BUDAPEST – Staatsoper
13.01.2024: „ONEGIN“. – emotionsgeladene abendliche Repertoirevorstellung
Kaum ist die Serie an „Nussknacker“-Vorstellungen in der Budapester Staatsoper beendet – 41 ausverkaufte Aufführungen sowie zwei ebenfalls ausverkaufte Generalproben von Ende November bis Anfang Jänner mit mehrfach zwei Aufführungen pro Tag an den Wochenenden – steht wieder ein bekanntes Handlungsballett auf dem Spielplan des Ungarischen Nationalballetts. „Onegin“ in der Choreografie von John Cranko basiert auf dem Versroman von Alexander Puschkin. Zur Musik von Pyotr Ilyich Tchaikovsky – arrangiert von Kurt-Heinz Stolze – nimmt die Handlung in drei Akten ihren fatalen Lauf. Anyegin. – Der schlichte goldfarbene Schriftzug auf schwarzem Vorhang hebt sich zum tragischen Bühnengeschehen (Kostüme und Bühne: Thomas Mika, Licht: Steen Bjarke). Der bornierte und selbstgefällige Onegin weist nicht nur Tatjana brüsk zurück, die ihm ihre schwärmerische Liebe in einem Brief gestanden hat, sondern er verschuldet auch den Tod seines Freundes Lenski im Duell. Onegins reumütige Erkenntnis ob seines gedankenlosen und folgenschweren Verhaltens kommt zu spät – Tatjana weist ihn Jahre später in einem hoch emotionalen Zusammentreffen ab, er stürzt verzweifelt davon.
In dieser Abendvorstellung überzeugt Dmitry Timofeev als der sich herablassend benehmende und die Landadelsgesellschaft verachtende Onegin, deren Gast er ist. Facettenreich in seinem Ausdruck, wandelt sich seine kühl-distanzierte Haltung in Zorn, als er sich durch Tatjanas Schwärmerei belästigt sieht; er zeigt Schmerz über den von ihm verursachten Tod seines Freundes und zuletzt ist er voller Verzweiflung, als ihn Tatjana abweist. Tatyjana Melnyik verkörpert die Tatjana, die sich vom verträumten Mädchen mit diesem inneren Leuchten einer stillen Schwärmerei für Onegin in eine liebende Ehefrau wandelt und ihrem Ehemann Fürst Gremin zutiefst zugetan ist. Grandios und sehr berührend ist sie im finalen Pas de deux, als sie Onegin letztlich widersteht und ihn unter Aufbietung aller Kräfte weg schickt, nachdem sie seinen Liebesbrief vor ihm zerrissen hat – wie er es damals mit ihrem getan hat. Diese emotionale Aufgewühltheit hält auch noch beim Schlussapplaus an, nimmt sie den begeisterten Beifall doch sichtlich bewegt entgegen.
Finale Begegnung: Tatyjana Melnyik (Tatjana) weist Dmitry Timofeev (Onegin) zurück (Copyright: János Kummer/ Hungarian State Opera)
Ausdrucksstark gestaltet auch das zweite Hauptpaar seine Parts: Als quirlige Olga präsentiert sich Miyu Takamori – glücklich verliebt in ihren Lenski, lässt sie sich allerdings durch den gewandten Onegin zu unbedachtem Handeln verleiten und trauert schließlich voller Gram um ihren toten Verlobten. Yago Guerra gefällt als Lenski – in seiner tiefen Liebe zu Olga kann er Onegins unpassendes Benehmen nicht zulassen und lässt sich zur unglückseligen Duellforderung hinreißen.
Die verhängnisvolle Duellszene: im Hintergrund die Kontrahenten Yago Guerra (Lenski) und Dmitry Timofeev (Onegin), im Vordergrund Tatyjana Melnyik (Tatjana) und Miyu Takamori (Olga); Copyright: János Kummer/ Hungarian State Opera
Mikalai Radziush (Gremin), Zsófia Gyarmati (Larina) und Ágnes Riedl (Amme) ergänzen solide agierend das Handlungsgeschehen. Das Corps de ballet, das bereits in der Matineevorstellung am selben Tag im Einsatz war, tanzt mit viel Esprit in den Ensembleszenen. David Coleman leitet als routinierter Ballettdirigent das Orchester der Ungarischen Staatsoper mit fein differenzierter Stabführung.
Ball bei Fürst Gremin: das exzellent tanzende Corps de ballet (Copyright: János Kummer/ Hungarian State Opera)
Das Publikum in der ausverkauften Ungarischen Staatsoper spendet langanhaltenden intensiven Beifall.
Ira Werbowsky