Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

CD „A SONG IN THE WOOD“ – DUO DALUNA interpretieren Lieder von ROGER QUILTER, MICHAEL HEAD, BENJAMIN BRITTEN und ERIC COATES; Prospero

05.09.2021 | cd

CD „A SONG IN THE WOOD“ – DUO DALUNA interpretieren Lieder von ROGER QUILTER, MICHAEL HEAD, BENJAMIN BRITTEN und ERIC COATES; Prospero

 

Britische Lieder der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

0630835523841

 

Über welche Schätze an Volksliedern die Briten verfügen, ist schon daran abzulesen, dass nach G.F. Händel vor allem Joseph Haydn offenbar von der musikalischen Substanz dieses Liedguts in hohem Maße charmiert war. Die englische, walisische und schottische Volksmusik inspirierte ihn zu Außerordentlichem: Wir kennen über 400 britisch inspirierte Lieder aus der Feder von Joseph Haydn, darunter allein 375 schottische Lieder.  Auch Beethovens Volksliedbearbeitungen für eine oder mehrere Singstimmen und Klaviertrio sind eine genussreiche Sache. 179 Arrangements entstanden zwischen 1809 bis 1820, fast alle in englischer Sprache.

 

Aber es gibt natürlich auch eine ganze Reihe an exzellenten britischen Komponisten, die stilistisch bodenständige, melodisch äußerst reizvolle, harmonisch raffiniertest gearbeitete Lieder vorgelegt haben. Ich denke da etwa an Frederick Delius, Gerald Finzi oder Samuel Coleridge Taylor. 

 

Auf Interpretenseite verdanken wir eine beträchtliche Anzahl an vorzüglichen Alben mit britischem Liedgut vor allem Bryn Terfel (“Scarborough Fair“, „The Welch Album“, „Homeward Bound“) und Ian Bostridge (z.B.: „Songs From Our Ancestors“).

 

Das neue Album des Schweizer Duos Dalùna – der Name stammt von Dalùna Enariel, der Göttin der Musik im Fantasie-Universum von „Die Chroniken des Phönix“ von Remy Burnens – widmet sich englischen Liedern bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Remy Burnes, ein Berner Tenor mit waadtländischen Wurzeln und die Pianistin Clémence Hirt  haben ein musikalisch hochinteressantes Album zusammengestellt. Ihre musikalische Reise beginnt bei Roger Quilter („Love‘s Philosophy“, „To Julia“ Op. 8), setzt sich mit sieben Liedern von Michael Head fort, und endet nach Benjamins Brittens Zyklus „On this Island“ mit „The Green Hills O‘Somerset“ von Eric Coates. Das Album folgt einer fiktiven Geschichte über Liebe, Trennung und Wiedervereinigung sowie die Menschlichkeit und deren Verlust. 

 

Die chronologische Anordnung der Komponisten geht dabei mit dem Fortschreiten des 20. Jahrhunderts einher – einer Epoche, in der die Stimmung in der Welt stets dunkler wurde, bevor der erste Weltkrieg die Geschichte der Menschheit für immer veränderte. Mit der zunehmenden Sehnsucht der Menschen nach einer Rückkehr zu einfacheren, sichereren Zeiten. Die Flucht in die Vergangenheit bildete das Mittel der Bewältigung der Gegenwart. Dieses Neo-biedermeierliche Verhalten ist auch uns heute nicht unbekannt. Von dieser Warte aus erweisen sich die zauberhaft, elfenhaft schönen Lieder als unmittelbares Remedium für die Hörer im unübersichtlichen Hier und Jetzt. 

 

Wir hören auf dem Album, das im Titel die Natur und deren Schönheiten evoziert, romantische Balladen voller Leidenschaft und gefühlvolle Seelenzeichnungen, ja sogar ein a-cappella Stück als Wendepunkt der programmatischen Erzählung. Das Duo Daluna notiert dazu: „In ,The Singer‘ trifft der Erzähler auf einen alten Sänger auf einem Hügel und bittet ihn, bei ihm zu bleiben und ihm seine Geschichten zu erzählen. Doch der alte Mann lehnt ab und geht. Bald verschwindet er in der Ferne, während wir ihm vom Hügel aus nachschauen und und fragen, was gewesen ist und was hätte sein können. Parallel dazu dreht sich auch der Blickpunkt unseres Albums vom unantastbaren Ideal der Liebe zur bitteren Realität, dass nicht alle Geschichten ein glückliches Ende nehmen.“

 

Musiziert wird auf der neuen CD vorzüglich. Vor allem Clémence Hirt vermag all das Vibrieren der Kräfte der Natur, die Sehnsucht der Herzen und ihre herben Verluste in der spätromantisch, harmonisch farbenprächigen Klavierbegleitung mit großer innerer Anteilnahme und taufrischem Spiel zum Leben zu erwecken. Remy Burnens verfügt über einen in der Mittellage gut fokussierten, herb timbrierten Tenor. Sein Vortrag, die Phrasierung, das innere Engagement lassen keine Wünsche übrig. Es sei aber auch nicht verschwiegen, dass die Stimme in den Höhen von zwei, drei dramatischeren Liedern (Ende von „Love‘s philosophy“) überfordert und strapaziert klingt. Auf der Habenseite steht ein wunderbares piano in „The Singer“ von Michael Head und eine großes erzählerische Gabe.

 

Layout, Gestaltung und Informationsgehalt des Booklets sind wie stets bei dem 2019 gegründeten Label Prospero in jeder Hinsicht ansprechend. Allerdings ist die Papp-Hülle der CD so eng, dass der ungeduldige Hörer beim Versuch, die CD herauszunehmen, doch auf eine harte Probe gestellt wird.  

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

 

Diese Seite drucken