CD: ALBERT LORTZING: ZUM GROSS-ADMIRAL • Münchner Rundfunkorchester, Ulf Schirmer
Eine Entdeckung, die so schnell nicht wieder loslässt
Vom 15. bis 17. November 2019 entstand die Einspielung von Albert Lortzings (1801–1851) Komischer Oper in drei Akten «Zum Gross-Admiral» (13. Dezember 1847, Städtisches Hoftheater, Leipzig) als Co-Produktion des Labels cpo und des Bayerischen Rundfunks im Prinzregententheater in München. Die auf den ersten Blick etwas bieder wirkende Schwester der Revolutionsoper «Regina» erweist sich dann als hochinteressante Pretiose.
Wie zu «Regina» hat Lortzing das Libretto zu «Zum Gross-Admiral» selbst verfasst. Als Vorlage diente «La jeunesse de Henri V.» (1806), eine «Gebrauchskomödie» des Franzosen Alexandre-Vincent Pineux Duval aus der frühen Restaurationszeit.
Lortzing schildert einmal, wie Prinz Heinrich V. von England, lebenslustig und pflichtvergessen, durch eine wohlwollende Intrige seines Freundes Graf Rochester und seiner Frau Catharina wieder auf den rechten Weg gebracht wird. Anlass dazu ist ein Wirtshausbesuch Rochesters im titelgebenden Wirtshaus «Zum Gross-Admiral». Von Betty, in die sich sein Page Eduard verliebt hat, vermutet Rochester – wie sich zeigen wird zu Recht –, dass sie seine Nichte ist. Prinz Heinrich nutzt die Gelegenheit, um einem Geburtstagsfest, das zu seinen Ehren veranstaltet wird, aus dem Weg zu gehen. Die Schilderung der Erlebnisses des Wirts (und Rochesters Schwager) Copp Movbrai im Krieg gegen Frankreich und seinen Klagen gegenüber den als Seeleuten verkleideten Heinrich und Rochester über Heinrich und Rochester sollen dann Heinrichs Umschwung, den Entschluss ein Leben als Herrscher anzustreben und seinen Pflichten nachzukommen, auslösen. Das stark an einen Fürstenspiegel erinnernde Werk endet glücklich: Catharina verzeiht ihrem geläuterten Gatten, Rochester darf als Belohnung für seinen Einsatz Heinrich zu Catharina zurückzuführen seine Geliebte Clara heiraten und Rochesters Page Eduard und Betty finden ebenfalls zusammen.
Lortzings Libretto enthält eine Reihe Zitate, die vom Publikum der Entstehungszeit vielleicht nicht unbedingt erkannt wurden. Die Ouvertüre umfasst nur ein einziges, rasches Tempo. Ihr «Vivace assai» erinnert an Mozarts «Le nozze di Figaro». An den Cherubino aus Figaros Hochzeit erinnert die Besetzung des Pagen Eduard en travestie, wo hingegen Eduards Verkleidung als Musiklehrer an Rossinis «Il Barbiere di Siviglia» gemahnt. Mit der Musik werden auch die Stände der Figuren charakterisiert: Während der Adel arienartige Auftritte mit Koloraturen erhält, begnügt sich der dritte Stand mit liedhaften Nummern. Heinrichs Läuterung zeigt sich musikalisch darin, dass seine Kavatine im dritten Akt (Nr. 15, Kavatine, «Ich fühl’s, mein unbeständig’ Leben») dann auch in liedhafter Form gehalten ist. Die ausgesprochen leichte, oft tänzerische Musik erinnert gleichermassen an die italienische Oper (Donizetti), die französische Oper (Opéra comique) und die deutsche Spieloper. Der Chor bestärkt den Adel jeweils in seinen Empfindungen.
Anett Fritsch singt die Catharina von Frankreich mit leicht dramatischem Sopran. Lavinia Dames Betty kontrastiert mit Fritsch mit ihrem verführerisch dunklen Sopran aufs Beste. Julia Sophie Wagner als Eduard, Page von Rochester, überzeugt mit der Jugendlichkeit ihrer Stimme. Bernhard Berchtold gibt den Heinrich, Prinz von England, mit wunderbar hellem, absolut höhensicheren Tenor. Jonathan Michie gibt den Richard, Graf von Rochester, mit kernigem Bariton, Martin Blasius den Copp Movbrai mit schlankem Bass. Die Chorsolisten Andreas Hirtreiter als Snakefield und Matthias Ettmayr als Zeremonienmeister, William und Page ergänzen das hervorragende Ensemble Alle Solisten sind in den von Paul Esperanza eingerichteten Dialogen bestens verständlich.
Der Chor des Bayerischen Rundfunks, einstudiert von Stellario Fagone und das Münchner Rundfunkorchester unter Ulf Schirmer tragen mit ihrem Wohlklang und leidenschaftlichen Musizieren zum äusserst positiven Gesamteindruck bei.
Eine Entdeckung, die mit ihrer Vielfalt den Zuhörer so schnell nicht wieder loslässt.
16.04.2022, Jan Krobot/Zürich