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CARLO GRAZIANI: SECHS SONATEN FÜR VIOLONCELLO und BASSO CONTINUO ARMONIOSA, Stefan Cerrato – RUBICON 2 CD

11.10.2017 | cd

CARLO GRAZIANI: SECHS SONATEN FÜR VIOLONCELLO und BASSO CONTINUO

ARMONIOSA, Stefan Cerrato – RUBICON 2 CD

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Was für ein Leben hatte dieser Graziani! Die nachgewiesene Spur führt uns vom piemontesischen Asti, seinem Geburtsort, über Stationen als Cellovirtuose, Komponist und Lehrer von Paris über Turin bis nach Frankfurt. 1764 spielte er in London mit dem siebenjährigen Mozart. Finale Destination war aber Preussen, sein „gelobtes Land“, wo Graziani Hoflehrer des Prinzen Friedrich Wilhelm II wurde und auch in Potsdam 1787 verstarb.

Graziani schrieb vorwiegend für sein Instrument, das Cello. Für die Komposition eines seiner Konzerte für Violoncello und Orchester legte er sich das Pseudonym/Anagramm Erlach Glazinar, genannt „Il Ranigazi“, zu. Auf der vorliegenden CD sind sechs Sonaten für Violoncello und Basso Continuo zu hören, sein reifes Op. 3, das er in Berlin herausgab. 12 frühere Sonaten wurden als Op. 1 und 2 zusammengefasst und sahen das Licht der Welt in London bzw. Paris. Graziani zog sich 1773 vom preußischen Hof zurück. Sein Nachfolger wurde Jean-Pierre Duport.

Die überaus reizvollen Stücke mit enormen technischen Ansprüchen an den Solisten stehen stilistisch am Übergang vom Barock zum Rokoko. Graziani lotet alle Möglichkeiten des Cello aus, sei es vom Tonumfang, Bogenführung oder den rhythmischen Vertracktheiten her. Wie die Interpreten erklären, „verwendet Graziani ausgiebig Arpeggien und Phrasen in der obersten Oktave im Violinschlüssel am Rand des Griffbretts und darüber hinaus, womit er dem Publikum sicher seine Virtuosität beweisen konnte. Besonders einfallsreich und feinsinnig komponiert wirken die langsamen Cantabile-Sätze, die zwar dem italienischen Stil verpflichtet sind, aber immer mit einem heiteren Seitenblick auf die französische Tradition.“

Es ist also ein im besten Sinn europäischer Stil, entwickelt auf Reisen und auf Basis musikalischer Begegnungen, den Graziani pflegt und der Melodik, Kantabilität, Polyphonie und allerhöchste Meisterschaft in der Ausführung mittels schneller Läufe und häufiger Doppelgriffe zu einem neuen Ganzen eint.

Der Cellist Stefano Cerrato spielt mit seinem Ensemble Armoniosa die Sonaten so fantasie- und abwechslungsreich wie sie komponiert worden sind. Der Spannungsbogen bleibt stets aufrecht, der Zuhörer kann eintauchen in dieses geheimnisvolle Land der Töne, das sich aus irgend welchen unterirdischen Quellen von Italien über Frankreich bis Norddeutschland speist. Höchst unterhaltsam nehmen sie uns mit auf diese Fahrt vom verspielten, schnörkelig-strengen und tänzerischen Barock hin ins empfindsamere Rokoko. Balsam für stressgeplagte Ohren und Seelen.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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