Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

BUDAPEST/ Ungarische Staatsoper: "BILLY ELLIOT – DAS MUSICAL". Premiere

30.07.2016 | Operette/Musical

Budapest/ Ungarische Staatsoper

29.7.2016: „BILLY ELLIOT – DAS  MUSICAL“. Grandioser Premierenerfolg

Billy cast
Billy-Cast. Copyright: Zsofia Palyi

Die Budapester Staatsoper brachte einen internationalen Musicalhit auf die Bühne. Basierend auf dem Film Billy Elliot – I will dance entstand vor einigen Jahren eine Musical-Version – denn kein geringerer als Sir Elton John war von dem Sujet so angetan, dass er die Musik komponierte und Lee Hall verfasste dazu die Liedtexte – er hatte bereits das Filmdrehbuch geschrieben. Mit mehreren Laurence Olivier Awards ausgezeichnet lief dieses Musical von Mai 2005 bis April 2016 sehr erfolgreich in London. Auch als Broadway-Produktion heimste das Werk zahlreiche Tony Awards sowie weitere Auszeichnungen ein. 

20160729_billyelliottfopremier_015_resize
Beim Boxunterricht:  Zalán Kamarás (Michael), John Bailey McAllister (Billy), Bálint Ekanem (Mr. Braithwaite). Copyright: Zsofia Pályi

Nun gelang der Coup, diese Erfolgsstory nach Budapest zu bringen. Bereits vor über einem Jahr begannen die Vorbereitungen – zu den aufwändigen Castings kamen mehr als 100 Buben im Alter von 9 bis 12 Jahren. Die Jury bestand zunächst  aus Tamás Solymosi, (Direktor des Hungarian National Ballet), Tamás Szirtes (Stage Director), Mária Toldy (Gesangslehrerin), Ákos Tihanyi (Choreograph) sowie den beiden Dirigenten der Produktion Géza Köteles und István Silló. Die Hauptrolle ist nicht nur für ein Kind sehr anspruchsvoll – steht der Darsteller des Billy Elliot doch fast durchgehend auf der Bühne und muss viel Text sprechen, singen, Ballett tanzen aber auch Stepptanz können. Eine große Herausforderung! Die finale Entscheidung fiel jetzt im Februar mit einer erweiterten Jury, der nun auch György Szakály (Direktor der Hungarian Dance Academy), Gyula Sárközi, (Manager der Madách Musical Dance School), Mónika Barna (Dozentin an der Hungarian Dance Academy), Pál Csillag (Balletmeister) sowie alle Pädagogen angehörten, die ein Jahr lang die Kinder vorbereitet hatten. Übrig blieben für die Repertoire-Vorstellungen ab Herbst sieben „Billy“ und fünf „Michael“, um abwechselnd in den Aufführungen aufzutreten, dazu gesellen sich noch 29 Mädchen im selben Alter für die Szenen in der Ballettklasse.

Die Handlung spielt zur Zeit der Bergarbeiter-Streiks in Großbritannien 1984/85. Der 11-jährige Billy, der nach dem Tod seiner Mutter mit seinem Vater, seinem älteren Bruder und seiner Großmutter zusammen lebt, nimmt auf Wunsch seines Vaters Boxstunden, die ihm jedoch keinen Spaß machen. Zufällig  gerät der Junge in die anschließende Ballettstunde. Die Lehrerin Mrs. Wilkinson entdeckt sein Tanztalent und so besucht der Knabe als einziger unter lauter Mädchen heimlich den Ballettunterricht. Als sein Vater dahinterkommt, verbietet er ihm den weiteren Besuch der Ballettstunden. Letztlich erlaubt der Vater die Teilnahme am  Vortanzen in London dann doch, da er darin eine Chance für eine bessere Zukunft für seinen Sohn sieht als im tristen Bergarbeiteralltag. Das Geld der Ballettlehrerin für die Reise lehnt er ab, aber als alle streikenden Kollegen sammeln, überwindet er seinen Stolz und nimmt an. Zunächst glaubt Billy nicht gut abgeschnitten zu haben, erhält aber dann per Post die Zusage. Gleichzeitig geben die Streikenden auf – ihr Kampf ist verloren, sie gehen wieder unter Tag. Billy bedankt sich bei Mrs. Wilkinson für itre Unterstützung und verabschiedet sich von seiner Familie und seinem Freund Michael, der traurig zurückbleibt, als Billy sich allein nach London auf den Weg macht.

