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BUDAPEST/Staatsoper: „BARTÓK TÁNC TRIPTICHON“. – drei Piecen von Béla Bartók vereint in einem Ballettprogramm

11.02.2024 | Ballett/Performance

10.02.2024: „BARTÓK TÁNC TRIPTICHON“. – drei Piecen von Béla Bartók vereint in einem Ballettprogramm

 Hatte in der Woche davor in der Ungarischen Staatsoper die Premiere dieses dreiteiligen Ballettabends stattgefunden, so war in der nun dritten Vorstellung am Samstag zum Matinee-Termin das Interesse natürlich weiterhin ungebrochen an der tänzerischen Umsetzung dieser wichtigen Musikstücke. Im Mittelpunkt stehen drei Werke des weltberühmten ungarischen Komponisten Béla Bartók (1881–1945). Zunächst bekannt als Pianist, war Béla Bartók nicht nur ein sehr bedeutender Komponist, sondern er widmete sich auch gemeinsam mit seinem Freund Zoltán Kodály intensiv der Sammlung und Beforschung ungarischer Volksmusik.

In Würdigung dieses ungarischen Künstlers erhielten drei ungarische Tanzschaffende die Gelegenheit jeweils eine Choreografie zu gestalten. Während „Der holzgeschnitzte Prinz“ (im ungarischen Original „A FÁBÓL FARAGOTT KIRÁLYFI“) von László Velekei bereits im Vorjahr Premiere hatte, waren die beiden anderen Piecen für diese Zusammenstellung eines mehrteiligen Ballettabends jeweils Uraufführungen: A CSODÁLATOS MANDARIN“ von Marianna Venekei sowie „TÁNCSZVIT“ von Kristóf Várnagy.

„Der Wunderbare Mandarin“ – ein Skandal bei der damaligen Welturaufführung vor knapp 100 Jahren – zählt heute zu den Meilensteinen von Bartóks Musikwerken. Über die Jahrzehnte gab es mehrere choreografische Fassungen im Repertoire des Ungarischen Nationalballetts, darunter die Versionen von Gyula Harangozó sen., László Seregi, Antal Fodor oder Jenő Lőcsei. Aktuell hat sich Marianna Venekei mit diesem Stoff beschäftigt, basierend auf der Geschichte „Der wunderbare Mandarin“ von Menyhért Lengyel (1880–1974), veröffentlicht 1916. Hier geht es um drei Halunken, die das Mädchen zwingen, Männer anzulocken und die diese dann ausrauben. Marianna Venekei blickt auf eine bemerkenswerte Karriere als Tänzerin im Ungarischen Nationalballett zurück und wurde vielfach ausgezeichnet wie mit dem Gyula Harangozó Award (2001), dem EuroPAS Award (2005), „Merit of the Hungarian Republic“ (2015) sowie dem „Seregi Award“ (2020). Sie arbeitet als Ballettmeisterin im Ungarischen Nationalballett; als Choreografin hat sie bereits zahlreiche Werke geschaffen wie  „Chapter II“, „Gull Dance“, „The Jungle Book“, „Déja vu“ und „Fifth Season“. Ihr  erstes abendfüllendes Handlungsballett „A Streetcar Named Desire“ hatte 2017 Uraufführung; für die Bánffy Bühne in den Eiffel Art Studios entstand 2021Firebirds“ zu Strawinskys Musik; sie schuf auch bereits einige Tanzsequenzen für Opernproduktionen wie für Richard Wagner’s „Götterdämmerung“ und Ludwig van Beethoven’s „Die Ruinen von Athen“.

 Bei Marinna Venekei spielt die dramatische wie brutale Handlung vom „Wunderbaren Mandarin“ in einer hektischen Großstadt (Set Designer: Gergely Zöldy Z, Costume Designer: Mónika Szelei, Video Designer: Zsombor Czeglédi). Die drei Gangster überfallen gemeinsam mit dem Mädchen als Lockvogel ahnungslose Passanten, eine Figur – der Mandarin – bewegt sich in dieser rastlosen Szenerie wie in Zeitlupe – sofort stellt sich eine unerklärliche Anziehungskraft zwischen ihm und dem Mädchen ein. Im Unterschlupf der drei Halunken kommen zunächst ein alter Mann und ein Junge vorbei – dann taucht der Mandarin auf. Das Mädchen kann sich seiner Energie nicht entziehen und ist bereit mit ihm mitzugehen. Die drei Ganoven, die zunächst kein Interesse am seltsamen Fremden hatten, wollen ihn aber nicht weglassen, nach mehreren Versuchen ihn zu töten, hängen sie ihn schließlich. Das Mädchen bleibt gebrochen in Trauer zurück.

