Budapest/Ungarische Staatsoper: 27.05.2023: „7th IVAN NAGY BALLET GALA“. – feines Tanzfest mit internationalen Gästen
Zur Erinnerung an den unerwartet 2014 verstorbenen ungarischen Tänzer Ivan Nagy wird jährlich in der Ungarischen Staatsoper ein Galaabend mit internationaler Beteiligung organisiert. Nach Abschluss seiner Ballettausbildung am Hungarian State Ballet Institute erhielt Ivan Nagy 1960 ein Engagement an der Hungarian State Opera. Fünf Jahre später wurde er Drittplazierter beim Ballettwettbewerb von Varna – einem Sprungbrett für viele internationale Ballettkarrieren – und das brachte ihm die Einladung, sich dem National Ballet of Washington, DC anzuschließen. Das war das der Beginn seiner internationalen Laufbahn als Tänzer, die ihn an renommierte Compagnien wie z.B. New York City Ballet und American Ballet Theater führte. Nach seinem Bühnenabschied 1978 arbeitete er u.a. als Ballettmeister beim Australien Ballet, war Artistic Director vom Santiago City Ballet. Weitere Stationen führten ihn mit Leitungsaufgaben ans Cincinnati Ballet und als Artistic Director ans English National Ballet. Seine große Erfahrung und Expertise führten ihn schließlich 2012 zurück nach Budapest als Artistic Advisor des Generaldirektors der Ungarischen Staatsoper. Als Tänzer machte er Furore als idealer Danseur noble des klassischen Balletts. Gerühmt für seine Technik wie darstellerischen Fähigkeiten, tanzte er mit allen bedeutenden Ballerinen seiner Zeit wie Margot Fonteyn, Carla Fracci, Natalia Makarova, Cynthia Gregory und Gelsey Kirkland.
Durch den Gala-Abend führte Melitta Gyüdi. Zu Wort kam auch Szilveszter Ókovács – der Generaldirektor der Ungarischen Staatsoper betonte in seiner Rede, aus seiner Loge heraus gehalten, die Wichtigkeit dieser Ballettgala im Gedenken an Ivan Nagy und bedankte sich bei Ballettdirektor Tamás Solymosi für die erfolgreiche Arbeit mit dem Ungarischen Nationalballett. Im Anschluss daran verlieh Tamás Solymosi den Solymosi Award an Dénes Kovács, Pädagoge des Ungarischen Nationalen Ballettinstitutes für seine Verdienste sowie für die stets exzellente Vorbereitung der Studierenden für die weihnachtliche „Nussknacker“-Serie an Aufführungen sowie für Ballettwettbewerbe.
Für die 7th Ivan Nagy Ballet Gala wurde von Tamás Solymosi ein spannendes wie abwechslungsreiches Programm zusammengestellt. Neben dem Ungarischen Nationalballett traten auch Studierende des Hungarian National Ballet Institutes auf sowie zwei Gastsolisten.
Der Italiener Jacopo Tissi, der nach Beendigung der Ballettschule zunächst beim Wiener Staatsballett engagiert war, wechselte danach ins Ballett der Mailänder Scala und tanzte im Bolshoi Ballet, Ballett des Mariinsky Theaters sowie Royal Ballet London. Derzeit ist er Guest Artist in La Scala. Für diesen Abend entführte er mit Tatyjana Melnik ins Schattenreich aus „La Bayadére“. 24 ätherisch tanzende Schatten des Mädchen-Corps de ballets bildeten stilvoll gemeinsam mit den drei Soloschatten Yuki Wakabayashi, Claudia Garcia Carriera und Ekaterine Surmava in diesem Ausschnitt aus dem Klassiker in der Choreographie von Marius Petipa und zu Musik von Ludwig Minkus den passenden Rahmen für diese Traumsequenz. Im Pas de deux schwebte Tatyjana Melnik filigran-zart wie der sie verbindende Schleier über die Bühne, war ihr Jacopo Tissi ein edler, leichtfüßig springender Partner.
