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CASANOVA VARIATIONS

19.01.2015 | FILM/TV, KRITIKEN

FilmPlakat Casanova Variations x~1

Ab 23. Jänner 2015 in den österreichischen Kinos
CASANOVA VARIATIONS
Österreich / 2014
Drehbuch und Regie: Michael Sturminger
Mit: John Malkovich, Veronica Ferres, Miah Persson, Florian Boesch, Jonas Kaufmann u.a.

Im Anfang war – Jack Unterweger. Mit der Figur dieses „literarischen“, sprich: schreibenden, dichtenden Frauenmörders hat der Wiener Regisseur Michael Sturminger, der offenbar ein Multitalent ist (auch der Organisation und der Überredungskunst), keinen Geringeren als Hollywood-Granden John Malkovich interessieren können. Dieser befand sich damals, 2008, allerdings schon 20 Jahre nach seinem filmischen Höhepunkt („Gefährliche Liebschaften“, 1988) und tümpelte wie mancher Star in zweitklassigen Filmen herum. In der Unterweger-Story „The Infernal Comedy“ konnte niemand an seinem Star-Status zweifeln, der Abend hatte in Los Angeles Premiere, war auf Tournee (über 40 Städte neigten sich dem Ruhm des Filmstars), auch in Wien zu sehen, und wurde auf DVD verewigt.

Schon damals hatte Sturminger als Textautor zusammen mit dem Dirigenten Martin Haselböck eine seltsame Zwitter-Konzeption zwischen Text- und Musik-Anteil geschaffen, der diejenigen, die sich davon nicht überzeugen ließen, eher nervte.

Was bei Unterweger eigentlich völlig überflüssig schien, macht bei der nächsten Zusammenarbeit Sturminger / Malkovich mehr Sinn. Denn diesmal hat man sich die Reizfigur Casanova vorgenommen, und ihn mit der Musik seines absoluten Zeitgenossen Mozart zu „verschränken“, zumal den Da Ponte-Opern, wo man dann Szenen aus „Figaro“, „Don Giovanni“ und auch „Cosi fan tutte“ zur Handlung zurechtbiegen kann – das funktionierte zumindest geringfügig besser. Geringfügig, denn auf der Bühne des Ronacher war der Abend der „Giacomo Variations“ im Jänner 2011 ein ziemlicher Langweiler.

Aber wenn man statt „Giacomo“ (das kann ja bald jemand sein) „Casanova“ sagt, dann ist das ein Name, den die Welt kennt, als Leinwandheld unendlich oft aufzuspüren, zuletzt als der so früh verstorbene Heath Ledger, aber auch als Donald Sutherland für Fellini, der alternde Casanova von Alain Delon als Held einer Schnitzler-Novelle oder, unvergessen, Marcello Mastroianni in der „Flucht nach Varennes“ ….

Und so kommen nun die „Casanova Variations“ ins Kino, der Theaterkritiker mutiert zum Filmkritiker voll Hoffnung, dass die gesteigerten Möglichkeiten des Genres dem Unternehmen etwas Pepp verleihen werden. Vergeblich gehofft. Die Überzeugungskraft des Gebotenen bleibt minimal.

Natürlich kann man nun mehr bieten, mehr Schauplätze, mehr Sänger, eine prominentere Dame in der Hauptrolle (und eine noch prominentere für einen Chargen-Auftritt). Was auf der Bühne des Ronachers unter drei „Krinolinen“ als jeweiliger Hülle der Schauplätze vor sich ging, spielt nun auf mehr Ebenen, als man durcheinander wirbeln sollte, aber Sturminger gibt sich schrecklich intellektuell – nicht nur in den hoch geschraubten Texten, sondern auch in der Machart.

Wobei zum technischen Teil des Gebotenen gleich bemerkt werden muss, dass man selten eine unglücklichere Kameraführung gesehen hat (stetes Gewackel, als hielte ein Amateur irgendein Kleingerät in der Hand) und selten einen dilettantischeren Schnitt: Das kann man sich in einer Welt, wo mehr Leute das „Medien-Machen“ lernen denn je, einfach nicht erklären und auch nicht pardonieren.

