BUDAPEST
5.2.2017: „ONEGIN“. – Ballettfest Teil 2
Im Kampf der Gefühle: Lili Felméry (Tatjana) und Roland Liebich (Onegin). photographer: Szilvia Csibi.
Nach der famosen Ballettgala stand am nächsten Morgen zum 11 Uhr Matinee-Termin wieder ein edles Ballettwerk auf dem Spielplan: „Onegin“ in der Choreografie von John Cranko. (Anyegin im ungarischen Titel). In dieser Repertoire-Vorstellung glänzten die vier Protagonisten durch intensives Spiel und tänzerische Stärke. Lili Felméry als Tatjana wandelte sich glaubwürdig vom introvertierten, tiefsinnigen wie schwärmerischen Mädchen zur in tiefer Wertschätzung und großer Zuneigung in Treue ergebenen Ehefrau. Roland Liebich gestaltete seinen Onegin als arroganten selbstverliebten Dandy, der aus Langeweile und Geringschätzung dem einfachen Landadel gegenüberr durch sein intrigantes Vorgehen das Leben seines Freundes verwirkt und zuletzt selbst erfahren muss, wie es ist, abgewiesen zu werden. Mit Lili Felméry und Roland Liebich standen sich hier zwei starke präsente Persönlichkeiten gegenüber. War der Spiegel-Pas de deux vielleicht noch ein wenig zu zurückhaltend in der Leidenschaftlichkeit bei Tatjana und Onegin, so explodierten die beiden im finalen Pas de deux gleichsam in der Dramatik der Emotionen. Ein aufwühlendes Bild für das Publikum, wenn sie am Ende bebend zurückbleibt, nachdem sie ihn mit Aufbietung aller Kraft wegschickt und er unter dem Eindruck dieser endgültigen Ablehnung und der Erkenntnis alles verloren zu haben, zusammenbricht und in tiefster Verzweiflung flieht. Dies ließ niemand unter den Zuschauern unberührt und man sah vor allem Frau Felméry beim Schlussapplaus noch ihre emotionale Aufgewühltheit an.
Strahlendes Liebesglück bei Cristina Balaban (Olga) und András Rónai (Lenski). photographer: Szilvia Csibi.
Cristina Balaban gefiel als lebhaft-quirlige Olga, die in ihrer unbekümmerten Naivität die Konsequenzen nicht abschätzen kann, die sie durch ihr unbedachtes Eingehen auf die Avancen von Onegin verursacht.
András Rónai überzeugte als Lenski, der mit herzlicher Liebe Olga zugetan ist und dann fast ohnmächtig zusehen muss, wie sein Freund Onegin ihn wissentlich brüskiert. Gab es doch in der damaligen Gesellschaft keinen anderen Ausweg, als den Verursacher dieser Ungehörigkeit durch eine Duellforderung mannhaft zu stellen. In dem sehr eindringlichen Solo vor dem Duell ahnt Lenski den Ausgang voraus.
József Cserta ergänzte als solider und respektvoller Fürst Gremin die Riege der Hauptpartien.
Das Corps de ballet und das Orchester unter der gefühlvollen Leitung von Domonkos Héja agieren mit viel Herz und Seele an diesem Vormittag. In den Bann gezogen, ist man als Zuseher mitten drin im Drama nach Puschkins Versroman: es war eine sehr gute Vorstellung, die mit viel heftigem Beifall honoriert wurde.
Ira Werbowsky