Staatsoper Budapest: Ballett MANON 28.2.2015 – Premiere
Lescaut und seine Geliebte: Balázs Majoros und Kristina Starostina. Copyright: Attila Nagy
Vom britischen Choreographen und Tänzer Sir Kenneth MacMillan (1929-92) stammen die meisten Handlungsballette der zweiten Hälfte des 20. Jhd. „Manon“ war nach „Anastasia“ sein zweites dreiaktiges Ballett als künstlerischer Direktor des Royal Ballet und erlebte dort 1974 seine Uraufführung. Das Szenario für „Manon“ entwarf MacMillan nach der 1731 erschienen Novelle von Abbé Prévost „L’Histoire du Chevalier des Grieux et de Manon Lescaut“.
Da sich Puccinis Oper „Manon Lescaut“ im Repertoire des Royal Opera HousesCovent Garden befand, erhielt MacMillan den Ratschlag, für sein Unterfangen auf die weniger bekannte Fassung von Jules Massenet zurück zu greifen.
MacMillan wählte nun für sein Ballett ausschließlich Musik von Jules Massenet unter Auslassung von dessen gleichnamiger Oper „Manon“ aus. Stücke aus 13 Opern von Massenets, darunter „Le Cid“, „Chérubin“, „Don Quichotte“, „Thaïs“, „Cendrillon“, „Cléopâtre“, „Le roi de Lahore“ und „La Navarraise“, zwei Oratorien, Orchestersuiten und Klavierwerke,fanden Verwendung und wurden von Leighton Lucas (1903-82), einem ehemaligen Tänzer von Sergei DiaghilevsBalletsRusses, arrangiert und teilweise orchestriert wurden. Diese Fassung wird auch derzeit an der Wiener Staatsoper gezeigt. 2011 besorgte dann der britische Dirigent Martin Yates (1958*) eine Neuorchestrierung, die nun in Budapest gespielt wurde.
Gezeigt wurde die originale Produktion in der Ausstattung von Nicholas Georgiadis(1923-2001), die von den britischen Choreographen Garry Harris und Maina Gielgudfür Budapest einstudiert wurde. Georgiadis Ausstattung verlegt die Handlung des Balletts in das späte 18. Jhd. am Vorabend der französischen Revolution. Lumpen zieren den Hintergrund der Bühne in den ersten beiden Akten, Bettler, Diebe und Prostituierte huschen zwischen den einzelnen Szenen umher. Seine Ideen für die Kostüme fand er in Gemälden des 18. Jhd, so beispielsweise jenes eines Mädchens in Knabengewand.
Ausgangspunkt für alle seine Choreographien und Kernstück ist der von leidenschaftlichster Emotionalität erfüllte Pas de deux, mit dem er die größte Ausweglosigkeit und die höchste Glückseligkeit einzufangen versteht. Sensibel lotet er in „Manon“ alle zwischenmenschlichen Beziehungen und alle Abgründe menschlicher Obsessionen aus.
Die aus Kasachstan stammende Tänzerin Aliya Tanykpayeva, zwischen 2005 und 2009 Solotänzerin an der Wiener Staatsoper, trat in der Titelrolle als zartes, zerbrechliches Mädchen, das zwischen koketter Arroganz und natürlicher Anmut spielerisch zu changieren weiß, auf. In der Rolle des DesGrieuxstellte der russische Tänzer Dmitry Timofeevan diesem Abend sein geradezu artistisches Talent, seine beeindruckende Sprungkraft gepaart mit einer eleganten Leichtigkeit unter Beweis.
Balázs Majorosdemonstrierte als Lescaut großes tänzerisches Können und einen mehr als zwiespältigen Charakter. György Szirb gefiel als herrschsüchtiger und gewalttätiger reicher Monsieur G. M. Eine köstliche Parodie bot Marianne Venekei als matronenhafte Madame. In weiteren Rollen wirktennoch Kristina Starostina als Lescauts Geliebte, József Cserta als Gefängniswächter und András Szegó als Bettlerkönig mit.
Die Besetzungsliste verzeichnet nochCristina Balaban undJessicaLeonCarulla als Prostituierte sowie Boris Myasnikov, Benjamin Barbácsi und Carlos Taravillo als Gäste.
Am Pult des Orchesters der Ungarischen Staatsoper stand an diesem Abend Gergely Kesselyák, der die bekannten und weniger bekannten Melodien des großen französischen Romantikers gefühlvoll aus dem Graben aufsteigen ließ. Das Publikum spendete dem Protagonistenpaar und auch dem äußerst unterhaltsamen Besoffenen Pas-de-Deux von Lescaut und seiner Geliebten reichlichen und verdienten Zwischenapplaus.
Am Ende des Abends wurden alle Mitwirkenden noch mit reichlichem Applaus für ihren gelungenen Einsatz an diesem Premierenabend bedankt und auch der Ballettchef und ehemalige Tänzer TamásSolymosi kann mit den Leistungen seines Ensembles zufrieden sein.
Harald Lacina