„Die Walküre“: Foto: Szilvia Csibi/ Müpa Budapest
BUDAPEST/MÜPA: Kurzbericht DIE WALKÜRE und SIEGFRIED am 14. und 15. Juni 2019
Ein „Ring“ in nur vier Tagen! So schwebte es Richard Wagner einmal vor. Aber auch für Rezensenten, die noch Anderes zu tun haben, ja sogar etwas schlafen müssen, sind das für längere und überlegte Rezensionen grenzwertige Bedingungen. Deshalb nach der noch ausführlichen Rezension des „Rheingold“ heute nur ein Kurzbericht zum 1. und 2. Abend der am Palast der Künste (MÜPA) in Budapest face-gelifteten Inszenierung der Tetralogie durch Hartmut Schörghofer unter der musikalischen Leitung von Ádám Fischer, dem Spiritus Mentor der „Wagner-Tage“. Es stellt sich immer mehr heraus, dass er wie einst Gustav Kuhn in Erl die dynamische, treibende Kraft hinter diesem erlesenen Wagner-Festival ist. Mit seinem auch emotional beeindruckenden Engagement reißt er einfach alle Mitwirkenden in den Strom der unendlichen Melodie Richard Wagners hinein…
„Die Walküre“Foto: Szilvia Csibi/Müpa/Budapest
„Die Walküre“ wurde, wenn man einmal von der großartigen Leistung des Ungarischen Radio Symphonie Orchesters unter seiner engagierten, ja nahezu emphatischen Führung absieht, zum Abend der Weltklasse-Brünnhilde Catherine Foster. Seit sechs Jahren die „Stamm-Brünnhilde“ in Bayreuth, begeisterte sie mit ihrer wirklich hochdarantischen Durchschlagskraft bei dennoch feinstem Legato und pianistischer Lyrik in den subtilen Momenten sowie einer genauestens die Bedeutung jedes Momentes ihrer Aktion und Interaktion auf den Bühne interpretierenden Mimik. Foster singt und spielt die Brünnhilde nicht nur. Man könnte sagen, sie IST Brünnhilde.
Catherine Foster (Brünnhilde). Foto: Szilvia Csibi/Müpa Budapest
Das scheint auch Johan Reuter, ihren Wotan, mitgerissen zu haben. Denn er agierte an diesem Abend weitaus engagierter und emotialer also noch im – auf diesem Gebiet ja auch beschränkteren – „Rheingold“. Seinen Bassbariton setzte er sehr flexibel und ausdrucksvoll ein. Stuart Skelton gab einen stimmlich eindrucksvollen Siegmund, der vokal alle Facetten der Rolle mit großer Kraft und auch nahezu endlosen „Wälse-Rufen“ interpretierte, aber es wieder einmal an darstellerischem Ausdruck mangeln ließ. Ganz anders die wunderbare Sieglinde von der erst vor wenigen Tagen in Wien zur österreichischen Kammersängerin gekürten Camilla Nylund. Sie gab eine Sieglinde mit bestechender emotionaler Intensität, ganz so, als wäre sie in einer szenischen Produktion. Auch stimmlich gab die Nylund alles, was sie hat. Und das war an diesem Abend sehr viel, auch und gerade was die Dramatik betrifft. Ein übel dräuender Hunding war der Österreicher Albert Pesendorfer, sicher derzeit einer der ersten Rollenvertreter weltweit. Das Walküren-Oktett ließ ebenfalls stimmlich keine Wünsche offen und war durch Gábor Vida mit der allegorisch als Pferde agierenden Tanzgruppe interessant choreografiert – besser jedenfalls als bei Keith Warner an Covent Garden in London.
