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BURG GARS: L’ELISIR D’AMORE – Premiere

Let's Opera! Natürlichkeit statt Pomp & Circumstance ist hier Trumpf

14.07.2024 | Oper in Österreich
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Maria Nazarova (Adina), Orhan Yildiz (Belcore), Paolo Rumetz (Dulcamara) und Ensemble. Alle Fotos: Alexander Ch. Wulz

BURG GARS: Waldviertler Opernsommer-Start mit L’ELISIR D’AMORE

13. Juli 2024 – Premiere

Von Manfred A. Schmid

Abwechslung als Segen der Opernwelt. Eben erst Verdis Aida in einer opulenten Inszenierung im Steinbruch St. Margarethen im Burgenland, mit so gut wie mit allem, was es an Ausstattungsmöglichkeiten überhaupt gibt, und nun eine Aufführung von Donizettis L’elisir d’amore auf der Waldviertler Opernbühne der Burg Gars, wo noch ohne Verstärker gesungen wird und man so nahe an die Sängerinnen und Sängerinnen herankommt, wie sonst nur noch auf Schloss Kirchstetten, dem kleinsten Opernhaus Österreichs. Beides hat seine Berechtigung und sein Publikum. Es ist aber doch ein Labsal für Augen, Ohren und Gemüt, wenn man zwischendurch wieder einmal eine Aufführung erleben kann, die mit dem Notwendigsten auskommt und gerade deshalb die Herzen der Zuhörerschaft erreicht, weil der Zauber der unverstellten Natürlichkeit in der Darbietung und der Charme der Bühne, hier das romantische Mauerwerk einer Burgruine, für ein intimes Opern-Erlebnis sorgen, das wohl einzigartig ist. Clemens Unterreiner hat gutgetan, am Beginn seiner Intendanz nicht etwas ganz Neues versuchen zu wollen, sondern dort anzuknüpfen, wo die Stärken dieses Sommerfestivals liegen und dort, wo es nötig und sinnvoll ist, ein paar merkliche Verbesserungen anzubringen. Dazu gehört vor allem das neue, ganz aus Holz errichtete Orchesterhaus.

Einen guten Griff machte Unterreiner auch bei der Wahl seines Leading Teams. Das Regie-Duo Carolin Pienkos & Cornelius Obonya geht bei der Umsetzung der zweiaktigen Opera buffa ideenreich und dennoch behutsam und liebevoll vor, unterstreicht die komischen Elemente mit guten Einfällen, wenn etwas der Trupp der Soldaten auf Fahrrädern angeradelt kommt oder wenn Adina mit dem Quacksalber Dulcamara einen Besentanz aufführt. Auch die etwas verwirrten Liebesbeziehungen der kokett herumexperimentierenden, ihre erotische Anziehungskraft spielerisch bis an die Grenze der Zuträglichkeit austestenden Adina werden durch perfekte Personenführung auf der übersichtlichen, weil einfachen, nur durch ein paar Stufen und einer kleinen Empore markierten Bühne (von Walter Vogelweider) klar herausgearbeitet. Was Pienkos und Obonya aber nicht tun, ist, das Ganze durch allzu zu viele Gags zu überfrachten. Sie wissen, dass sparsam gesetzte Effekte nachhaltiger sind als eine Überfülle und erreichen damit ein ausgewogenes Verhältnis von höchst witzigen und sentimentalen, gefühlsbeladenen Szenen.

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Matteo Ivan Rasic (Nemorino)

Auch die szenische Einbeziehung des von Michael Juraszek gut einstudierten Chors sowie der Statisten – darunter auch das zur Oper Gars gehörende, vertraute Zwillingspaar der beiden schon etwas in die Jahre gekommen Herren, das man nicht vermissen möchte – bereichert die Handlung. Die Kostüme von Laura Madgé Hörmann sind schlicht und passend zur ländlichen Bevölkerung eines kleinen Dorfes. Nur der angebliche Dottore Dulcamara, der dem liebeskranken Nemorino den titelgebenden Liebestrank andreht, ist mit einem pompös langen Mantel mit Schleppe gekleidet, den er dann verliert wie eine Eidechse ihren Schwanz auf der Flucht.