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Das Mädchen (Lea Földi) und der Mandarin (Iurii Kekalo); ©Valter Berecz / Hungarian State Opera

Lea Földi überzeugt als Mädchen mit starkem Ausdruck; sie ist Spielball der drei Diebe und versucht sich ihnen gegenüber dennoch zu behaupten. Als sie auf den Mandarin trifft, geschieht Unerklärliches mit ihr, denn sie kann sich seinem seltsamen Sog nicht entziehen – diese Szenen sind besonders intensiv, wenn sie fast wie eine Marionette diese unsichtbare Verbindung zu dem Fremden körperlich spürt. Iurii Kekalo verkörpert den Mandarin als präsente wie unwirkliche Erscheinung. Balázs Majoros, Carlos Taravillo Mahillo und Yago Guerra überzeugen als die drei brutalen Räuber.Nach der Pause entführt László Velekei mit seiner Choreografie des „Holzgeschnitzten Prinzen“ in die Märchenwelt. László Velekei  ist seit 2015 Artistic Director vom Györi Balett und seit 2020 deren Direktor, nachdem er viele Jahre als Solotänzer in der Ballettcompagnie von Győr engagiert war. Als Choreograf schuf er bereits viele Werke für sein Ballettensemble, darunter auch Handlungsballette  wie u.a. „GisL“ oder „A Scarlet Letter“. „Der  holzgeschnitzte Prinz“ ist seine erste Kreation für das Ungarische Nationalballett. Ihm wurde bereits der Harangozó Award sowie der Seregi Award verliehen und er ist Artist of Merit. Als Choreograf macht er es sich zur Aufgabe klassische Handlungsballette zeitgenössisch im neoklassischen Stil zu interpretieren. 

Das Libretto zum „Holzgeschnitzten Prinz“ in der Art eines Volksmärchens stammt von Béla Balázs (1884–1949), der auch das Stück in Versen „Duke Bluebeard’s Castle“ verfasste. Die Hnadlung spielt in einer wunderschönen märchenhaften Szenerie (Set Designer: István Rózsa, Costume Designer: Nóra Rományi, Lighting Designer: Tamás Pillinger): Getrennt durch einen von einer Fee bewachten Wald leben an gegenüberliegenden Rändern ein Prinz und eine Prinzessin. Eines schönen Morgens betritt die Prinzessin den Wald und zufällig geht zur selben Zeit auch der Prinz dort spazieren. Die Fee als mächtige Hüterin des Waldes will aber deren Zusammentreffen verhindern und schickt die Prinzessin zurück in ihr Schloss, aber zu spät, der Prinz hat sie erblickt und sich auf Anhieb in sie verliebt. Er versucht sich ihr zu nähern, aber der Wald verhindert dies unter dem Einfluss der machtvollen Fee, indem Bäume den Weg des Prinzen blockieren. Doch der Prinz überwindet diese Hindernisse, daher veranlasst die Fee, dass das Wasser steigt. Die Fluten überwältigen ihn und in den Wassermassen gehen dem Prinzen seine königlichen Insignien verloren. Als Ersatz erschafft die Fee eine hölzerne Kopie des Prinzen für sich und schmückt die Figur mit dessen Krone und Mantel. Der Prinzessin gefällt dieses seltsame Wesen jedoch sehr, daher muss die Fee erneut mit ihren Zauberkräften eingreifen – sie verleiht dem Holzstück Leben. Daraufhin tanzt die Prinzessin mit dem holzgeschnitzten Prinzen und nimmt ihn in ihr Schloss mit. Traurig beobachte dies der echte Prinz, der die Fluten überlebt hat. Er findet Linderung seines Kummers, indem er such der Natur zuwendet. Die Fee krönt ihn zum König des Waldes. Das erregt jedoch die Aufmerksamkeit der Prinzessin, da sie nach und nach das Interesse an der steifen Holzpuppe verloren hat. Diesmal wendet sich der Prinz von der opportunistischen Prinzessin ab, die sich ebenfalls im Dickicht verstrickt, das die Fee entstehen hat lassen. Geläutert erkennt die Prinzessin, was wahren Wert hat und wirft ihre Krone weg. Der Prinz und die Prinzessin finden endlich zueinander, die Natur ist versöhnt und beschützt nun die Liebenden.