Alle Darsteller sind charaktertypisch ausgezeichnet besetzt und gefallen durch Ausdrucksstärke, Singstimme und Rollenpräsenz. Allen voran ist John Bailey McAllister in der Titelrolle zu nennen, der mit überzeugender Natürlichkeit und Bubencharme auftritt, dabei berührend und erfrischend zugleich ist. Hin und her gerissen zwischen den Wünschen des Vaters und seinen eigenen Sehnsüchten; das Vermissen der  Mutter, aber auch die Erkenntnis, dass sein bester freund schwul ist – all das verkörpert er als Billy Elliot so glaubwürdig wie zu Herzen gehend. Dabei ist er ein ausgesprochenes Bewegungstalent, tanzt, dreht Pirouetten, steppt – und singt auch noch dazu. Hier wurde mit viel Feingefühl die Rolle wunderbar erarbeitet. Zalán Kamarás als Michael ist ihm ein treuer Freund, der sein Anderssein in der ruppigen Bergarbeiter-Welt durch das Anziehen der Kleider seiner Schwester kompensiert. Éva Auksz zeigt als Mrs. Wilkinson liebevolle Strenge im Ballettsaal und Hartnäckigkeit im Durchsetzen, dass Billy unbedingt zum Vortanzen soll. Ihre rauchige Stimme unterstreicht diese konsequente Haltung perfekt und passt gut zu den groben Umgangsformen von Billys Vater als Bergmann. András Stohl bringt in seine Vaterrolle die nötige raue Schale mit weichem Kern ein; sein Ringen den Stolz zu überwinden um seinem Sohn die Chancen auf eine Ballettzukunft zu ermöglichen ist sehr gut nachvollziehbar. Richárd Borbely gefällt als heißblütiger große Bruder Tony, Eszter Csákányi ist die herzensgute, schon etwas verwirrte Großmutter, Renáta Krassy die liebevolle Mutter, die aus dem Jenseits über Billy wacht. Bálint Ekanem vervollständigt als Mr. Braithwaite das  großartige Ensemble. In Billys Traumszenen kommen Vivienne Csokán (Odette), András Szegő (Prinz/erwachsener Billy) sowie Levente Bajári (Rotbart) als Solisten vom Ungarischen Nationalballett zum Einsatz.

Das praktikable Bühnensetting von István Szlávik und die dazu zeitgemäß passenden Köstüme von Yvette Alida Kovács mit dem entsprechenden Lichtdesign von Janós „Madár“ Madarász bringen das Stück optimal auf die Bühne der ungarischen Staatsoper – nach den drei ersten Vorstellungen wandert die Produktion dann ins Erkel Theater, wo im August sogar drei Wochen en suite gespielt wird. Die Choreografie von Ákos Tihanyi ist sehr  stimmig und eindrucksvoll, die Steppszenen von Boglárka Szikora sehr flott. Das Orchester unter der Leitung von Géza Köteles sorgte für den nötigen Schwung. Da störte es keineswegs, dass auf ungarisch (!) gesungen und gesprochen wurde – mit englischen Übertiteln.

Hier passte wirklich alles – selten so ein in allen Bereichen abgerundet gelungenes Musical gesehen: unter den Zuschauern gibt es große Begeisterung, viel Jubel, lang anhaltenden Applaus und Standing Ovations für das gesamte Ensemble  und besonders für den jungen Hauptdarsteller sowie für das Leading-Team. Sehr sehenswert!

Ira Werbowsky

 

Diese Seite drucken