CD Á DEUX VOIX – ADRIANA GONZÁLES und MARINA VIOTTI singen französische Duette u.a. von Massenet, Gounod, Lalo, Widor, Delibes, Viardot, Chaminade, Chausson und Fauré; Audax Records
Charmant genüssliches Raritätenprogramm
Es ist kein Zufall, dass die in Paris lebende guatelmaltekische Sopranistin Adriana Gonzáles ihr CD-Debüt 2020 mit einem reinen Liedprogramm bestritten hat. Mit dem entdeckungsfreudigen Iñaki Encina Oyón am Flügel hat sie zur Freude des Publikums und des Feuilletons Mélodies von Robert Dussault und Hélène Covatti erarbeitet, allesamt Weltersteinspielungen. Diskografisch folgte 2021 die Einspielung aller Lieder des Spaniers Isaac Albeniz, wiederum mit Oyón und von Audax Records publiziert.
Nun geht es mit einem attraktiven Duett-Album in die dritte Runde. Die künstlerische Partnerschaft mit dem baskischen Dirigenten und Pianisten Iñaki Encina Oyón trägt hier besonders reife Früchte.
Gonzáles und die schweizerische Mezzosopranistin Marina Viotti haben sich 2017 anlässlich einer Produktion von Rossinis „Il viaggio á Reims“ am Gran Teatre del Liceu in Barcelona kennen und schätzen gelernt. Da die beiden Stimmen vom dunkel grundierten, üppig-obertonreichen Klang her besonders gut miteinander harmonieren, entstand die Idee zu diesem Album, für dessen Repertoirewahl Gonzáles sich an Oyón wandte.
Außer selten aufgeführter Duette bekannter Komponisten wie Chausson, Fauré, Massenet (jeweils mit ‚deux duos‘ vertreten, deren harmonisch melodischer Zauber aufhorchen lässt und spontan für sich einnimmt), Franck und Gounod bot sich für Iñaki Encina Oyón die Gelegenheit, musikalisch reizvolle Miniaturen des (mir) völlig unbekannten Komponisten Paul Puget (‚Au bord de la mer‘ und besonders das lebensfroh temperamentvolle ‚Chanson andalouse‘ nach Texten von Theophile Gautier) als CD-Premieren vorzustellen. Die Faszination für diesen Komponisten, 1873 Preisträger des Grand Prix du Rome und ab 1900 Chorleiter der Pariser Oper, stellte sich bei Oyón ein, als er die Partitur von dessen Drame lyrique „Beaucoup de bruit pour rien“ nach Shakespeares „Much ado about nothing“ studierte. Seither hat er 60 seiner Lieder gesammelt, die hoffentlich eines nicht allzu fernen Tags ihren Weg auf Tonträger finden werden.
‚Duos‘ der Komponistinnen Charlotte Devéria (‚Les papillons‘), Pauline Viardot (‚Rêverie‘) und Cécile Chaminade (‚Duo d‘etoiles), sämtlich nach Gedichten von Armand Silvestre, erweitern einmal mehr neben den maßgeblichen Veröffentlichungen der Fondation Bru Zane (8 CD Box „Compositrices – New Light on French Romantic Women Composers“) unser Verständnis und unsere Kenntnis des reichen Schaffens von Musikerinnen, die erfolgreich und originell das Kapitel (spät)romantischer französischer Musik mitgeprägt haben.
Im Album sollten laut Oyón zwei Atmosphären geschaffen werden: „Die erste mit den sechs Stücken von Charles Marie Widor und dem schönen Duett von Émile Paladilhe ist eher kontemplativ; die Liebe wird mit der Schönheit der Natur oder sogar der göttlichen Schöpfung verglichen. [..] Der zweite Teil gibt den Weg frei für den Tag und die Bewegung. Das ist der Fall bei Gounods ‚La chanson de la Brise‘, mit seiner flüsternden Ostinato-Bewegung in der Klavierbegleitung, aber vor allem bei ‚Les danses de Lormont‘ von César Franck und dem mitreißenden ‚Dansons!‘ von Édouard Lalo, das unser Album zum 200. Geburtstag des Komponisten abschließt.“
Die türkissamtbrokaten timbrierten Stimmen von Adriana González und Marina Viotti scheinen mir sehr gut für das mediterran breit gefächerte, lichtdurchflutete Farbenspiel der Musik, ihrer in Verschmitztheit kulminierenden Lebenszugewandtheit zu passen. Es kommt schon mal vor, dass sich ein Hauch von Opernpathos in die lyrischen Gesangslinien mischt, was sich mit dem beseelten Elan des Vortrags durchaus verträgt.
Fazit: Gesangskulinarische Sterneküche, Klangüberwältigung vor Wort, weshalb das Mitlesen der Texte keine allzu schlechte Idee ist.
Inhalt des Albums:
- Charles-Marie Widor: Six Duos op. 30, op. 40, op. 52
- Émile Paladilhe: Au bord de l’eau
- Léo Delibes Les trois oiseaux
- Charlotte Devéria: Les papillons
- Pauline Viardot-Garcia: Rêverie
- Cécile Chaminade: Duo d’étoiles
- Paul Puget: Au bord de la mer; Chanson andalouse
- Ernest Chausson: 2 Duos op. 11
- Gabriel Fauré: 2 Duos op. 10
- César Franck: Les danses de Lormont
- Jules Massenet: 2 Duos op. 2
- Charles Gounod: La chanson de la Brise
- Édouard Lalo: Dansons!
Dr. Ingobert Waltenberger