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BUDAPEST/ Operettentheater: SYBILL – Operette von Viktor Jakobi

19.04.2016 | Operette/Musical

BUDAPEST/ Operettentheater: SYBILL von Viktor Jacobi am 17.4.2016

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Das tanzende Regiment. Copyright: Operettentheater

 Nicht alles ist schlecht an nationalistischen Tendenzen. Der (von staatlichen Intendanten schwer zurückzuweisende) Wunsch der Regierung Orban nach mehr ungarischem Repertoire auf den Spielplänen führt so gelegentlich zu erfreulichen Begegnungen mit bei uns nahezu unbekannten Werken wie z.B. mit Sybill von Viktor Jacobi am Budapester Operettentheater.

Jacobi(1883-1921) war ein Studienkollege Kalmans und anfangs ebenso erfolgreich, bevor er in New York starb. Seine Sybill (1914) trat von Budapest aus einen Siegeszug an von Berlin(mit Fritzi Massary) über Wien(im Statdtheater und im Theater an der Wien) bis nach Grossbritannien, Amerika und sogar Australien.

Es ist auch in der Tat ein interessantes Werk. Jacobis Musik mag beim ersten Anhören nicht so direkt ins Ohr und ins Blut gehen wie die Kalmans, ist aber immer inspiriert und rhythmisch prägnant.

Auch das Libretto ist ziemlich ungewöhnlich: die Geschichte der französischen Sängerin Sybil, die auf einer Russlandtournee in der Provinzstadt Bomsk(!) für eine russische Grossherzogin gehalten wird, und bei dieser Verwechslung ihrem einheimischen Geliebten zuliebe(der wegen ihr desertiert ist) anfänglich mitspielt, weist nämlich letztlich kein Happy-End im klassischen Operettensinne auf.

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Die Paare beim Tausch. Copyright: Operettentheater

Außerdem kommt es im zweiten Akt – bei vollem Bewusstsein aller Beteiligten – zu Swingerclub-ähnlichen Partnertauschbestrebungen zwischen dem Großherzog und der Sängerin bzw. der Grossherzogin und dem aristokratischen Leutnant. Ausgang ungewiss.

Das Budapester Operettentheater, ein wunderschöner Helmer und Fellner-Bau, ist derzeit wahrscheinlich die beste Heimstätte für die „leichte Muse“ in Europa. Hier wird die Operette noch ernstgenommen, hier ist Minimalismus ganz und gar nicht angesagt, im Gegenteil: hier werden weder Kosten noch Mühen gespart, um dem Genre zu seinem ehemaligen Glanz wieder-zuverhelfen.

So auch bei dieser Inszenierung des jungen Regisseurs Mate Szabo.

Es tut sich immer etwas auf der Bühne, ständig sind Statisten, Choristen und Balletteusen in Bewegung, es gibt unzählige, präzise Lichtwechsel in einer einzigen Szene, das Bühnenbild ist großartig, die Kostüme und Requisiten sind wunderschön. Man kommt mit dem Schauen kaum nach.

Außerdem kann das homogene Ensemble nicht nur hervorragend singen, sondern auch spielen und tanzen, ohne Ausnahme.

Ungerechterweise besonders hervorgehoben seien: Enikő Éva Lévai (Sybill), Sándor Barkóczi (ihr Lover Petrov), Zoltán Miller (der sie ebenfalls begehrende Großfürst) und Tünde Frankó (die sich rächenwollende Grossfürstin.

Es ist ein einziger Genuss. Und eine Wiederbegegnung mit Sybill in Wien wäre durchaus wünschenswert.

 Robert Quitta, Budapest

 

 

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