Im Traum im Schattenreich vereint: Tatyjana Melnik (Nikija) und Jacopo Tissi (Solor); © Attila Nagy / Hungarian State Opera
Den finalen Höhepunkt bildete der gebürtige Kubaner Alejandro Virelles, ebenfalls mit Tatyjana Melnik als Partnerin, mit dem Pas de deux aus dem dritten Akt von „Don Quijote“ in der Choreografie von Alekszandr Gorszkij (Musik: Ludwig Minkus). Seine Tänzerlaufbahn in Kuba beginnend, führten ihn seine Engagements ans Barcelona Ballet, Boston Ballet, English National Ballet und Bayerisches Staatsballett; aktuell ist Alejandro Virelles Principal Dancer im Berliner Staatsballett. Er überzeugte hier mit eloquenter Technik, raumgreifenden Sprüngen und einer schwierigen einarmigen Hebefigur, während Tatyjana Melnik mit endlos lang gehaltenen Balancen und feinen Pirouetten reüssierte.
Spanische Grandezza par excellence: Tatyjana Melnik (Kitri) und Alejandro Virelles (Basil) © Attila Nagy / Hungarian State Opera
Zehn Paare des Hungarian National Ballet Institutes leiteten den Abend mit der Polonaise aus der „Paquita Suite“ (Choreografie: Marius Petipa; Musik: Ludwig Minkus) ein. Ballettnachwuchs bestritt dann auch einen weiteren Programmpunkt: begleitet von Tango Harmony Budapest, tanzten Liza Gulyás und Bertalan Máté Vincze mit gekonnt stolzer Haltung das von Dénes Kovács kreierte Stück „Milongueando En El 40“ zu einem Musikstück von Armando Pontier. Begeisterter Applaus galt den beiden jüngsten Auftretenden dieser Gala-Vorstellung!
die Jüngsten zeigten bereits Stil und Technik wie die Großen: Liza Gulyás und Bertalan Máté Vincze; © Attila Nagy / Hungarian State Opera
Der Tango, seit 2009 Teil des immateriellen Kulturerbes der Menschheit in der Auflistung der UNESCO, war dann auch Thema zu Beginn des zweiten Teils. Energiegeladene Spannung zwischen den Geschlechtern war bei Hans van Manens „5 Tangos“ zur Komposition von Astor Piazzolla spürbar. Angeführt von Lili Felméry und Gergely Leblanc tanzten sechs weitere Paare in unterschiedlichen Konstellationen in dieser Kreation von Hans van Manen, einem der bedeutendsten Erneuerer des Tanzes. In dem für ihn typischen Stil vereinten sich klassische Schritte und zeitgenössische Bewegungsformen zu einer gelungenen Symbiose.
Zeitgenössisches wurde auch mit „Sad Case“ von Sol León und Paul Lightfoot präsentiert: zu einem Musik-Mix von mexikanischen Mambo-Melodien von Perez Prado, Alberto Dominguez, Ernesto Lecuona, Ray Barretto und Trio Los Panchos tanzten Inés Furuhashi-Huber, Miyu Takamori, Valerio Palumbo, Motomi Kiyota und Carlos Taravillo Mahillo mit unglaublicher körperlichen Beweglichkeit diese sehr dynamische Kreation des Choreografen-Duos, das unter dem Eindruck der Schwangerschaft von Sol León entstanden war. Emotionale Hochs und Tiefs als Folge von Hormonschwankungen lassen die originellen wie ungewöhnlichen Bewegungsfolgen von satirisch bis ernsthaft changieren, am schmalen Grad des Grotesken gekonnt balancierend.
Motomi Kiyota gefiel nicht nur mit seinem Auftritt in „Sad Case“, er bewies mit der zierlichen Lee Yourim im Pas de deux aus „Diana und Acteon“ (Choreografie: Agrippina Vaganova; Musik: Riccardo Drigo), was er als klassischer Tänzer „drauf“ hat und demonstrierte sein gewaltiges Sprungvermögen mit fulminanten Sprüngen.
Ein weiterer Beitrag aus dem klassischen Ballettrepertoire wurde mit einem Pas de deux aus „Esmeralda“ (Choreografie: Jules Perrot; Musik: Cesare Pugni) geboten – Maria Beck und Gergő Ármin Balázsi waren ein elegantes Paar.
Das mit viel Esprit spielende Orchester der Ungarischen Staatsoper wurde von László Kovács geleitet. Langhaltender heftiger Beifall und großer Jubel beendeten diese Hommage an Ivan Nagy, der mit dieser grandios getanzten Ballett-Gala entsprechend gewürdigt wurde.
Ira Werbowsky