
Decio, Vertrauter Arsenios, verspricht seinem Herrn, dass er Theodosia heiraten könne. Theodosia aber will weiterhin Gott allein lieben. Daran können auch die Folterungen des römischen Gouverneurs Urbano nichts ändern. Theodosia bleibt standhaft und so ist ihr Schicksal besiegelt, Decio und Urbano lassen sich auch von Arsenios Bitten nicht erweichen. Mit der Erklärung sie freue sich darauf, das Martyrium zu erleiden, provoziert Theodosia Urbano, der sie nun, wenn es für sie so ein Vergnügen ist, extra leiden lassen will. Mit dem Schlusschor der vier Protagonisten endet das Stück: „Di Teodosia il martir chiaro t’addita a chi more per Dio, morte è la vita“ („Das Martyrium der Theodosia zeigt, dass für den der für Gott stirbt, der Tod das Leben ist“).
Vom 9. bis 12. September 2019 ist in der „Église allemande Protestante“ in Paris eine schlichtweg als grandios zu bezeichnende Aufnahme dieses Oratoriums entstanden.
Die siebzehn Musiker des Ensemble „Les Accents“ finden unter Leitung des ersten Geigers Thibault Noally zu einem enorm lebendigen, farbenfrohen, mitreissenden Klang, der die Spannung von der ersten bis zur letzten Sekunde hält. Die französische Sopranistin Emmanuelle de Negri interpretiert die Teodosia mit wunderbar klarer, technisch perfekt geschulter Stimme absolut hervorragend. Der Schweizer Tenor Emiliano Gonzalez Toro leidet als Arsenio farbenreich an seiner unerfüllten Liebe zu Theodosia. Renato Dolcini gibt den römischen Gouverneur Urbano mit fein geführtem, elegantem Bariton. Die Altistin Anthéa Pichanick gibt Teodosias Vertrauten Decio.
Eine Entdeckung! Und eine Empfehlung!
01.06.2020, Jan Krobot/Zürich