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BUKAREST/ Opera Națională București: Giuseppe Verdi LA TRAVIATA

60. Geburtstag von Elena Moşuc und Vorstellung ihres Buches über «Wahnsinn in den italienischen Opern in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts» sowie ihrer Lieder-Aufnahme von Lipati bis Enescu

19.01.2024 | Oper international

Giuseppe Verdi: La Traviata • Opera Națională București • Vorstellung: 18.01.2024

(Premiere am 30.10.2014)

  1. Geburtstag von Elena Moşuc und Vorstellung ihres Buches über «Wahnsinn in den italienischen Opern in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts» sowie ihrer Lieder-Aufnahme von Lipati bis Enescu

Ein mehr als denkwürdiger Abend

Die Violetta Valery aus Verdis «La Traviata» ist einer der Lebensrollen der rumänischstämmigen Sopranistin Elena Moşuc. Fast 32 Jahre nach ihrem Rollendebut an der Nationaloper von Iaşi (2. März 1992) beweist sie, dass sie, stimmlich jung geblieben und in der Lage freizügig hohe Es und hohe D zu singen und interpolieren, noch immer zu den führenden Interpretinnen dieser Rolle gehört. Die Stimmbeherrschung ist absolut bewundernswert, so schnell macht ihr das keine der Kolleginnen nach.

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Foto © C.H.

Die Inszenierung von Paul Curran siedelt seine Inszenierung in einem Salon des 19. Jahrhunderts, der sich bis ins 20. Jh. Gehalten hat, an (Bühnenbild: Gary McCann). Infusionen, wie sie Violetta während der Ouvertüre erhält, oder ein Telefon (mit Kabel) sind bereits bekannt. Das variable Einheitsbühnenbild aus zeitgenössisch verzierten Holzpaneelen bleibt auch im ersten Bild des zweiten Akts bestehen: kein Gartenbeet weit und breit, der Aufenthalt auf dem Land wird durch gehäufte Grünpflanzen im Salon angezeigt. Hier bemächtigen sich Möbelpacker der Inneneinrichtung, bevor im dritten Akt dann auch die noch brauchbaren Wandpaneele dran glauben müssen. Die Personen sind sensibel geführt und Curran lässt den Sängern den nötigen Raum, um ihre Figuren darstellen zu können.

Dirigent Ciprian Teodorașcu erweist sich als enorm sängerfreundlicher Dirigent und trägt die Solisten auf Händen durch den Abend. Das Orchester der Nationaloper Bukarest unterstützt ihn dabei vorbildlich: besonders zu bemerken sind die wunderbar feinen, weichen, warmen Streicher in der Ouvertüre und im Vorspiel zum dritten Akt. Erneut ein Klasse für sich ist der Chor der Nationaloper Bukarest (Chor: Daniel Jinga, Adrian Ionescu), der den positiven Eindruck puren stimmlichen Wohlklangs aus der «Aida» vollbestätigt.

Schon beim Betreten der Oper liegt etwas in der Luft. Eine Traviata, 42 Jahre nach dem Rollendebut, zur Feier des runden Geburtstags der Solistin? Wie das wohl wird? Schon die Introduktion Nr. 2 zeigt: es wird der Abend der Elena Moșuc. Die Stimme hat sich in der langen Spanne der Karriere verändert, manches, was früher «einfach da war», muss nun erarbeitet werden. Aber diese Arbeit hat nicht den Anschein von Arbeit und in Sachen emotionaler Gestaltung bleibt Moşuc gerade dank ihrer überreichen Erfahrung mit der Rolle unerreicht: sie zeiigt exemplarisch die ganze Palette der Gefühle, die die rolle abverlangt. Ein Freiheitsdrang wie in der Cabaletta «Sempre libera degg’io» (Nr.3) oder die Innigkeit des Cantabile «Dite alla giovine si bella e pura» (Nr. 5) sind bei anderen Sängerinnen in dieser Intensität nicht zu finden. Der dritte Akt mit der Romanze «Addio del passato bei sogni ridenti» (Nr.11) wird zum Höhepunkt der an sich schon phänomenalen Vorstellung. Alin Stoica (Alfredo Germont) steht mit seinem Bemühen Moşuc ein ebenbürtiger Partner zu sein allein, geradezu einsam auf weiter Flur. Die Stimme kann nicht frei strömen und klingt, als leide der Sänger an permanenter Atemnot. Ab dem Forte kommt ein heiserer Grundklang dazu. Unter diesen Voraussetzungen (aber auch sonst nicht) ist mit einem Dauerforte kein Eindruck zu machen. Einer positiven Bühnenpräsenz steht die Leibesfülle des Sängers im Wege: es stimmt nachdenklich sehen zu müssen, wie ihm fünf Choristen nach einer im Knien absolvierten Szene wieder auf die Beine helfen müssen, während Moşuc sich ohne Probleme auf dem Flügel bewegt, um hier noch einen Zahn zuzulegen. Iordache Basalic gibt mit frischem, klaren Bariton einen junggebliebenen Vater Germont. Die väterliche Autorität wird mit fortschreitender Karriere zunehmen. Cristina Eremia als Annina, Ciprian Pahonea als Gastone, Sidonia Nica als Flora, Dan Indricău als Baron Douphol, Daniel Filipescu als Marchese d’Obigny, Iustinian Zetea als Dottore Grenvil, Narcis Brebeanu als Giuseppe und Alin Mânzat als Dienstmann und Diener Floras ergänzen das Ensemble.

Nach der Vorstellung wurde die überarbeitete Dissertation von Elena Moşuc über die Wahnsinnsszene in der Oper des 19. Jahrhunderts vorgestellt:

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Möge dieses Buch möglichst schnell auf deutsch erscheinen.

Die integrale Lieder-Aufnahme von Lipati bis Enescu wird demnächst an vorgesehenem Orte besprochen.

Ein mehr als denkwürdiger Abend!

Weitere Aufführungen: 09.03.2024 und 10.03.2024

20.01.2024, Jan Krobot/Zürich

 

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