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CD „À PORTUGUESA“ – Iberische Konzerte und Sonaten – ANDREAS STAIER, Orquestra barroca Casa da Música – harmonia mundi

24.10.2018 | cd

CD „À PORTUGUESA“ – Iberische Konzerte und Sonaten – ANDREAS STAIER, Orquestra barroca Casa da Música – harmonia mundi

 

Das spannende, aber programmatisch nicht selbsterklärende Album des Cembalisten Andreas Staier, der hier auch die Leitung des ‚historisch informierten‘ Orchesters innehat, enthält Barockmusik von William Corbett, José António Carlos de Seixas, Domenico Scarlatti, Charles Avison und Luigi Boccherini.

 

Im 18. Jahrhundert war die iberische Halbinsel nicht zuletzt infolge des portugiesischen Restaurationskriegs und des Spanische Erbfolgekriegs eine beinahe hermetisch abgeschirmte Trutzburg. Das hinderte italienische Maler, Architekten und Musiker, (und auch britische Geschäftsleute) nicht daran, hier die Ausnahme von der Regel zu bilden und dem Ruf der beiden Königshäuser entsprechend zur Beendigung der (künstlerischen) Isolation der Halbinsel beizutragen. Persönlichen Anteil an diesem Phänomen hatte auch die Königin von Portugal, Maria Anna von Österreich, habsburgische Erzherzogin, indem sie solcherart neue kulturelle Gepflogenheiten und Formen des gesellschaftlichen Umgangs einführte.

 

Natürlich nahmen italienische Musiker auf ihre iberischen Kollegen Einfluss. Wegen der engen Handelsbeziehungen zwischen London und Lissabon waren im Vereinigten Königreich Kompositionen iberischer Musiker vergleichsweise bekannt. So war es kein Wunder, dass etwa der englische Komponist William Corbett in die Konzertsammlung „Le bizzarie universali“ Titel wie „Alla Spagnola“ oder „Alla Portuguesa“ aufnahm. Freilich weist das portugiesische Cembalokonzert, das den Einstieg ins Albums bildet, eher italienische Duftnoten auf, als portugiesische Schwermut auszudrücken. Das britische Faible für das neapolitanische Cembalogenie Domenico Scarlatti wiederum führte dazu, dass Charles Avison basierend auf einer Edition Roseingraves mehrere Sonaten Scarlattis zu eher weichgespülten ‚Concerti grossi‘ transkribierte. So auch das auf der CD zu hörende Concerto grosso Nr. 5 mit seinen die Dissonanzen Scarlattis ‚zivilisierenden‘ Eingriffen. Domenico Scarlatti selbst stand von 1719 bis 1729 im Dienste des portugiesischen Hofes, um die königliche Kapelle zu erweitern und sie mit einem an die römischen päpstlichen Kapellen angelehnten Zeremoniell auszustatten. Von da aus führten ihn seine Wege nach Spanien, wo er für die Prinzessin von Asturien, Maria Barbara von Braganza, spätere Königin von Spanien, wirkte. Für sie verfasste er auch die meisten seiner legendären Sonaten. Die von Andreas Staier mit unglaublicher Brillanz und höchster Fingerfertigkeit vorgetragenen Sonaten K 8, K 13 und K173 sollen an diese historische Tatsache erinnern.

 

Die wirkliche Entdeckung des Albums ist naturgemäß der hierzulande nicht bekannte portugiesische Komponist António Carlos de Seixas, der als überaus experimentierfreudiger Geist die Stilistik italienischer Instrumentalmusik auf die lokalen Traditionen übertrug. Von ihm sind zwei jeweils dreisätzige Konzerte mit obligatem Cembalo in g-moll und in A-Dur, eines der frühesten Konzerte der Gattung überhaupt,  zu hören. Anklänge an Vivaldi im frühen Konzert bis zu galanteren Melodien und impulsiveren Sturm- und Drangelementen nehmen den beiden schönen Werken nichts von ihrer ausdrucksstarken Originalität.

 

Als letzter Komponist der CD hat bot sich wohl Luigi Boccherini an, dessen 15- minütiges „Quintetto „Musica notturna delle strade di Madrid“, Op. 30 Nr. 6, wegen seiner Anklänge an iberische Folklore ins Programm aufgenommen worden ist. Dem Kommentar des Komponisten über die Lautmalerei des Stücks ist nichts hinzuzufügen: „Dieses kleine Quintett schildert die Musik, die man des Nachts in den Straßen von Madrid hört, von den Glocken, die das Ave Maria läuten, bis zum Rückzug der Garnison. Und alles hier, das nicht den Regeln des Kontrapunkts entspricht, sei mir verziehen, weil es sich um den Versuch einer genaueren Repräsentation der Realität handelt.“

 

Die Originalklangformation Orquestra barroca Casa da Música trifft den Mix an italienischem Schwung und iberischen Tänzen, höfisch barocker Form und bisweilen exzentrischer Expressivität optimal, Andreas Staier darf wie immer eine Sonderklasse für sich auf dem Cembalo in Anspruch nehmen. Eine klare Empfehlung!

 

Tipp: Am Freitag,  dem 9. November 2018, 19:30, werden das Orquestra Barroca Casa da Música und Andreas Staier das Progamm der CD im Mozart-Saal des Wiener Konzerthauses (Zyklus Originalklang) spielen. Weitere Stationen der Präsentation von „À Portuguesa‘ werden die Oper von Dijon, BASF Ludwigshafen, die Städte Sintra und Porto sein.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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