BUENOS AIRES/ Teatro Colon: DER FEURIGE ENGEL von Sergej Prokofiew am 6.11.2015
Im tollen Opernhaus von Buenos Aires ist eine Rarität besonderer art zu hören. Prokofjew hierzulande unbekannte Oper, deren Libretto vom Komponisten selbst stammt, hat alles, was man mit russischen Werken verbindet – eine tragische Geschichte (entgegen den Gepflogenheiten, den inhalt nicht nachzuerzaehlen ein paar Stichworte: junge Frau ist vom Wunsch, den Kindheitstraummann – eben einen Engel – als Lebenspartner zu besitzen, verschmäht einen Liebenden, wird selbst verschmäht, sucht vergebens heil im Kloster, Exorzismus, Tod), explosive Leidenschaften, packende Musik, allgegenwärtige Düsternis.
Das Leasing-Team (Florencia Sanguinetti – Regie, Imme Moeller – Bühnenbild und Kostüme, Enrique Bordolini – Beleuchtung) hat ganze Arbeit geleistet, um die Wirkung dieser Oper optimal dem Publikum zu präsentieren. Auch die musikalische Umsetzung gelang bestens. An erster stelle ist das hervorragende Orchester zu nennen, das die schwierige Partitur mit bravour bewältigte. Dirigent Ira Levine war ein souveräner Leiter, der mit russischer Musik offensichtlich bestens vertraut ist. Auch der Chor unter Miguel Martinez zählte zu den Positiva des Abends. Das Sängerensemble müht sich redlich, wies aber doch einige Defizite auf. In der kräfteraubenden Titelpartie – hier wäre eine Wagner/Strauß-erprobte Sängerin vonnöten – hatte Elena Popovskaya Teilerfolg. Ihr Sopran war vor allem im ersten Akt mit viel Vorsicht auf Sparflamme zu hören. Im großen und ganzen zeigte sie aber auch beachtliche Stimmmittel. Vladimir Baykov sang den unglücklichen Ruprecht, auch er war der Rolle nicht immer gewachsen, trotz gut geführtem Bariton. Roman Sadnik ließ als Agrippa metallisches Material in Tenorlage hören. Das übrige Ensemble präsentierte sich als gutes kollektiv.
Erstaunlich, wie gut besucht dieser Abend war, erstaunlich, dass eine Millionenstadt dieses haus so selten bespielt, obwohl das Interesse an der Oper groß ist, und die künstlerischen Voraussetzungen hervorragend wären für einen Vollbetrieb.
Johannes Marksteiner