„Siegfried“: Gerhard Siegel, Stefan Vinke. Foto: János Posztós/ Müpa Budapest
Im „Siegfried“ gab es zunächst eine technische Panne im Orchester, sodass die Aufführung mit etwa 20-minütiger Verspätung begann, länger, als es sich selbst Valery Gergiev ohne eien solche Panne erlauben würde. Aber es gab eine entsprechende Ansage. Ádám Fischer legte dann umso engagierter los, und man hatte zeitweise den Eindruck, er wolle den Zeitverlust wie ein ICE-Lokführer wieder einholen. Manches schien zu schnell zu geraten und des Öfteren auch zu laut. Aber es passte in gewisser Weise zur vokalen Präsentation eines der zwei weltbesten Siegfriede, Stefan Vinke, der mit einer nahezu unglaublichen Energie die Titelrolle nicht nur darstellerisch interpretierte, sondern auch stimmlich meisterte. Das Wort „durchhielt“ würde hier viel zu kurz greifen. Man kann über diese Leistung nur staunen, wenn man bedenkt, dass er heute gleich noch den „Götterdämmerung“-Siegfried „nachschiebt“…und sich das offenbar auch voll zutraut. Vinkes großes Ass ist seine unglaublich sichere Höhe. Der heute 51-Jährige wollte ursprünglich Kirchenmusiker werden, zumal man einen Organisten in der katholischen Pfarrei Köln brauchte. Nach dem Abitur bestand er dort die Aufnahmeprüfung für Kirchenmusik und bekam eine Stelle als Kirchenmusiker in Köln, ein moderner Palästrina sozusagen… Da es damals einen Mangel an Frauenstimmen im Kirchenmusikinstitut gab, sang Vinke oft die Altstimme(n) (Ref. mein Interview mit ihm in Lissabon 2009 – https://www.klaus-billand.com/deutsch/interviews/saengerinnen-und-saenger/stefan-vinke-wagner-heldentenor-lissabon-oktober-2009.html). Das erklärt vieles.
Gerhard Siegel war einmal mehr ein Weltklasse-Mime, und die beiden machten den 1. Aufzug zu einer großen Show. Siegel könnte auch noch ein Siegmund oder Siegfried sein, ein Bühnentier par excellence. Die Britin Allison Oakes, vielen bekannt als Gutrune aus dem Bayreuther Castorf-„Ring“, gab ihr Rollendebut als „Siegfried“-Brünnhilde und machte ihre Sache erstaunlich gut. Sie legte insbesondere Wert auf die gesangliche Komponente bei guter Diktion, weniger auf Dramatik. Sie ist auch keine Hochdramatische, die man als „Siegfried“-Brünnhilde auch nicht sein muss. Bei den finalen Spitzentönen, den drei Hs und dem abschließenden hohen C wurden vokale Grenzen hörbar, was aber ihrer guten Gesamtleistung keinen Abbruch tat. Tomasz Konieczny, der hier mit dem Amfortas vor vielen Jahren wohl seine erste große Wagner-Partie gab, war der Wanderer und sang meines Erachtens, insbesondere im Dialog mit Erda, ständig viel zu laut und undifferenziert. Von Phrasierung, vielleicht auch mal einem Zurücknehmen der Stimme zugunsten eines subtileren Austrucks, war wenig zu vernehmen. Dabei hat er die Rolle doch oft genug gesungen. Péter Kálmán war als Alberich diesmal nicht ganz so stimmstark wie noch im „Rheingold“, zeigte aber auch hier eine starke Leistung. Walter Fink röhrte im wahrsten Sinne des Wortes den Fafner, denn er erschien schließlich mit dem Megaphon auf der Bühne… Erika Gál, immer wieder im MÜPA mit ihrem klangvollen Mezzo bestechend, wurde wieder ins Off verbannt, wohl mit dem Argument, die Erda sänge aus einer anderen Welt. Gerade mit dem lauten Konieczny blieb sie damit aber so blass, dass von der Ernsthaftigkeit des finalen Dialogs mit Wotan kaum etwas zu spüren war. Ein Fehlgriff der Regie! Die kleine Eszter Zemlényi zwitscherte vom Orgelbalkon einen munteren Waldvogel.
Stefan Vinke, Allison Oakes. Foto: János Posztós.
Zur Inszenierung, die ja keine sein will, aber manchmal fast eine ist, möchte ich an dieser Stelle noch nicht viel sagen. Das soll der abschließenden Kritik nach der „Götterdämmerung“ vorbehalten bleiben. Man soll ja den Tag nicht vor dem Abend loben, obwohl es auch in der „Walküre“ und im „Siegfried“ bei allem Respekt für gute Arbeit am Tag schonmal etwas dunkel wurde…
Klaus Billand