Also, erstens sehen wir eine Casanova-Theateraufführung im Teatro Nacional de São Carlos, der Lissaboner Oper, die noch zu Lebzeiten Casanovas fertig gestellt wurde. Hier ist John Malkovich als John Malkovich der Star des Unternehmens und muss sich von einer seiner Bekannten (Marina Albuquerque) in der Pause fragen lassen, was das Ganze eigentlich soll. Oh, wie man es ihr nachfühlen kann! Malkovich wird angehimmelt, u.a. von einer verzückten jungen Ärztin (Maria João Bastos), die Casanovas Zusammenbruch auf der Bühne ernst nahm und nun hinter der Bühne in die Nähe des Stars kommt. Ob er denn schwul sei, fragt sie ihn, im Internet stehe so vieles – aber es sei ja „Beyond his control“, nicht wahr, auf seinen stehenden Satz in den „Gefährlichen Liebschaften“ anspielend… Genug der Insiderwitze.

casanova_Malkovich Ferres

Die Bühnenhandlung, wo dann laufend die Opernfiguren dazwischenfunken in Mozart-Arien und –Szenen ausbrechen, wird immer wieder von scheinbar „echter“ Handlung unterbrochen: Casanova auf Schloß Dux, seinem persönlichen böhmischen Altersheim, seine Memoiren schreibend, von der Schriftstellerin Elisa von der Recke heimgesucht, die nun die noch immer attraktive Gestalt von Veronica Ferres angenommen hat (auf der Wiener Bühne stand damals eine Dame, die so unbekannt wie unbegabt war). Weil es im deutschen Film für Ladies an die 50 nicht mehr so gut läuft (was hatten sie oder Katja Riemann einst für Karrieren!), macht sie Fernsehen oder kleine Rollen „international“: Ihr Englisch hat sich, seit man sie im „Teufelsgeiger“ oder „Hectors Reise“ sah, entschieden verbessert, ihr Dekolleté ist immer noch sehenswert, und man glaubt ihr eine intelligente Schriftstellerin, die da mit Honig auf den Lippen einen alten Knacker an der Nase herumführt, weil sie seine Memoiren zwecks Herausgabe schnappen möchte…

Also, auf Schloß Dux ist Casanova mit Elisa und diversen anderen Damen (meist Dienstmädchen) beschäftigt, auf der Bühne müssen er und Elisa sich duplizieren lassen: Wie einst bei der Theateraufführung singt Florian Boesch alle Baritonrollen (und bedenkt man, wie charismatisch sein Papa einst war, ist bei ihm außer einer schönen Stimme nicht viel los) und Miah Persson die Soprane. In einer Episode als Cherubin ist Kate Lindsey wirklich anmutig (dass sie einen Kunstpenis vorzeigen muss, damit Casanova ihr den Kastraten glaubt… na ja), man erkennt auch noch Anna Prohaska und ein paar Kollegen vom singenden Gewerbe (Topi Lehtipuu, Daniel Schmutzhard) – und als es zu jener wirklich haarsträubenden Szene kommt, da Casanova ein junges Mädchen heiraten will (die schwedische Sängerin Kerstin Avemo, ätherisch), taucht ihre Mama auf und ist keine Geringere als Fanny Ardant in einer Mini-Rolle, die Casanova mitteilt, er solle es lieber nicht mit seiner Tochter treiben (später tut er es übrigens doch – reuelos). Aber vor allem wird gesungen, und wenn auch gegen die Qualität (Martin Haselböck am Pult der Wiener Akademie) auch nichts einzuwenden ist – zur Casanova-Geschichte wirken all diese Mozart-Szenen nicht erläuternd (trotz einiger ganz witziger Zusammenhänge), sondern einfach retardierend. Nicht Fisch, nicht Fleisch.

John Malkovich als alternder Casanova wird sicherlich nicht in die Ruhmeshalle der Leinwand-Interpreten dieser Figur eingehen. Wie auf der Bühne wirkt er ziemlich unbeteiligt, wie einer, der seinen Text aufsagt und seine Gage kassieren möchte. Vom sexuellen Reiz brauchen wir nicht zu reden, der ist nicht existent bei so viel gealtertem, eingetrocknetem Zynismus, aber auf etwas intellektuellen Reiz hätte man gehofft – auch nichts.

Zu guter letzt also: Jonas Kaufmann-Fans, Achtung! Natürlich werden Sie sofort das Bedürfnis haben, in diesen Film zu eilen, da sie seinen Namen auf der Besetzungsliste lesen („Appears by courtesy of Sony Classical International“, so ist das heute). Und er sieht auch vor der Kamera wie immer sehr gut aus. Aber man muss bis fast ans Ende warten, bevor er auftaucht, dann (in vorzüglichem Englisch) mit Casanova ein Duell abmacht und schließlich auch singt – aber keine der berühmten Tenor-Arien, sondern nur seinen Teil in einem „Cosi“-Quartett, also blutwenig. Ob das den Preis der Kinokarte für einen vordringlich langweiligen Film lohnt?

Renate Wagner

 

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