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Der Prinz (Boris Zhurilov) und die Fee (Maria Yakovleva) inA FÁBÓL FARAGOTT KIRÁLYFI“) von László Velekei; ©Valter Berecz / Hungarian State Opera

Grandios hier Maria Yakovleva als omnipräsente Fee, die mit ihren magischen Kräften als Beschützerin der Natur und des Waldes die Fäden der Handlung in ihren Händen hält. Boris Zhurilov überzeugt als edler Prinz, der nicht nur seine Liebe findet, sondern auch in der Wahrung der Natur seine Bestimmung findet. Ellina Pohodnih gefällt als Prinzessin, die sich  zunächst von der Prinzenkrone blenden lässt, auf die gekrönte Holzfigur hereinfällt, die eigentlich nur eine Attrappe ist, bis sie erkennt, was im Leben wichtig ist  – die Liebe – unabhängig von Geld oder Macht und die Natur schätzen lernt. Motomi Kiyota ist witzig-grotesk anzuschauen mit seinen steifen Bewegungen als holzgeschnitzter Prinz. Das Corps de ballet verwandelt sich in Velekeis Bewegungssprache in Bäume oder Wellen und entführt so glaubhaft in die Märchenwelt. Auch eine kurze Unterbrechung wegen Stromausfalls im Orchestergraben tat dem Fluss der Handlung keinen Abbruch – das Publikum war sehr angetan von dieser zauberhaften Geschichte.

Den Abschluss des Programms bildete „Dance Suite“. Der Performer, Tänzer und Choreograf  Kristóf Várnagy kam eher zufällig zum Tanz. Er komplettierte seine Ausbildung an der Academy of Dance, ist Preisträger von nationalen und internationalen Ballettwettbewerben und ist Gewinner mehrerer Stipendien. Er experimentierte mit verschiedenen Tanzstilen wie mit Contemporary, klassischem Ballett und Zirkus. Als Tänzer war er u.a. in der Pál Frenak Company und als Solist  im Cullberg Ballet sowie dem Royal Swedish Ballet engagiert. Sein Debut im Zirkus-Metier gab er im Cirque du Soleil, aktuell ist er Mitglied von Recirque. Gegründet 2012 in Ungarn von Bence Vági, vereint diese Contemporary Circus Company in den Produktionen Tanz, Theater und Zirkus in einer einzigartigen Verbindung dieser künstlerischen Elemente.

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Ensemble in TÁNCSZVIT“ von Kristóf Várnagy; ©Valter Berecz / Hungarian State Opera

2012 begann Várnagy zu choreografieren; „Dance Suite“ ist seine erste Arbeit für das Ungarische Nationalballett. Die Komposition von Belá Bartók wurde vor 100 Jahren uraufgeführt und besteht aus fünf Teilen, die mit kleinen Interludes verbunden sind. Jeder dieser Tänze hat ein an Folklore erinnerndes Thema, ist aber keine Volksmusik. Auf leerer Bühne, die ein wenig an ein Balanchine-Setting erinnert, tanzt das Ensemble bestehend aus Soobin Lee, Diana Kosyreva, Stefanida Ovcharenko, Kristina Starostina, Louis Scrivener, Timofiy Bykovets, Alberto Ortega de Pablos, Luca Massara sowie Lilla Emese Varga (MNBI), Lilli Csenge Koltay-Szabó (MNBI), Mariia Prangova (MNBI) und Léna Petrovics (MNBI) – mit viel Esprit in unterschiedlichen Kombinationen und Formationen in einer Verbindung von vordringlich klassischem Schrittmaterial als Referenz an Traditionen in der Kunst mit zeitgenössischer Interpretation in an Folklore-erinnernden Kostümen (Costume Designer: Zita Bélavári; Lighting Designer: Tamás Pillinger).

Für diese Produktion kamen auch Tänzerinnen vom Ungarischen Nationalballett Institut (MNBI) zum Einsatz.  

Hervorragend die musikalische Interpretation dieses Bartók-Triptychon vom Orchester unter der souveränen Stabführung von Gergely Vajda. Sehr viel Applaus!
 
Ira Werbowsky

 

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