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BUDAPEST/ FRÜHLINGSFESTIVAL (10. – 26.4.): SCHWANENSEE u.a.

27.04.2015 | Ballett/Performance

Budapester Frühlingsfestival 2015 (10. bis 26. April). u.a. mit SCHWANENSEE.

Eine Großpackung für den Kulturgenuss

Eine gute Zeit kann der Reisende in Sache Kulturfreuden beim Budapester Frühlingsfestival, bereits im 35. Jahr angekommen, verbringen. Ungarns Staatspräsident János Áder wirbt für dieses alljährliche Fest des Frühlings: “ ….. der Frühling blüht auf und zeigt das wahre Gesicht von Budapest.“ Und der Bürgermeister der Stadt ruft zum Vergleich mit den traditionsreichen mitteleuropäischen Festwochen in Wien und Prag auf. Auftrumpfen kann man in Ungarns Metropole jedenfalls sicher in einem Punkten: Bei der verblüffend großen Anzahl an Veranstaltungen.

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Shoko Nakamura (Schwanensee). Foto: Ungarische Staatsoper Budapest

Während sich die Wiener Festwochen mehr und mehr zu einem Treffpunkt für ein spezielles Kenner-Publikum entwickelt haben, auch programmmäßig geschrumpft sind und bloß mit drei, vier konzentriert beworbenen Events ein breiteres Publikum ansprechen, sind die ungarischen Kulturmanger in erprobter Manier bemüht, ein großes Spektrum heimischer Kunstinitiativen einzufangen und in ein Festival-Paket geschnürt zu präsentieren. Und dazu noch mit einer sehr gewachsenen Schar an Stars der internationalen Musik- und Theaterszene auch prominente Lockvögel für den boomenden Kulturtourismus zu bieten. Den ausverkauften Theater- und Konzertsälen nach scheint dieser künstlerische Mix in seiner Vielfalt bestens zu funktionieren.

Als vage Programmlinie wurde heuer ein Hinblick auf östliche Kulturen, auf nahen und fernen Osten, auf einen Dialog zwischen Muslime und Christen angepeilt. Doch diese Themen sind eher in den Randveranstaltungen mit sehr viel Jazz, modernem Tanz oder beim internationalem MITEM-Theatertreffen gestreift worden. Der Eklat des deutschen Schauspielers Martin Reinke gegen die derzeitige Orban-Regierung beim Gastspiel des Burgtheaters mit Tschechows „Die Möwe“ scheint so gut wie ohne Nachwehen geblieben zu haben.

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Shoko Nakamura in Schwanensee Copyright: Ungarische Staatsoper Budapest

Zum Ausklang des Frühlingsfestes haben die zwei bedeutensten Musiktheater-Ensembles der Stadt zu großen Premieren gebeten. Eine neue „Schwanensee“-Produktion ist in der Ungarischen Staatsoper nun zu sehen. Frisch einstudiert, doch nicht wirklich neu oder besonders originell. Ballettchef Tamás Solymosi, als Tänzer früher auch als Solist des Wiener Opernballetts beliebt, hat die Version der verstorbenen niederländischen Choreographen-Größe Rudi van Dantzig aus dem Jahr 1988 eingekauft. Mit überbordend prunkvollen Kostümen, in eine Renaissance–Bilderwelt eingetaucht und fein getanzt. Doch Dantzigs langjähriger Ballettkompagnon (wie auch der phantasievolle Ausstatter) Toer van Schayk hat es nicht so richtig verstanden, der hier nicht gerade erfinderischen, dabei doch ausgedehnten Erzählung anhaltende Spannung einzuhauchen. Nicht scharf mit Paprika gewürzt, doch in ein schönes Tulpenbeet gebettet: Shoko Nakamura, auch sie in früheren Tagen eine geschätzte Jungballerina der Wiener Oper, hat mit edlem, ruhigen Ausdruck, mit ihrer in reinster Harmonie abgerundeten Bewegungssprache als Schwanenkönigin voll überzeugen können. Iurii Kekalo war ihr ein klar und sauber tanzender eleganter Partner, konnte jedoch dem unglücklich liebenden Prinzen keine profilierte Kontur geben.

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Csínom Palkó“ von Ferenc Farkas. Budapesti Operettszínház. Foto: Veronika Eder

  Das Operettentheater – Budapesti Operettszínház, immer einen Besuch wert – hat die heurige Saison unter das Motto „Das Jahr der Legenden“ gestellt. Und zu diesem Thema wurde eine höchst reizvolle Uraufführung kreiert. Ein Experiment, das geglückt ist. Dabei ist auch kein wirklich neues, sondern ein älteres Stück, welches in neuer, in einer humorvoll-satirischen Fasson verpackt wurde: „Csínom Palkó„. Ferenc Farkas, 1905 bis 2000, in Österreich kaum gespielter Komponist, doch Lehrer von Ligeti, Kurtág, den anderen früheren Avantgardisten in Ungarn, hat dieses historische Singspiel (im Werkverzeichnis als Oper geführt) 1960 komponiert. Mit ansprechenden Melodien wird die Erhebung der unterdrückten Kuruzen unter Nationalheld Ferenc II. Rákóczi im frühen 18. Jahrhundert gegen die Habsburger beschworen.

Wie ist heute so ein Werk mit Volksaufstand, der blutigen Belagerung einer Burg und sentimentaler Heimatliebe in den Griff zu bekommen? Im Operettszínház ist Regisseur KERO ein gelungener Coup geglückt: Die aktuellen Publikumslieblinge des Operettentheaters proben diese nationale Romanze, unterbrechen aber immer wieder mit ihren momentanen Befindlichkeiten die Theaterarbeit. Dabei fließen das ironisiert vorgetragene Pathos der Volkshelden und die diversen Problemchen der Schauspieler bestens pointiert ineinander (gut verständlich: englische Übertitel). Und Farkas´ eingängige Originalmusik mit ihren vielen schmissigen ungarischen Tanzrhythmen wird hin und wieder mit Rocksound oder Habsburg–Samba aufgemöbelt. Hieb & Stich gegen das Haus Habsburg fallen somit heiter und schwungvoll aus.

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Csínom Palkó“ von Ferenc Farkas. Budapesti Operettszínház. Foto: Veronika Eder

Sonst hat es auch nicht an zu wenigen Schmankerln für den Kulturkonsum gemangelt: Elina Garanca und andere Opernfreuden, nach wie vor guter musikalischer ungarischer Eigenbau, viel Jazz, viel Tanz in den verschiedsten Spektren und Street Art Perfomances. Für oder wider die gegenwärtig dominanten politische Strömungen – die Kulturschiene funktioniert.

Meinhard Rüdenauer

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