Gesungen und gespielt wird, dass es eine Freude ist. Würdig für das Jubiläum von 35 Jahren Oper Gars. Eine bessere Besetzung der fünf Rollen kann man sich kaum vorstellen. Dabei kommt es dem Kammersänger Unterreiner sicher zugute, dass er in der Opernszene bestens vernetzt ist und mit dem Enthusiasmus, mit er ans Werk geht, Kolleginnen und Kollegen dafür begeistern kann, auf der Freiluftbühne der Babenbergerburg mitzumachen. Gleich drei im Solistenensemble kommen bzw. kamen aus der Wiener Staatsoper. Die zierliche russische Sopranistin Maria Nazarova ist eine anmutige, aber auch kecke und etwas leichtfertige Gutsbesitzerin Adina, die mit ihren Reizen zwei Männer in ihren Bann zieht und sie gegeneinander ausspielt. Ihr heller, frischer Sopran passt gut zu einer jungen Frau, die ihrer Zuneigung zu Nemorino, die vermutlich immer schon da war, erst spät bewusst wird.

Der Bariton Orhan Yildiz als Belcore gibt einen selbstbewussten, siegessicheren Sergeanten mit Macho-Allüren und nimmt äußerlich unbeeindruckt, aber doch irgendwie erleichtert zur Kenntnis, dass aus der Verehelichung mit Adina letztendlich nichts wird, warten doch überall, wo er hinkommt, die Frauen nur so auf ihn.

Dem erfahrenen, aus Triest stammenden Bass Paolo Rumetz, der an der Wiener Staatsoper n vielen Bufforollen, aber auch in ernsten Partien bis hin zum Rigoletto gefeiert wurde, ist die Freude anzumerken, wieder einmal in Österreich auf der Bühne zu stehen. Eine Freude, die vom Publikum sichtlich geteilt wird. Als Fahrender Händler, in dieser Inszenierung mit einem Karren unterwegs, der auch mit einer Destillieranlage ausgestattet ist, zieht er alle Registern seiner komödiantischen Begabung und reüssiert auch stimmlich und mit bewundernswerter körperlicher Agilität im Duett „Quanto amore“ mit Adina.

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Maria Nazarova (Adina) und Orhan Yildiz (Belcore)

Eine Entdeckung, wenigstens für Opernbegeisterte in Ostösterreich. ist der der junge Tiroler Tenor Mateo Ivan Rasic, der allerdings schon Ensemblemitglied des Staatstheaters am Gärtnerplatz in München auf sich aufmerksam gemacht hat. Wie er als Nemorino sängerisch wie auch darstellerisch die Rolle des schüchternen, etwas verunsicherten und naiven Landburschen gestaltet, der unter der Missachtung seiner Gefühle durch seine Angebetete leidet und dabei unfreiwillig komisch, aber auch überaus sympathisch wirkt, begeistert tief. Nemorinos Arie „Una furtiva lagrima“ gelingt ihm mit Belcanto-Schmelz und emotionaler Hingabe, was ihn nicht daran hindert, auf der Bühne einmal ein Rad zu schlagen. Auf den weiteren Weg dieses Talents darf man neugierig sein.

Die oberösterreichische Sopranistin Martha Matscheko als Gianetta ist ein Gelassenheit und spitzbübische Neugier ausstrahlendes Bauernmädchen.

Die musikalische Leitung des Abends liegt in den Händen des 31-jährigen, aus Ungarn stammenden Dirigenten Levente Török. Am Pult des ebenfalls vorwiegend von jungen Musikerinnen und Musikern bestehende Orchesters bringt er die Italianita der Partitur schwungvoll und mit einem guten Gehör für die Bedürfnisse der Gesangsensembles auf der Bühne zum Klingen. Das Publikum ist hingerissen von der Aufführung und dem einzigartigen Aufführungsort und spendet reichlichen Beifall. Gratulation allen Mitwirkenden. Clemens Unterreiners Einstand als Intendant der Oper Gars ist glänzend gelungen. Chapeau!

 

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